diary: since march 16, 2020 i am writing down my thoughts on corona, society and my relationship to the world in this blog. in february 2022 i started a second count: that of the war in ukraine. war is everywhere. this one is so close that i cannot and do not want to keep it away.
my thoughts and prayers go out to everyone out there who is fleeing, starving, fearing, mourning.
i am convinced that the only battle we really have to fight is the protection and preservation of nature. in an attitude of respect and diversity, while respecting human rights - in peaceful coexistence.
i understand english pretty well, but i'm not very eloquent in writing. please excuse my mistakes, google translater helps me. my style of writing is sometimes a bit fragmentary and at the same time nested, easy to understand in german, but i have no feeling for the reception in english. the subtlety of language and its translation might not be completely and correctly reflected.
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tagebuch: seit dem 16. märz 2020 schreibe ich in diesem blog meine gedanken zu corona, zu gesellschaft und meiner beziehung zur welt auf. im februar 2022 habe ich eine zweite zählung begonnen: die des krieges in der ukraine. überall herrscht krieg. dieser ist so nah, dass ich ihn nicht fernhalten kann und will.
meine gedanken und fürbitten gehen an alle da draußen, die auf der flucht sind, hungern, fürchten, trauern.
ich bin überzeugt, der einzige kampf, den wir wirklich kämpfen müssen, ist schutz und erhaltung der natur. in einer haltung des respekts und der diversität, unter wahrung der menschenrechte - im friedvollen miteinander.
alle bilder und texte unterliegen dem urheberrecht, sie sind mein geistiges und materielles eigentum. / all images and texts are subject to copyright, they are my intellectual and material property
26.02.2025. schon so lange ein neues jahr. wandel kann gut sein. sanft. ein prozess, von einem zustand zu einem anderen. kein ereignis. doch fühlt es sich gerade nicht so an, als ob es einen raum gäbe, der die veränderungen so in sich birgt, dass sie auf den verschiedenen ebenen des verstehens integriert werden könnten.
wandel im sagbaren. worte werden schleichend in unseren wortschatz aufgenommen und stumpfen in uns ab. die flut emotional bereinigter posts, die nur das hirn und nicht das herz erreichen, verwandeln die langsamkeit unseres hirns in ein stakkato kognitiver überforderung.
wandel in der ordnung der welt, die es noch nie gegeben hat. trotzdem ein hemispherischer ort gefühlter sicherheiten, die auf ehrvollen worten, kapitalistischer interessen und machtvollem streben beruhen und uns glauben lassen, es gäbe sie, die ordnung.
junge menschen denken nicht an ihre rente, sie sehen das ende einer zeit vor sich.
wir können nicht schneller gehen als wir gehen.
nicht schneller sprechen, nicht denken, nicht fühlen.
06.11.2024. handmaid`s tail.
17.07.2024. drei monate. viel denken. beobachten. noch mehr schweigen.
multikrisen im außen und innen. in dieser zeit: viele, viele unwetter, hitze, stürme, wasser. hier: regen. trump hat ein attentat überlebt und spricht offen über die errichtung einer autokratie. gewinnt durch seinen adlatus sicher stimmen von frauen, von mitte, von jungen. die ukraine wird weiter bombardiert, ebenso das, was einmal gaza war. unfassbare zerstörung. orban reist zu xi, zu putin. das fliehen ist keine meldung mehr, tägliches sterben. wir gewöhnen uns an alles, auch an die sprache der nazis. ihr handeln. ich liste nur noch auf in einer form, die mir selbst nicht zuhören kann. wohin?
12.04.2024. fast zwei monate schweigen, hier. in meinem kopf wieder zu viele tabs geöffnet. gestern nun wurde eine europäische asylreform auf den weg gebracht, die in mir eine unglaubliche scham auslöst. allein die festlegung der sogenannten sicheren herkunftsländer eine katastrophe. nun: drei monate gefängnisähnliche unterbringung, auch für kinder. abschiebung leicht gemacht, grenzzäune, gewalt. ein geschenk an italien.
nun wieder. keine worte.
22.01.2024. das ist ein lichtblick. abertausende erheben ihre stimmen, singen und sprechen, gehen, stehen gegen rechts. die folge der correktivrecherche ist ein aufwachen. die erschöpften mahnenden der letzten jahre und jahrzehnte finden endlich gehör. es sind überwältigende bilder von menschengesäumten ufern, miniaturen gefluteter plätze. menschen, die zu ihrer ersten, zu ihrer letzten demo gehen. menschen, die ein niewieder zusammenbringt, die durch kollektiven protest ein bild, eine wirklichkeit des mehrs erzeugen.
ich bin die, die vervielfältigt. die herzen setzt und repostbuttons drückt, um hashtags zu trenden. ich schenke meine zeit, meine gefühle und gedanken. schreibe hier.
auch jene wie ich brauchen einen ort, einen raum zwischen denen, die stehen und gehen. die unsichtbaren, leisen, die aus verschiedensten gründen den boden am ufer nicht betreten, nicht auf einem marktplatz singen können. behinderung ist schatten. ein schweigsames dasein des unsichtbaren.
11.01.2024. die woche ist noch nicht zu ende. montag die sogenannten „bauernproteste“, bundesweit. angesichts der forderungen, die einhergehen damit, kann ich nur zweifeln. wenn das anlass ist für straßenblockaden und ein einmütiges marschieren mit rechten gruppierungen, dann fehlt mir das verständnis. wenn bürokratie, lebensmittelpreise, kaputte böden oder dürren topthemen wären, könnte ich verstehen. so bleibt meine ungläubigkeit darüber neben eingebrannten bildern von galgen sprachlos. seit anfang des jahres versinkt nicht nur der nordwesten im wasser. die trockenlegung jener feuchten gebiete, der moore, die unzähligen kanäle zum schnelleren trocknen von ackerland haben die kleinen flüsse geflutet und jene die großen. noch ist die gefahr nicht gebannt, der frost führt zu ausdehnung des wassers. die schäden werden sich zeigen, wenn langsam die pegel sinken.
durch das schweigen zu den bauernprotesten, dem rückzug aus politischen haltungen, der reduktion auf einen mikrokosmos, kurz dem klappehalten der mehrheit, schwingt sich die kraft der libertären. die kraft der neofaschisten. die kraft euphemistischer demokratieabschaffenden. die sich unbehelligt in historisch fragwürdiger umgebung treffen, um rassistisches gedankengut und umvolkungspläne (ich kann dieses wort kaum schreiben) für die machtübernahme zu fixieren. ein staatssekretär (afd), identitäre bewegung, geschäftleute und werteunion. alle privat. da sind sie alle versammelt und planen für morgen. in aller munde, aber ohne konsequenz. es geht schneller als ich dachte. einhergehend mit meiner lähmung, meiner angst, empfinde ich tiefe verachtung. und erkenne, wie naiv ich war im glauben an eine zwar angreifbare, aber dennoch stabile demokratie. an vernunft. ich habe mich beruhigen lassen vor vierzig jahren, dreißig jahren, vor zwanzig, dass die randerscheinungen des nazitums nicht einsickern würden ins menschsein. weit gefehlt. schon lange da, erhalten geblieben, das wird man doch noch sagen dürfen.
11.12.2023. ich beneide manchmal die menschen, die sich in ihrem kleinen kosmos einfrieden können. ich kann das leider nicht. ich brauche wissen, um zu verstehen. kann die augen nicht verschließen, auch wenn zarte schneeflocken für einen kurzen moment ein innehalten möglich machen. bin seltenst im hier und jetzt und lenke mich ab. in meinem hirn sind ständig zahlreiche tabs geöffnet. die bilder aus funk und fernsehen (wie lange wird man das wohl noch sagen) brennen sich ein und machen mich fassungslos. immer mehr erkennen ich, dass wenige menschen, männer vor allem, den lauf der welt bestimmen und keine scham besitzen, keinen anstand. wir müssen jüdisches leben schützen, überall. davon bin ich zutiefst überzeugt und sehe es als meine verantwortung. aber wir müssen nicht zusehen, wie israels politik einen völkermord begeht. wir alle sind menschen.
09.10.2023. die letzten achtundvierzig stunden. erdbeben in afghanistan. rojava. israel. und die afd bekommt 16 % der stimmen in bayern und hessen. ich halte es mit felix kummer: die welt ist am arsch.
die welt, in der wir leben, hier im westen, fußt auf theorien einzelner, die sich messianisch gebärdeten. die dafür gesorgt haben, dass patriarchale strukturen ins bis ins mark gelangten und dort gespeichert wurden. für eine weltsicht, für handlungen, kapitalsysteme, gesellschaften.
heute denke ich, dass es sich niemals ändern wird. dass macht und besitz die einzigen werte sind, denen wir hilflos ausgeliefert sind.
die stimmen in den sozialen netzwerken, auf den straßen zeugen von grausamkeit und hass. von verzweiflung und ohnmacht. von angst. dieser neue krieg ist ein flächenbrand. wir sehen gerade zu, wie die lager größer werden, wie ein sturm auf uns alle zukommt, dessen auge wir nicht sehen. wie alles zusammenbricht.
22.09.2023. die einheiten der zeit zerfallen in momente, sie ziehen durch ein universum von kurznachrichten. durchweht von stürmen, wasser wirbeln tage, wochen, monate in die luft.
ich bin müde. müde zu schreiben. müde, dem zerfall zuzusehen.
doch wenn ich aufhöre, gebe ich auf. ich lasse meinen raum zurück und fülle ihn mit leere. die leere hat nicht einmal mehr müdigkeit zu bieten.
gegen was will ich schreiben. wofür? ich weiß es nicht. erinnerungen nicht verlieren, vielleicht ist es das. festhalten. die stürme. den wind. die beben.
die gleichzeitigkeit von ereignissen überwältigt mich. die dichte.
gestern.
mittestudie in deutschland. jeder zwölfte erwachsene teilt ein rechtsextremes weltbild. zwanzig prozent sind einem graubereich zuzuordnen, sie sind nicht klar rechtsextrem - aber auch nicht klar demokratisch orientiert. über die zuordnung parteien rede ich nicht. die afd nimmt kurs auf, die fdp ist die größte gefahr daneben. die teilen grau.
in armenien findet die auslöscheung einer gesellschaft, einer kultur statt und wir sehen zu. im mittelmeer ertrinken gerad wieder menschen. sterben, so wie in lybien und marokko.
ich weiß nicht mehr, ob schönheit die welt retten kann. denn das ist hoffnung auf das gute.
wie man aufsteht.
was tun.
september 22, 2023. the units of time breaking down into moments, they move through a universe of short messages. blown through by storms, water swirls into the air for days, weeks, months.
i am tired. tired of writing. tired of watching the decay.
but if i stop, i give up. i would leave my space and fill it with emptiness. this emptiness no longer even offers tiredness.
why do i want to write? for what? i don't know it. not to lose memories, maybe that's the reason. holding on. the storms. the wind. they tremble.
the simultaneity of events overwhelms me. the concentration.
yesterday.
middle study in germany. one in twelve adults shares a right-wing extremist worldview. twenty percent can be assigned to a gray area; they are not clearly right-wing extremist - but neither are they clearly democratically oriented. i‘m not talking about the assignment of parties. the adf is on course, the fdp is the biggest danger next to it. they share gray.
In armenia, the eradication of a society and a culture is taking place and we are watching. people are drowning again in the mediterrean. dying, like in libya and morocco.
i no longer know whether beauty can save the world. because that is hope for the good.
how to get up.
what to do.
27. juni 2023. was für ein wochenende. was für wochen. monate. als wir durch tschechien gereist sind und ich mich den konflikten zwischen verschiedenen bevölkerungsgruppen beschäftigt habe, dachte ich so oft: es ist immer überall das gleiche, im wechsel vom miteinander der religionen, sprachen, kulturen - zum gewaltsamen wechsel aufgrund machtbesessener menschen und apparate, der einflüsterung von dualität. das andere. das ist immer das thema, das grenzen schafft und mir ist unerklärlich, wie man darauf reinfallen kann.
während ich also durch eine mir sehr vertraute landschaftsgestalt fuhr, mich kaum sattsehen konnte an den biegungen und grüntönen, dem wechsel von feld und wald, schien das alles so voller frieden zu sein. als wäre es schon immer still und hell und freundlich hier. unter dem modernden stümpfen doch die klagen von diesen und jenen. das große vergessen hält an. in einem stillen dorf ahnen vom verlust.
ein großes unwetter, das die punktuelle krise der welt über uns schüttet.
ein feuerwind, der über den ozean flieht und uns zeigt, dass auch wir verbrennen.
ein menschenschlächter, der richtung moskau zieht und die welt in atem hält.
pushbacks vor den augen aller, die sie nicht verschließen.
ein landkreis, der den unsäglichen, beängstigten parolen einer verfassungsfeindlichen partei raum gibt. mehr will ich das nicht nennen.
die fotos der höckes, putins, prigoschins, der geknebelten, kauernden, die landkarten des wassers und der luft. die welt neu vermessen.
june 27, 2023. what a weekend. what weeks. months. when we traveled through the czech republic and i dealt with the conflicts between different population groups, i thought so often: it's always the same everywhere, in the change from the coexistance of religions, languages, cultures - to violent change due to power-obsessed people and machines, the suggestion of duality. the other. that's always the topic that creates boundaries and i can't understand how anybody can fall for it.
so while i was driving through a familiar landscape, could hardly get enough of the bends and shades of green, the alternation of field and forest, it all seemed so full of peace. as if it had always been quiet and bright and friendly here. under the mouldering stumps, the complaints of this and that. the great forgetting continues. in a quiet village sense of loss.
a great storm that pours the selective crisis of the world over us.
a fiery wind that flees across the ocean and shows us that we too are burning.
a butcher of people who moves in the direction of moscow and keeps the world in suspense.
pushbacks in front of everyone who doesn't close them.
a district that gives space to the unspeakable, frightening slogans of an anti-constitutional party. i refuse to call it more.
the photos of the höckes, putins, prigoschins, the gagged, cowering, the maps of water and air. remeasure the world.
26. april 2023. manchmal kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, wie wir vor drei jahren hier im garten saßen, abgeschirmt von der welt. es war ein warmer april, unsere kinder teilten den rückzug mit uns. die tage im garten wurden durchweht von fallenden haaren, erdigen händen, schnappschüssen vor blau. ich hatte angst. es war, als sei eine unsichtbare kraft über uns verschüttet worden. sorge um meine kinder. schreckensbilder aus italien, new york, indien, hiesigen krankenhäusern, die sich wie jene anderen ikonischen abbilder von wirklichkeit seit jahrzehnten in mein gedächtnis brennen. vor etwas mehr als einem jahr dann die fallenden bomben und videos aus u-bahn-stationen, kellern, aus autos und zügen. auch hier eine angst, die sich nach meiner kindheit, der des kalten krieges, irgendwo in meinem hirn zur ruhe gesetzt hatte und nun eingeladen wurde.
ich verstehe die menschen, dachte ich gestern, als ich beim arzt saß. ich verstehe, dass sie die maske weglegen und einfach nur zu ihren gewohnten lebenszyklen zurückkehren wollen, dass sie aufhören zu hinterfragen. dass sie die angst verjagen. ich kann das nicht. und sitze allein zwischen den anderen.
march 15, 2023. It is snowing. the consequences of the politics can be seen in the desperate calls from people suffering from longcovid. today is long covid awareness day. I'm lost for words. to stigma, to ignorance, to a lack of support, to the invisibility of all those very sick people. there are no more tests, no mask requirement. a handful of people publish figures and results of the sewage investigations, which increase the official figures many times over. it is shadowland.
and back there the war rages, whose vocabulary has deadened us.
almost daily reports of drowned people in the mediterranean sea.
heat waves. rain.
fanatical individuals in the centers of power.
the appropriation of the middle by right.
hate against trans people.
denial of self-identification.
fundamentalism.
15. märz 2023. es schneit. die folgen der politik lassen sich in den verzweifelten aufrufen der an longcovid erkrankten menschen ablesen. heute ist der longcovidawarenesstag. mir fehlen die worte. zu stigmatisierung, zu ignoranz, mangelnder unterstützung, zur unsichtbarkeit all jener sehr kranken personen. es gibt keine tests mehr, keine maskenpflicht. eine handvoll menschen veröffentlicht zahlen und ergebnisse der abwasseruntersuchungen, die die offiziellen zahlen um ein vielfaches erhöhen. es ist schattenland.
und da hinten tobt der krieg, dessen vokabular uns abgestumpft hat.
fast täglich berichte ertrunkener im mittelmeer.
hitzewellen. regen.
fanatische einzeltäter in den zentren der macht.
die aneignung der mitte durch rechts.
hass gegen trans menschen.
aberkennung der selbstidentifizierung.
fundamentalismus.
february 3, 2023. the pandemic officially ended yesterday. masks are no longer compulsory on public transport. there is no longer an obligation to isolate and there are fewer test centers. vaccination centers closed. i‘m stunned, the minister of health, whom i really celebrated at the beginning, refers to personal responsibility. the big argumentation starts, about the mistakes at the beginning of the pandemic: you have to work through what happened with the restriction of freedom. i do’nt understand that. in the past, things didn't go fast enough for many people. there was a storm of indignation about the lack of vaccines. people wanted to protect children and the elderly.
now: there is no more protection, for anyone. i get treated like an extraterrestrial when i wear my mask in the supermarket. when i say: no, i don't go to parties, to big restaurants. apart from the fact that i don't like going to big parties anyway and in big restaurants the volume hell overwhelms my senses, but that's not the point. a health minister who notes that self-protection is important, especially for vulnerable people, to avoid long covid, is a failure.
the many studies that are being carried out all over the world show that at least ten percent of those infected have to reckon with serious consequences, with precisely that long covid, which in some cases leads to massive restrictions on life and also to death. and, as is also shown, the probability of getting a cardiovascular disease has also increased significantly. the risk of diabetes, dementia is drastically increased. and that applies not only to adults, but also to children. their life expectancy is shortened. the probability of long covid applies above all to people with chronic pre-existing conditions. for someone like me, with a pre-existing condition and consequent cfs, this threat is real. nobody who doesn't have that can imagine what a crash feels like, knows the nerve pain, shortness of breath, the leaden heaviness in the body, the deep tiredness after stress. combined with the knowledge that the following day or days have passed. meanwhile it's enough for me how i‘m doing, it's enough for a good, quiet life. but less of it would be a nightmare.
I'm angry. angry about the trivialization. the ruthlessness. the hostilities. the freedom calls. feel for everyone out there who is struggling right now. have been doing everything for a long time not to be infected, leading a shadow life. who are at home with sick children and despair, who do not dare to leave the house, who lie down themselves and find no hope because nobody understands what is going on in their bodies. those who watch in amazement as masks and tests and responsibility are thrown into the trash can. i stop counting.
3. februar 2023. seit gestern ist die pandemie vorbei, so ganz offiziell. die maskenpflicht in öffentlichen verkehrsmitteln wurde eingestellt. es gibt keine isolationspflicht mehr und die testzentren werden weniger. impfzentren geschlossen. ich bin fassunglos, der gesundheitsminister, den ich zu beginn wirklich gefeiert habe, verweist auf eigenverantwortung. das große streiten geht los, über die fehler zu beginn der pandemie: man müsse aufarbeiten, was da geschehen sei mit der einschränkung der freiheiten. ich verstehe das nicht. damals ging es vielen nicht schnell genug. es gab einen sturm der entrüstung über fehlende impfstoffe. man wollte kinder und ältere menschen schützen.
jetzt: gibt es keinen schutz mehr, für niemanden. ich werde wie eine außerirdische betrachtet, wenn ich meine maske im supermarkt trage. wenn ich sage: nein, ich gehe nicht auf feste, in große restaurants. davon abgesehen, dass ich sowieso nicht gerne auf große feste gehe und in großen restaurants die lautstärkenhölle meine sinne überwältigt, aber das ist nicht der punkt. ein gesundheitsminister, der anmerkt, der eigenschutz sei wichtig, vor allem für vulnerable menschen, um long covid zu vermeiden, ist ein ausfall.
die vielen studien, die überall auf dem globus durchgeführt werden, zeigen, dass mindestens zehn prozent der infizierten mit schweren folgen zu rechnen haben, mit eben jenem long covid, das teilweise zu massiver einschränkung des lebens führt und auch zum tod. und, so wird ebenfalls gezeigt, die wahrscheinlichkeit, eine herz-kreislauf-erkrankung zu bekommen, ist ebenfalls deutlich gestiegen. die gefahr von diabetes, demenz ist drastisch erhöht. und das gilt nicht nur für erwachsene, sondern auch für kinder. ihre lebenserwartung wird verkürzt. die wahrscheinlichkeit von long covid gilt vor allem für personen mit chronischen vorerkrankungen. für jemanden wie mich, mit vorerkrankung und daraus folgendem cfs, ist die diese bedrohung real. niemand, der das nicht hat, kann sich vorstellen, wie sich ein crash anfühlt, kennt die nervenschmerzen, kurzatmigkeit, die bleierne schwere im körper, die tiefe müdigkeit nach überlastung. verbunden mit dem wissen, dass nun der folgetag oder die folgetage gelaufen sind. mir genügt es mittlerweile, wie es mir geht, es reicht für ein gutes, ruhiges leben. aber weniger davon wäre ein alptraum.
was soll ich sagen: ich bin wütend. wütend über die bagatellisierung. die rücksichtslosigkeit. die anfeindungen. das lächerlichmachen. die freiheitsrufe. fühle mit allen da draußen, die gerade kämpfen. seit langer zeit alles dafür tun, nicht angesteckt zu werden, ein schattenleben führen. die mit kranken kindern zuhause sind und verzweifeln, die sich nicht aus dem haus trauen, die selbst liegen und keine hoffnung finden, weil niemand versteht, was in ihren körpern vor sich geht. die, die fassungslos zusehen, wie masken und tests und verantwortung in den mülleimer geschmissen werden. ich höre auf zu zählen.
tag 999.
tag 338.
morgen sind es tausend tage.
bald ein jahr angriff auf die ukraine. der krieg währt schon länger.
ich fühle mich krank. vielleicht hat es mich nun doch erwischt. nach hunderten von tagen.
das alles ist krank. zum glück schaffen wir menschen es, zu verdrängen, auszublenden, zu vergessen. und finden irgendwo ein stück schönheit.
day 995. day 334. today is the sixteenth of january 2023.
broom. camellias.
alyssum. eyebright. crocuses. primroses.
singing blackbirds.
where i grew up, there were sometimes almond blossoms, in february.
those were the first days of warm sunshine on my hair.
tag 995. tag 334. heute ist der sechzehnte januar 2023.
ginster. kamelien.
steinkraut. augentrost. krokusse. primeln.
amseln singen.
da, wo ich herkomme, waren es manchmal die mandeln, im februar.
da waren es erste tage warmen sonnengefühls auf dem haar.
day 990. day 329. i tend to get stuck on topics. there is an urge to get as much information as possible, even if i immediately forget a lot. the more i take information from different directions, the more probable the truth content from which i occasionally derive my attitude - but mostly it's already there beforehand, my opinion. and i know that it can be dangerous to feed the own opinion, clearly seen with people who cling to conspiracy myths. i think nobody is immune to it.
but: many truths are a fact. the war in ukraine is true. a global threat to democratic systems is true. violence on flintas is true. sexual violence against children is true. drowning refugees on the mediterranean are true. these are all facts.
right now, in a small village in north rhine westphalia, people who are rebellious are overrunned by cops. journalists have problems getting to the scene of events in order to report as objectively as possible. a cornerstone of our democratic society is being attacked by this. people in lützerath have squatted left houses, built tree houses and prepared emotionally and physically for the police to evict them. first-aid attendant were on site. they had to leave, injured people cannot be treated anymore.
this village is a symbol of the destruction of living space in a world threatened by collapse. it is a symbol of the last generation's desperate attempt to save this world for us, for generations to come. it is a fight of david against goliath, because there is no doubt: this village will be cleared in the interest of big corporations and politicians who profit from it. who have the power to buy villages, tear them down and mine brown coal beneath the foundations of lived reality.
i support the actions of people who throw tomato soup at paintings, glue themselves to streets, climb over site fences and occupy excavators. they are NOT the terrorist.
tag 990. tag 329. ich neige ja dazu, ich in themen zu verbeißen. es ist ein drang, möglichst viele informationen zu bekommen, auch wenn ich vieles sofort wieder vergesse. je mehr ich aus verschiedenen richtungen aufnehme, umso wahrscheinlicher scheint mir der wahrheitsgehalt, aus dem ich meine haltung gelegentlich ableite - sie aber meist schon vorher da, meine haltung. und ich weiß, dass es gefährlich sein kann, die eigene meinung zu füttern, das sieht man ja deutlich bei menschen, die verschwörungsmythen anhängen. ich denke, niemand ist davor gefeit.
aber: viele wahrheiten sind eine tatsache. der krieg in der ukraine ist wahr. eine weltweite gefährdung demakratischer systeme ist wahr. gewalt an flintas ist wahr. sexuelle gewalt an kindern ist wahr. ertrinkende geflüchtete auf dem mittelmeer sind wahr. das alles sind tatsachen. fakten.
gerade, in diesem moment, werden widerständige menschen in einem kleinen dorf in nordrhein westfalen von hundertschaften überrannt. journalisten haben probleme, an denort des geschehens vorzudringen, um möglischt objektiv bericht zu erstatten. ein grundpfeiler unserer demokratischen gesellschaft wird damit angegriffen. diese menschen haben häuser besetzt, baumhäuser errichtet und sich emotional und körperlich auf die räumung durch die polizei vorbereitet. ein samitätsteam stand bereit. es wurde vom gelände verwiesen, verletzte personen können nicht behandelt werden.
dieses dorf ist ein symbol für die vernichtung von lebensraum in einer vom kollaps bedrohten welt. es ist ein symbol für den verzweifelten versuch der letzten generation, diese welt zu retten für uns, für die kommenden generationen. es ist ein kampf von david gegen goliath, denn es besteht kein zweifel: dieses dorf wird geräumt werden im interesse von großkonzernen und politikern, die davon profititeren. die die macht haben, dörfer zu kaufen, niederzureißen und unter den fundamenten der gelebten wirklichkeit braunkohle abzubauen.
ich befürworte die aktionen der menschen, die gemälde mit tomatensuppe bewerfen, sich an straßen kleben, über bauzäune klettern und bagger besetzen. die terroristen sind andere.
day 981. day 320. the second day of the new year. record-breaking turn of the year. the highest measured temperatures since weather records began. we had fourteen degrees, in the south of germany twenty degrees. we are observing the stroll into an unbelievable catastrophe.
for the first time since the beginning of the corona crisis, the sale of fireworks has been allowed again. this is only possible on a few days a year. long queues formed in front of the shops, there were battles about the rockets and firecrackers. apparently a lot of people got hold of enough to shoot through new year‘s eve and the first of january. our dog has retreated to the study and during the walk it jumped one frightened step after the other. she is tranquility in dog form, normally. we live in a small town. the excessiveness of the firecrackers is still limited here. berlin reports the state of emergency. aggressive attacks on rescue workers rushing to fire. numerous injured helpers. there were dead, lost hands, legs and faces. like in war. but this wasn't serious, it was "fun". and while the germans insist on their tradition of ringing in the new year and toasting one another amid unspeakable noise and smoke, many people probably crawl under the tables and tremble in the hallways, fearing that their lives could be over now. what kind of fun is that supposed to be? that is mockery. mockery of children, traumatized persons, animals. towards nurses, doctors, fire brigades, police officers. mockery at a time when many only complain about how expensive everything has become while they load the shopping cart with rocket batteries. one word that i hardly ever use because i find it despising is the only one that seems appropriate to me here: stupidity.
tag 981. tag 320. der zweite tag des neuen jahres. rekordverdächtiger jahreswechsel. die höchsten gemessenen temperaturen seit beginn der wetteraufzeichnungen. hier lagen sie bei vierzehn, im süden deutschlands bei zwanzig grad. wir sehen zu, wie wir in eine unfassbare katastrophe schlendern als wären wir im frühling.
zum ersten mal seit beginn der coronakrise wurde der verkauf von feuerwerk wieder erlaubt. das ist hier nur an wenigen tagen im jahr möglich. vor den geschäften bildeten sich lange schlangen, es kam zu auseinandersetzungen um die raketen und böller. offensichtlich wurde von vielen genug ergattert, um die silvesternacht und den ersten januar durchzuböllern. unser hund hat sich ins arbeitszimmer verzogen und beim spaziergang einen erschreckten hüpfer nach dem anderen hingelegt. sie ist die ruhe in hundegestalt, normalerweise. wir leben in einer kleinstadt. die maßlosigkeit der böllerei hält sich hier also noch einigermaßen in grenzen. berlin berichtet den ausnahmezustand. aggressive angriffe auf rettungskräfte, die zu bränden eilten. zahlreiche verletzte helfer. es gab tote, verlorene hände, beine und gesichter. wie im krieg. doch das hier war kein ernst, das war „spaß“. und während die deutschen auf ihre tradition pochen, mit dem zündeln das neue jahr einzuläuten und sich zwischen unsäglichem lärm und rauch zuprosten, kriechen vermutlich sehr viele menschen unter die tische und zittern in fluren, weil sie befürchten, gleich könne ihr leben vorbei sein. was soll das für ein spaß sein? das ist hohn. hohn gegenüber kindern, traumatisiserten, tieren. gegenüber pflegekräften, ärzten, feuerwehren, polizist*innen. hohn in einer zeit, in der viele nur klagen, wie teuer alles geworden sei, während sie den einkaufwagen mit batterien von raketen beladen. ein wort, das ich kaum verwende, weil ich es verachtend finde, ist an dieser stelle das einzige, das mir hier passend erscheint: dummheit.
day 976. day 308. between the years. the gap between the lunar and solar calendars allowed juniper and incense to enter the rooms to banish dark forces, evil spirits and devilish behavior. these twelve nights represent the coming year in magical thinking. thus wishes are manifested on small pieces of paper and ritually burned, one after the other. in the rising smoke lies the message to the universe. i too, having grown up in an atheistic home, am familiar with magical acts: no washing during this time. it used to be the white linen because people feared that it could become a shroud. the time of the rough nights could also be understood as an empowerment, because the maids and servants, whose work secured their livelihood, were not allowed to toil. and they had opportunity in twelve short days to sit by candlelight and turn to one another. to talk, to tell stories. i like that idea this year. and it shows how much we are steeped in old rituals that have their origins beyond christian traditions. it shows that the perception of the world has been written into our bodies over many generations and that we can superimpose the excerpts of time.
there was a time when i also performed these magical rituals. the selection of the requests are a return to one's own inner constitution. motifs can be found everywhere in the depth psychological images and archetypes. these symbols have value, even if this is denied to them in the causal world view. all those who turn to the symbols and sentences have the desire and the willingness to face an inner resonance and to move outward. such are the rough nights.
my time for roughnights is over. i took them off like my christian faith. knowing full well that i assume the existence of a higher self without being able to prove it. so a slight doubt arises as to whether what i find in wishes for the coming year, what constitutes knowledge and hope, can also be stored in me without a small sheet of paper. i will see.
tag 976. tag 308. zwischen den jahren. die lücke zwischen mond- und sonnenkalender ließen wachholder und weihrauch in die räume ziehen, um die dunklen mächte, böse geister und teuflisches gebaren zu vertreiben. diese zwölf nächte repräsentieren im magischen denken das kommende jahr. so werden wünsche auf kleinen papieren manifestiert und rituell verbrannt, einer nach dem anderen. im aufsteigenden rauch liegt die botschaft an das universum. auch ich, aufgewachsen in einem atheistischen elternhaus, bin mit magischen handlungen vertraut: keine wäsche waschen in dieser zeit. früher war es die weiße wäsche, denn man fürchtete, dass diese zum leichentuch werden könnte. die zeit der raunächte könnte auch als ermächtigung verstanden werden, denn die mägde und knechte, deren arbeit die existenz sicherte, durften nicht schuften. und sie hatten gelegenheit, in zwölf kurzen tagen im schein von kerzen zu sitzen und sich einander zuzuwenden. zu reden, geschichten zu überliefern. dieser gedanke gefällt mir in diesem jahr. und es zeigt, wie sehr wir durchdrungen sind von alten ritualen, die jenseits christlicher traditionen ihren ursprung haben. es zeigt, dass die wahrnehmung der welt über viele generationen in unsere körper geschrieben ist und wir die ausschnitte der zeit aufeinanderlegen können.
es gab eine zeit, in denen auch ich diese magischen rituale durchgeführt habe. die auswahl der bitten sind eine rückbesinnung auf die eigene, innere verfasstheit. motive finden sich überall in den tiefenpsychologischen bildern und archetypen. diese symbole haben wert, auch wenn dieser ihnen in der kausalen weltvorstellung abgesprochen wird. all jene, die sich gerade den symbolen und sätzen zuwenden, haben den wunsch und die bereitschaft, sich einer inneren resonanz zu stellen und sich ins außen zu bewegen. so sind die raunächte.
meine zeit der raunachtrituale ist vorbei. ich habe sie abgelegt wie meinen christlichen glauben. wohlwissend, dass ich die existenz eines höheren selbst annehme, ohne sie beweisen zu können. so kommt ein leiser zweifel auf, ob das, was ich an wünschen für das kommende jahr finde, das was erkenntnis und hoffnung ausmacht, auch ohne ein kleines blatt papier in mir speichern kann. ich werde sehen.
day 969. day 301. today is the twenty-first of december. equinox. i‘ve longed for this day, this winter seems heavier, darker, longer to me. the darkness lies on the streets and meadows and swallows up the world. there were a few cold, sunny days when the glitter of ice on the water washed a bit of color onto the shore. while i walked through the cold, i knew there was a warm place waiting for me. today fog swallows the light.
again i haven't written for a long time, just stored sentences in my head. but there are no word paintings, nothing sugarcoating, hopeful. covid floods china. the war continues, with the systematic destruction of the supply infrastructure. moldova fears an invasion of russian troops in the coming year. in afghanistan, people read as female are no longer allowed to go to a secondary school, to a university, to the park or to sports. they must be veiled in public. people are dying on the mediterranean sea. in germany the overthrow was planned by the citizens of the „reichsbürger“. the children's clinics are overcrowded, there are no fever-reducing medications, and there aren't many medications in general. long-covid is going through the roof. war on social media. about gender, identity, about diversity and the right to diagnose neurodivergence. it is incomprehensible to me how the existence of diversity is reduced to a binary concept in all topics. above all these isms lies the fear of change. but: we are a spectrum. respect and tolerance could be our weapons.
tag 969. tag 301. heute ist der einundzwanzigste dezember. tagundnachgleiche. diesen tag habe ich ersehnt, kommt mir dieser winter schwerer, dunkler, länger vor. die dunkelheit liegt auf den straßen und wiesen und schluckt die welt. es gab ein paar kalte, sonnige tage, an denen das glitzern von eis auf dem wasser ein bisschen farbe ans ufer spülte. während ich durch die kälte lief, wusste ich um einen warmen platz. heute schluckt nebel das licht.
wieder habe ich lange nicht geschrieben, nur in meinem kopf sätze abgelegt. aber es gibt keine wortmalereien, nichts beschönigendes, hoffnungsvolles. covid flutet china. der krieg dauert an, mit systematischer zerstörung der versorgungsinfrastrukutr. moldawien befürchtet einen einmarsch russischer truppen im kommenden jahr. weiblich gelesene personen dürfen in afghanistan nicht mehr auf eine weiterführende schule, auf eine universität, in den park, zum sport. in der öffentlichkeit müssen sie verhüllt sein. menschen sterben auf dem mittelmeer. in deutschland war der umsturz geplant, von reichsbürgern. die kinderkliniken sind überfüllt, es gibt keine fiebersenkenden medikamente, überhaupt gibt es zahlreiche medikamente nicht. long-covid geht durch die decke. krieg in den sozialen medien. über geschlecht, identität, über diversität und das recht, neurodivergenz zu diagnostizieren. es ist mir unbegreiflich, wie die existenz der vielfalt in jeglicher hinsicht auf ein binäres konzept reduziert wird. über all diesen ismen liegt die angst vor veränderung. aber: wir sind ein spektrum. respekt und toleranz könnten unsere waffen sein.
day 941, day 273. twenty-third of november. while we dust off the christmas decorations, soccer players bow to corrupt organizations. covering one's mouth seems to be a diplomatic solution in order not to lose the last bit of decency in the world public. the attitude of the iranian players could have been a sign, as could that of the iranian fans, especially the women. while wreaths are being tied here for christmas, people are being systematically executed, tortured and raped. i can't get rid of aren't the cowardly statements of the soccer stars. no, it's the question of how a person can come to hurt others, to humiliate them, to break their soul. i can't find any answer.
tag 941, tag 273. dreiundzwanzigster november. während wir den weihnachtsschmuck entstauben, beugen sich fußballspieler korrupten organisationen. sich den mund zuzuhalten scheint eine diplomatische lösung zu sein, um in der weltöffentlichkeit nicht den letzten rest von anstand zu verlieren. dabei hätte die haltung der iranischen spieler ein zeichen sein können, ebenso die der iranischen fans, vor allem der frauen. während hier kränze gebunden werden für das fest, werden systematisch menschen hingerichtet, gefoltert, vergewaltigt. was mich nicht loslässt, das sind nicht die feigen bekundungen der fußballstars. nein, es ist die frage, wie ein mensch dazu kommen kann, andere zu verletzen, zu demütigen, seine seele zu brechen. ich finde keine antwort.
day 935, day 267. seventeenth november. autumn has blown in, i'm circling with the dog through the pouring rain. thankful that i have a heater and can be sure that my clothes will dry. it is not a matter of course. for some time now, people have been daring to show their everyday struggles and step out of their shame into the light under the hashtag #ichbinarmutsbetroffen (affected by poverty). we live in a country where politicians regard the increase of fifty euros in money for those affected by poverty as a milestone. at the same time, conservatives are opposed to the plan to turn hartz4 into a citizen's allowance that has fewer bureaucratic hurdles. if it is considered a success in our society to introduce a forty-nine euro ticket, then i ask myself who can afford it. many. for many it is important and good to use public transport cheaply. but for many it is unaffordable. this keeps the seriousness open between those who benefit from it and those who remain left behind and cannot even afford the trip to a specialist.
incidentally, about thirty percent of the students were affected by poverty in the past semesters. and all the cultural workers…. people without a home are driven out of public places. winter is coming. and in the communities, the christmas lights are discussed, celebrations are organized, decorations are prepared.
i am part of it myself. think about advent calendars and christmas dinners. i don't have to think about whether i can afford it. if the washing machine is broken, we can buy a new one. but to an increasing degree i stumble at my own self-righteousness. and i'm tired of shopping in health food stores, standing between all the other self-righteous people and radiating a privilege to be better while i put three euros on the table for a kilo of potatoes. (note: i'm not saying that the prices are too high in health food stores, quite the opposite: i'm convinced that food should be paid for appropriately for its production process). it's the same people i meet there, in the health food store and in the supermarket. they are planning meetings, celebrations, new year's eve parties. they can afford it. like me. almost no one wears a mask there. covid is over while thousands of people die from it every week. by the way: the obligation to isolate has been lifted in some federal states.
there in the shop, there are a few characters sneaking around between the shelves, their faces half covered by a piece of protective fabric. respect, solidarity, consideration are woven into it.
tag 935, tag 267. siebzehnter november. der herbst ist hereingeweht, ich ziehe meine kreise mit dem hund durch strömenden regen. dankbar, dass ich eine heizung habe und sicher sein kann, dass meine kleidung trocknen wird. es ist nicht selbstverständlich. unter dem hashtag #ichbinarmutsbetroffen trauen sich seit einiger zeit menschen, ihre alltäglichen kämpfe zu zeigen und aus der scham ins licht zu treten. wir leben in einem land, in dem die erhöhung des geldes für armutsbetroffenen von fünzig euro von politikern als meilenstein gewertet wird. gleichzeitig stellen sich konservative gegen das vorhaben, aus hartz4 ein bürgergeld zu machen, das weniger bürokratische hürden aufzeigt. wenn es in unserer gesellschaft als erfolg gilt, ein neunundvierzigeuroticket einzuführen, dann frage ich mich, wer sich das leisten können soll. viele. für viele ist es wichtig und gut, günstig mit öffentlich verkehrsmitteln zu fahren. aber für auch viele ist das unerschwinglich. so bleibt die schwere geöffnet zwischen denen, die davon profitieren und denen, die abgehängt bleiben und sich nicht einmal die fahrt zu einem facharzt leisten können.
übrigens waren auch etwa dreißig prozent der studierenden in den vergangenen semestern armutsbetroffen. und all die kulturschaffenden…. menschen ohne wohnung werden von öffentlich plätzen vertrieben. der winter steht vor der tür. und in den gemeinden wird über die weihnachtsbeleuchtung diskutiert, feiern werden organisiert, dekoration vorbereitet.
ich bin selbst ein teil davon. denke über adventskalender und weihnachtsessen nach. ich muss nicht überlegen, ob ich mir das leisten kann. wenn die waschmaschine kaputt ist, können wir eine neue kaufen. aber in zunehemdem maße stoße ich mich an meiner eigenen selbstgerechtigkeit. und ich habe keine lust mehr, im bioladen einzukaufen, zwischen den ganzen anderen selbstgerechten menschen zu stehen und ein privileg zum bessersein auszustrahlen, während ich für ein kilo kartoffeln drei euro auf den tisch lege. (wohlgemerkt: ich sage nicht, dass die preise zu hoch sind im bioladen, ganz im gegenteil: ich bin überzeugt, dass lebensmittel ihrem erzeugungsprozess angemessen bezahlt werden sollen.). es sind die gleichen leute, die ich dort treffe, im bioladen und im supermarkt. sie planen treffen, feiern, silvesterpartys. sie können es sich leisten. so wie ich. fast keine person dort trägt maske. corona ist vorbei, während wöchentlich tausend menschen daran sterben. nebenbei: die isolationspflicht wurde in einigen bundesländern aufgehoben.
da im laden, da schleichen ein paar wenige gestalten zwischen den regalen umher, deren gesicht zur hälfte verdeckt ist von einem stück schützendem gewebe. respekt, solidarität, rücksichtnahme finden sich dort eingewoben.
day 929. day 261. eleventh november 2022. martin day. beginning of carnival. well then. the fact that i haven't written for a long time is not because i don't care about the corona situation, which is symbolic of so much in the world. the horrors of the near war, the self-empowering, deadly revolution in iran are burned into my memory. when i see the courage of the people, in their cellars, in the cold, in the boats on the big sea, i become small and humble. i don't know if i would have the courage to sing, to show my hair, if i knew that the worst things would happen to me. in short: i don't know if i would be willing to sacrifice my life and expose myself to torture and rape, neither in iran, nor in ukraine, afghanistan, somalia, nigeria - at least i have to be that honest and with all humility my cowards admit thoughts. the corona situation has become a sideline, we deny and look the other way and suppress. there are a thousand deaths every week and according to estimates by various reputable scientists, the consequences of long covid, cardiovascular diseases and unforeseeable psychological consequences will affect at least one in four. the health system is collapsing because the exploitative structures are driving people out of their jobs.
the reason i didn't write isn't disinterest in the world, but shifting an inner focus. i have already indicated that in the last few months i have found certainties about myself that are life-changing. because i’m obsessed with knowledge and insight, i first had to get an overview. at the same time, this also brings negative feelings and doubts about what i have been so far. the nature of my artistry also means that long phases of inner silence and slow movement produce a direction for which colors or words are slowly found. i think it's time now. today, i decided to give this focus on my existence a new place: a second diary. if you are interested feel welcome. i would also like to issue a trigger warning for all those who have experienced trauma in some form and who could experience great stress with the topic of neurodivergence / trauma.
tag 929. tag 261. elfter november 2022. martinstag. beginn des faschings. nun denn. dass ich lange nicht geschrieben habe, liegt nicht daran, dass mir die coronalage, die sinnbildlich ist für so vieles in der welt, egal wäre. die schrecken des nahen krieges, die selbstermächtigende, tödliche revolution im iran brennen sich in mein gedächtnis. wenn ich den mut der menschen, in ihren kellern, in der kälte, in den booten auf dem großen meer sehe, dann werde ich klein und demütig. ich weiß nicht, ob ich den mut hätte, zu singen, meine haare zu zeigen, wenn ich wüsste, dass man mir schlimmste dinge antun würde. kurz: ich weiß nicht, ob ich bereit wäre, mein leben zu opfern und mich der folter und vergewaltigung auszusetzen, weder im iran, noch in der ukraine, afghanistan, somalia, nigeria - so ehrlich muss ich wenigstens sein und mit aller demut meine feigen gedanken eingestehen. die coronalage ist zu einem seitenstrang geworden, wir leugnen und sehen weg und verdrängen. es gibt tausend tote pro woche und nach schätzungen diverser seriöser wissenschaftler werden die folgen, long covid, herz-kreislauf-erkrankungen und unabsehbare psychische folgen mindestens jeden vierten treffen. das gesundheitssystem bricht zusammen, weil die ausbeuterischen strukturen die menschen aus ihren berufen treibt.
der grund, warum ich nicht geschrieben habe, ist also nicht das desinteresse an der welt, sondern die verschiebung eines inneren fokus. ich habe es schon angedeutet, dass ich in den letzten monaten gewissheiten über mich gefunden habe, die lebensverändernd sind. weil ich besessen bin von wissen und erkenntnis, musste ich mir erst mal einen überblick verschaffen. zugleich bringt das auch negative gefühle und zweifel an meinem bisher mit sich. das wesen meiner künstlerschaft bedeutet auch, dass lange phasen des inneren schweigens und langsamen bewegens eine richtung hervorbringen, für die sich dann langsam farben oder worte finden. ich glaube, es ist nun soweit. Ich habe heute beschlossen, diesem fokus auf mein dasein einen neuen ort zu geben: einem zweiten tagebuch. sollte es dich / sie interessieren, fühlt euch willkommen. Und ich möchte auch eine triggerwarnung aussprechen, für all die, die in irgendeiner form traumaerfahrung haben und mit dem thema neurodivergenz / trauma große belastung erfahren könnten.
day 894. day 226. the seventh of october 2022. now i could start a new count. like every time i open this page and feel ready to continue writing. there is always a new count. a day x that announces the beginning of a small epoch. i consider this count as linear. in my imagination, small and large strings of time lie parallel. time is the core of the string, surrounded by events and movements, sometimes soft as fuzz and often hard as thumbtacks, fit around and into you. i can't find any other image than the diffuse fluff and this purpose, which has a flat head under which the tip is hidden. that holds many things together and bores into the cords of time like into a soft sole of a foot, into cardboard, into wood.
these parallel strings in front of my inner eye, which i can locate outside of my body in space, form a network in my brain, which overlap into a tangle of facts and emotions, from the attempt to find a light switch, to the darkness and its to bring dreams to rest.
the world is just one big overload. the strings are getting longer and longer.
Iran. mediterrean sea. war. hurricanes. assassinations. corona. breakdown of care. poverty.facism.
if you are obsessed with information like i am, then the imagined cords no longer form any order. and since they are surrounded by the barely tangible, light mass and impenetrable metallicity, this information is either fleeting or hidden in the spaces between metal. both are forgotten and looking for memories.
many people manage to reduce themselves and keep the number of epochs clear and manageable. they manage to use defense mechanisms to maintain the present that they know and that offers them safety and joy.
i laugh, i love, i cry. i am safe. and yet i can't forget what's happening out there. so i carry the space between fleetingness and the tip of my nail with me.
tag 894. tag 226. der siebte oktober 2022. nun könnte ich eine neue zählung beginnen. wie jedes mal, wenn ich diese seite öffne und mich bereit fühle, weiterzuschreiben. es gibt immer eine neue zählung. einen tag x, der den beginn einer kleinen epoche ankündigt. ich sehe diese zählungen als linear. so liegen kleine und große stränge von zeit parallel in meiner vorstellung. die zeit ist der kern des strangs, umgeben von ereignissen und bewegungen, die sich manchmal sanft wie flaum und oft hart wie reißzwecken um und in sie fügen. ich finde kein anderes bild als den diffusen flaum und diese zwecke, die einen flachen kopf hat, unter dem sich die spitze verbirgt. die so manches zusammenhält und sich in die stränge der zeit bohrt wie in eine weiche fußsohle, in pappe, in holz.
diese parallelen stränge vor meinem inneren auge, die ich außerhalb meines körpers im raum verorten kann, bilden in meinem hirn ein netzt, die überlagern sich zu einem gewirr aus fakten und emotionen, vom versuch, einen lichtschalter zu finden, um die dunkelheit und ihre träume zur ruhe zu führen.
die welt ist gerade ein einziger overload. die stränge werden länger und länger.
iran. mittelmeer. krieg. wirbelstürme. attentate. corona. zusammenbruch der pflege. armut. faschismus.
wenn man wie ich besessen von informationen ist, dann bilden die imaginierten stränge keine ordnung mehr. und da sie umgeben von kaum greifbarem, leichter masse und von undurchdringlicher metalligkeit sind, sind diese informationen entweder flüchtig oder sie verbergen sich in den räumen zwischen metall. beides ist vergessen und erinnerung suchen.
viele menschen schaffen es gut, sich zu reduzieren und die anzahl der epochen übersichtlich und bewältigbar zu halten. sie schaffen es, abwehrmechanismen einzusetzen, um die gegenwart zu erhalten, die sie kennen und die ihnen sicherheit und freude bietet.
ich lache, ich liebe, ich weine. ich bin in sicherheit. und dennoch: das, was da draußen passiert, kann ich nicht vergessen. so trage ich den raum zwischen flüchtigkeit und nagelspitze mal so, mal so mit mir.
day 865. day 197. the eighth of september 2022. this morning i walked the streets of our city, discovering houses that i have never really looked at before. i feel the same way about pines, i mean those that face south and stretch far over fences. today it wasn't the small settlement houses from the fifties, but those from the seventies that lie on the property like bulwarks. dark walls, shady windows, wood. they exude the taciturnity that i remember from my childhood, when i visited these houses and was in awe of the heaviness of the furniture and the wood. my family had no property for a long time, for generations. we always rented and i grew up in a newly built area where we were the only non-owners. renting was proudly cultivated in my family as a dividing line to the mentality of well-kept front gardens and meaningful building. we, my father said, would travel instead. the condescension of my ancestors is alien to me. i can relate to the motive for creating a space of ownership, as it conveys a feeling of security and stability. but also believe that it is an illusion. and an injustice inherent in the system, which now, to remain only in the cosmos of national borders, in the decades after reunification, shows that wealth is always unequally distributed.
at the beginning of the war i had reflexive thoughts that our house could be lost and with it the safety, the place of refuge for my children. the memories. i’m actually ashamed of thinking this way. this house is a symbol of the world and its nuances. for participation and use in a capitalist system. for “mine”. which i renounce mentally and still feel. in which i am not generous, although i would like to be. the stones, the angles, the transparency. not inherited, worked-for, i justify myself to myself.
a house allows to think in perspective. it is so much evidence of prosperity that the present with its superior questions lives in the cellar between food stocks and never comes to light.
actually I want to write. write about the people who are exposed to daily violence due to an inherent transphobia, as well as their families and friends. i‘m lost for words. my thoughts and empathy are with them.
tag 865. tag 197. der achte spetember 2022. heute morgen bin ich durch die Straßen unserer stadt gegangen, immer wieder entdecke ich häuser, die ich noch nie richtig betrachtet habe. ebenso geht es mir mit kiefern, ich meine jene, die nach süden aussehen und sich weit über zäune strecken. heute waren es nicht die kleinen siedlungshäuser aus den fünziger jahren, sondern die aus den siebziger jahren, die wie bollwerke auf den grundstücken liegen. dunkle mauern, verschattete fenster, holz. sie strömen die schweigsamkeit aus, die ich noch aus meiner kindheit kenne, wenn ich einmal in einem dieser häuser zu besuch war und mich die schwere der möbel, der hölzer ehrfürchtig gemacht hat. ich komme aus einer familie, die lange zeit, über generationen, keinen besitz hatte. immer wurde zur miete gewohnt und ich wuchs in einem neubaugebiet auf, in dem wir die einzigen nichtbesitzer waren. das mieten wurde in meiner familie stolz als trennlinie zur mentaltät gepflegter vorgärten, sinnsuchendendem bauens kultiviert. wir, so mein vater, würden stattdessen reisen. die herablassung meiner vorfahren ist mir fremd. die motive, sich einen raum des besitzes zu schaffen, kann ich nachempfinden, vermittelt es doch ein gefühl von sicherheit und beständigkeit.
doch ich glaube auch, dass es eine täuschung ist. und eine systemimmanente ungerechtigkeit, die nun, um nur im kosmos der landesgrenzen zu bleiben, in den jahrzehnten nach der wiedervereinigung, zeigt, dass vermögen immer ungleich verteilt ist.
zu beginn des krieges hatte ich reflexartige gedanken, dass unser haus abhanden kommen könnte und somit die sicherheit, der zufluchtsort für meine kinder. die erinnerungen. tatsächlich schäme ich mich für dieses denken. dieses haus ist ein symbol für die welt und ihre nuancen. für die teilhabe und dem nutzen an einem kapitalistischen system. für das „meins“. dem ich mich gedanklich zwar in den weg stelle und es trotzdem fühle. in dem ich nicht großzügig bin, obwohl ich es gerne wäre. die steine, die winkel, die durchsichtigkeit. nicht geerbt, er-arbeitet, rechtfertige ich mich vor mir selbst.
ein haus ist perspektivisch denken dürfen. es zeugt so sehr von wohlstand, dass die gegenwart mit ihren überlegenfragen zwischen vorräten im keller wohnt und nie ans licht gelangt.
eigentlich will ich schreiben. schreiben über die menschen, die aufgrund einer immanenten trans-feindlichkeit täglicher gewalt ausgesetzt sind, ebenso wie ihre familien und freund*innen. mir fehlen die worte. meine gedanken, mein mitgefühl ist bei ihnen.
day 851. day 183. last night i watched a show about peter wohlleben. he is a german forester and above all a conservationist who published a book a few years ago: the secret life of trees. it is about the anticipated abilities of trees, their communication, their memory, their social interaction. i own this book for many years. i gave it to my father, too, who was a great lover of the forest. yesterday evening, in front of the tv, that was a beautiful moment, the venerable trees, the memories of my father. it is clear that the forest is in a catastrophic situation, the causes lie in economic interests and the corresponding monoculture, which has been warned about for decades. but also in ignorance, to observe, to give time and space, to wait. to allow diversity, to understand ecological systems. the abilities of the trees touch me deeply.
I don't like going into the woods at the moment, actually for a long time. because they have become strangers to me and the smell of illness and doom lie beneath. thus metaphors overlap and merge into the diagrams that tell of heat, war and disease.
tag 851. tag 183. gestern abend habe ich eine sendung über peter wohlleben gesehen. er ist ein deutscher förster und vor allem naturschützer, der vor einigen jahren ein buch veröffentlicht hat: das geheime leben der bäume. darin geht es umgeahnte fähigkeiten von bäumen, ihre kommunikation, ihr gedächntis, ihr soziales miteinander. ich habe dieses buch seit vielen jahren im schrank stehen. meinem vater habe ich es geschenkt, der ein großer liebhaber des waldes war. gestern abend, vor dem fernseher, das war ein schöner augenblick, die ehrwürdigen bäume, die erinnerungen an meinen vater. es ist klar, dass der wald in einem katastrophalen zustand ist, die ursachen liegen in wirtschaftsinteressen und entsprechender monokultur, vor der seit jahrzehnten gewarnt wird. aber auch in de unkenntnis, zu beobachten, zeit und raum zu geben, zu warten. vielfalt zuzulassen, ökologische systeme zu verstehen. die fähigkeiten der bäume berühren mich zutiefst.
ich gehe nur ungern in die wälder zur zeit, eigentlich schon lange. denn sie sind mir fremd geworden und riechen nach krankeit und untergang. so legen sich die metaphern übereinander und verschmelzen zu den diagrammen, die von hitze, krieg und krankheit künden.
day 844. day 176. today is 08/18/2022. i haven't written for forty-one days. i was thinking for forty-one days and felt impulses to make voice notes so as not to lose my thoughts. have not preserved my thoughts because my thoughts are as fleeting as my dreams lately and just as incompletely deep. my silence was no vacation. my silence was covered by holiday light. of shade under trees, dry forest floor, morass-filled waters. my silence is an extension of my thinking, which has received many answers to very personal questions over the past few weeks. as i am, i either have to search for the words immediately to free myself or go into silence in the shade under the trees.
sometimes there are answers.
like on the black background of the writing. on my keyboard.
shadows, leaves, writing, keyboard are familiar to me. the world different. strange.
tag 844. tag 176. heute ist der 18.08.2022. ich habe einundvierzig tage nicht geschrieben. habe einundvierzig tage gedacht und impulse verspürt, sprachnotizen zu machen, um meine gedanken nicht zu verlieren. habe mein gedachtes nicht konserviert, weil meine gedanken so flüchtig sind wie meine träume in letzter zeit und ebenso unvollständig tief. mein schweigen war kein urlaub. mein schweigen wurde von urlaubslicht bedeckt. von schatten unter bäumen, trockenem waldboden, morastsatten wassern. mein schweigen ist eine ausdehnung meines denkens, das in den letzten wochen viele antworten auf ganz persönliche fragen erhalten hat. so wie ich bin, muss ich entweder sofort die wörter suchen, um mich zu lösen oder in das schweigen im schatten unter den bäumen gehen.
manchmal liegen dort antworten.
so wie auf dem schwarzen grund des schreibens. auf meiner tastatur.
schatten, laub, schreiben, tastatur sind mir vertraut. die welt fremd.
day 844. day 135. today is the eighth of july two thousand twenty two. boris johnson is history and, judging by rumours, has to be more than unworthy of being driven out of office. das according to the murmurs from ministerial circles, he was a megalomaniac personality, who was convinced that he was the only person suitable for this management position. lined up next to trump, who stretched his strings across the usa to get back on the throne. it was a smart move on his part to quickly appoint ultra-conservative judges to the supreme court for life. as it stands, the end of american democracy could now threaten. if i understood it correctly, if there are "justified" doubts about the correctness of electoral elections, they can now be recalled and replaced. johnson and trump. putin. lawrow. who is already adorning the sofas in bali with the turkish and chinese foreign ministers, even before the official preparations have begun. even the pope sits on a chair when he proclaims his classicist and derivist truths.
i trust in a woman annalena baerbock, our foreign minister, who announces with a clear voice and a clear edge that putin shouldn't be given a stage since he's in bali. she will succeed, i‘m sure.
while this woman is striving for peace, the german intellectual women's movement finally falls apart into official camps. the unspeakable things of the so-called feminists, who accept themselves as saviors of the good german family and incidentally of the poor, headscarf-wearing muslims (meaning ironically), see very clearly that the future of the world lies in a binary system. this, according to the argument, can be clearly proven in the plant kingdom. the best proof is the kiwi. this requires a pollinator plant to be fertilized. quod erat demonstrantum, we're back to the bees. this “discourse” is fired up by the lectures of a doctoral student from berlin, who seriously claims that only two sexes can be biologically and scientifically proven. i‘m lost for words. even more that now, in addition to the various social media symbols such as light blue heart for afd, black, white and red dot for reichsbürger, red x for schwurbler, the kiwi has now found its way in as a mark of identification for terfs, those trans-exclusive, radical feminists without an asterisk. so watch out when a kiwi smiles at you in profile. it is up to no good.
tag 844. tag 135. heute ist der achte juli zweitausendzweiundzwanzig. boris johnson ist geschichte und muss sich, gerüchten nach zu urteilen, mehr als unwürdig aus dem amt treiben lassen. er sei eine größenwahnsinnige persönlichkeit, hieß es in dem raunen aus ministerkreisen, die überzeugt sei, die einzig geeignete person für diese führungsposition zu sein. eingereiht neben trump, der seine fäden quer durch die usa gespannt hat, um wieder auf den thron zu steigen. es war ein kluger schachzug von ihm, noch schnell ultrakonservative richter*innen auf lebenszeit an den supremecourt zu berufen. so wie es aussieht, könnte nun das ende der amerikanischen demokratie drohen. wenn ich es richtig verstanden habe, dürfen nun - bei „berechtigten“ zweifeln an der richtigkeit von wahlmännerwahlen diese abberufen und ersetzt werden. johnson und trump. putin. lawrow. dieser ziert bereits die sofas auf bali mit dem türkischen und dem chinesischen außenminister, noch bevor die offiziellen vorbereitungen begonnen haben. auch der papst sitzt auf einem Stuhl, wenn er seine klassistischen und ableiistischen wahrheiten verkündet.
ich vertraue auf eine frau. annalena baerbock, unsere außenministerin, die mit klarer stimme und klarer kante verkündet, man dürfe putin keine bühne geben, da auf bali. es wird ihr gelingen, da bin ich sicher.
während diese frau sich um frieden bemüht, zerfällt die deutsche intellektuelle frauenbewegung endlich in offizielle lager. die unsäglichkeiten der sogenannten feministinnen, die sich als retterinnen der guten deutschen familie und nebenbei der armen, kopftuchtragenden muslima (ironisch gemeint) annehmen, sehen sehr klar, dass die zukunft der welt in einem binären system liegt. dies, so die argumentation, sei im pflanzenreich eindeutig zu belegen. als bester beweis gilt die kiwi. diese benötigt eine bestäuberpflanze, um befruchtet zu werden. quod erat demonstrantum, da sind wir doch wieder bei den bienchen. angefeuert wird dieser „diskurs“ durch die vorträge einer berliner doktorandin, die allen ernstes behauptet, lediglich zwei geschlechter seien biologisch und wissenschaftlich nachweisbar. mir fehlen die worte. noch mehr, dass nun neben den diversen socialmediasymbolen wie hellblaues herz für afd, schwarzer, weißer und roter punkt für reichsbürger, rotes x für schwurbler nun die kiwi einzug gefunden hat als erkennungszeichen für terfs, jene transexklusiven, radikalen feministinnen ohne sternchen. passt also auf, wenn euch eine kiwi im profil entgegenlacht. sie führt nichts gutes im schilde.
day 837. day 128. I just saw a post where today was announced as the day without women. i didn't understand it at first. there is so much misunderstanding in this little statement that i have to turn to the language again. without language, writing wouldn't be a country for me. but i also think that we are dealing with it too carelessly. that we do not learn, as a basic cultural technique, to recognize the meaning of language and to interpret it conscientiously. i recognize misunderstanding as a basic conflict in relationships. see the diverse sensibility of individual people and also the violence of language, the power. symbolically translated in the cast of laws that should regulate and regulate life in communities.
while in this country, after decades of fighting against a paragraph, it has finally succeeded in overturning the ban on advertising abortions and thus making room for factual information about possibilities. on the other side of the border those who are not even allowed to have an abortion are in despair. in the us, the supreme court overturned abortion rights a few days ago. that is power. this is patriarchy. because it denies a part of the population freedom. freedom over your own body. i know from my own experience that the decision for or against having a child is a difficult, emotionally and morally stressful situation, not an easy one. the decision involves a series of humiliating steps, of which the abortion is the smallest.
back to top. the sentence: today is the day without women, proclaims a binary system. it is reminiscent of ancient myths, in which the refusal of sex should bring those who waged war to their senses. i would like to think differently about this day. as a day with people with uterus (thanks to my daughter who taught me this formulation) and as a day for people with testicles and for those without. because the without in this sentence fits seamlessly into the systematics of a patriarchal society. refusing care work, sex and closeness is not acceptable. it only works with language, with discourse and above all with each other, beyond gender and gender identity, beyond the desire to have children and not the desire to have children. all of us, people with uterus or testicles, have to stand up to save the freedom of our siblings and children for the future. today is a day with people.
tag 837. tag 128. eben habe ich einen post gesehen, indem der heutige tag als der tag ohne frauen angekündigt wurde. erst habe ich es gar nicht verstanden. in diesem kleinen statement liegt so viel an missverstehen, dass ich mich wieder der sprache zuwenden muss. ich nutze sie so viel, das schreiben wäre ohne sprache kein land für mich. aber ich denke auch, dass wir zu unbedacht mit ihr umgehen. dass wir nicht lernen, als grundlegende kulturtechnik, die bedeutung von sprache zu erkennen und sie gewissenhaft zu deuten und anzuwenden. ich erkenne das missverstehen als grundkonflikt in beziehungen. sehe die diverse sensibilität einzelner menschen und auch die gewalt von sprache, die macht. symbolisch übersetzt im guss von gesetzen, die das leben in gemeinschaften regeln und reglementieren soll.
während es in diesem land nach jahrzehnten des kampfes gegen einen paragrafen endlich gelungen ist, das werbeverbot für abtreibungen zu kippen und somit raum für sachliche information über möglichkeiten zu geben, verzweifeln auf der anderen seite der grenze jene, die nicht einmal abtreiben dürfen. in den usa kippte das höchste gericht das recht auf abtreibung vor ein paar tagen. das ist macht. das ist patriarchat. denn es spricht einem teil der bevölkerung freiheit ab. freiheit über den eigenen köper. aus eigener erfahrung weiß ich, dass die entscheidung für oder gegen ein kind ein schwere, emotional und moralisch belastendende situation ist, keine leichtfertige. die entscheidung ist mit einer reihe demütigender schritte verbunden, von denen der eingriff der kleinste ist.
zurück zum anfang. der satz: heute ist der tag ohne frauen, proklamiert ein binäres system. er erinnert an antike mythen, in denen die verweigerung von sex jene zur vernunft bringen sollten, die krieg führten. ich würde diesen tag gerne anders denken. als tag mit menschen mit uterus (dank an meine tochter, die mir diese formulierung beigebracht hat) und als tag für menschen mit hoden und für menschen ohne das eine oder andere. denn das ohne in diesem satz fügt sich nahtlos in die systematik einer patriarchalen gesellschaft. es geht nicht mit verweigerung von carearbeit, sex und nähe. es geht nur mit sprache, mit diskurs und vor allem miteinander, jenseits von geschlecht und genderidentität, jenseits von kinderwunsch und keinem kinderwunsch. wir alle, menschen mit uterus oder hoden oder ohne müssen dafür eintreten, um die freiheit unserer geschwister und kinder für die zukunft zu retten. heute ist ein tag mit menschen.
day 833. day 124. despite the heaviness of the sun with its need to live in the shades, i am diving into summer, which breathes a clear, happy vibrancy into my mind, my body. i try to keep the world at bay. i look at the rose glow, at the green, in expectation of raspberries, lie in the dry grass when evening comes, next to me a warm dog that has calmly poured itself down. like every year i wish to save all this in my cells for the darkness. like every day, i wish that this feeling stays stronger than anything that awaits me in the house, as i turn to the world and the contempt shown to it springs to mind from everything that can be formulated with language.
there is no language out there, there are no words for phenomena and events. they are easy. we carry out the sentences before we start taking. the noise of the machines is stored in the furrows of the fields, the leaves. underneath it all is pain. how many soils have buried, drawn into words of violence and sounds of fear. above them those ancient creatures, the silent witnesses of our wars.
tag 833. tag 124. während ich in den sommer eintauche, der mir trotz der schwere von sonne und dem leben im schatten eine klare, fröhliche lebendigkeit einhaucht, versuche ich die welt fernzuhalten. ich sehe ins rosenleuchten, ins grün, in himbeererwartung, liege im trockenen gras, wenn der abend kommt, neben mir ein warmer hund, der sich gelassen hingegossen hat. wie jedes jahr wünsche ich mir, all das in meinen zellen zu speichern für die dunkelheit. wie jeden tag wünsche ich mir, dass dieses gefühl stärker bleibt als alles, was mich im haus erwartet, wenn ich mich der welt zuwende und die ihr entgegengebrachte verächtlichkeit mir aus allem, was mit sprache formuliert werden kann, in die sinne springt.
da draußen ist keine sprache, da ist kein wort für erscheinungen und ereignisse. sie sind einfach. wir tragen die sätze hinaus, bevor wir beginnen mit dem nehmen. der maschinenlärm lagert sich in den furchen der äcker, dem laub. unter all dem liegt schmerz. wie viele böden haben begraben, worte der gewalt und laute der angst in sich gezogen. über ihnen jene uralten lebewesen, die schweigsamen zeugen unserer kriege.
day 815. day 106. it is frightening how casually the news reports are now being presented. it's about grain, mined ports, words like advance, constant shelling, arms deliveries, escape corridors, generals sink to the floors of our living rooms in a whiff of carbon dioxide. we own those rooms. we open the windows and breathe, let this molecules‘ invisible emptiness flee into the green. every spoken word in our breath. we become blunt. how dare we.
tag 815. tag 106. es ist erschreckend, mit welcher beiläufigkeit inzwischen die meldungen in den nachrichten vorgetragen werden. es geht um getreide, verminte häfen, wörter wie vormarsch, dauerbeschuss, waffenlieferungen, fluchtkorridore, generäle sinken in einem hauch von kohlendioxid auf die böden unserer wohnzimmer. wir haben welche. öffnen die fenster und holen luft, lassen die unsichtbare leere jener moleküle flüchten in das grün. jedes gesprochene wort in unserem atem. wir werden stumpf. das darf nicht sein.
day 805. day 96. life is slowly coming back. the corona numbers have decreased and we meet outside. on the weekend it got cold, it felt like autumn with rain showers. but here, where we live, putting on a thick sweater is no obstacle. when i leave the house i have my sun hat and scarf with me, sometimes an extra jacket. it's cool here in the evenings, no comparison to the warm nights i grew up on. there is never an umbrella in my pocket. i have a good reason, the dog is afraid of it. but that's not it. i don't use umbrellas. all arguments, they practically are, roll off me. it is actually a beautiful invention and a magical ritual to take the umbrella out of its cover and open its silky fabric. as a child i had a transparent one with a red knob and cherries between me and the sky. the space under the roof is a protection from the world, it shows my limits. walking with an umbrella requires closeness, which sometimes becomes a challenge due to differences in size. i might have to break my tact. umbrella islands. collection of protective hoods that block my view and embody an egomaniacal attitude. so the generously shared space under the umbrella becomes complicity, us against them out there. an umbrella is one thing i have to watch out for. it eludes my thoughts once i turn it off. is no longer there when it is in a corner, in an umbrella stand or in a shower, an unworthy place. the fact that this thing eludes my attention or i elude it means that i lose it. or forget where it is. so we have in this house - everyone else is more pragmatic than me in this regard - umbrellas. but i don't know the hiding place anymore. like umbrellas, i don't wear watches. no earrings, no small handbags. my relationship to it is as ambivalent as to shielding. maybe i'm just protecting myself from the predetermination of loss.
tag 805. tag 96. so langsam kehrt lebendigkeit ins leben zurück. die coronazahlen sind zurückgegangen und wir können draußen sein. am wochenende wurde es kalt, gefühlter herbst mit regenschauern. doch hier, wo wir leben, ist das kein hindernis, sich einen dicken pulli anzuziehen. wenn ich das haus verlasse, habe ich meinen sonnenhut und einen schal dabei, manchmal eine weitere jacke. hier ist es abends kühl, kein vergleich mit den lauen nächten, in denen ich aufgewachsen bin. niemals findet sich in meiner tasche ein regenschirm. ich habe einen guten grund, der hund hat angst davor. aber das ist es nicht. ich nutze keine regenschirme. alle argumente, sie praktisch sie sind, perlen an mir ab. eigentlich ist es eine schöne erfindung und ein magisches ritual, den schirm aus der hülle zu holen und seinen seidigen stoff aufzuspannen. als kind hatte ich einen durchsichtigen, mit rotem knauf und kirschen zwischen mir und himmel. der raum unter dem dach ist ein schutz vor der welt, er zeigt meine grenze auf. mit regenschirm laufen erfordert nähe, die manchmal durch größenunterschiede zur herausforderung wird. ich müsste vielleicht meinen takt verlassen. regenschirminseln. ansammlung von schützenden hauben, die mir die sicht versperren und eine egomanische haltung verkörpern. so wird der freigiebig geteilte raum unter dem schirm zur mittäterschaft, wir gegen die da draußen. ein regenschirm ist ein ding, auf das ich aufpassen muss. es entzieht sich meinen gedanken, sobald ich es abgestellt habe. ist nicht mehr da, wenn es in der ecke steht, im schirmständer oder einer dusche, einem unwürdigen ort. dass sich dieses ding meiner aufmerksamkeit entzieht bzw. ich ihm, hat zur folge, dass ich es verliere. oder vergesse, wo es ist. so haben wir in diesem haus - alle anderen sind diesbezüglich pragmatischer als ich - schirme. aber ich kenne ihr versteck nicht mehr. so wie regenschirme trage ich keine uhren. keine ohrringe, keine kleinen handtaschen. mein verhältnis dazu ist ambivalent wie zu schirmen. vielleicht schütze ich mich einfach vor der vorbestimmung des verlustes.
day 788. day 79. we stay out of that, it's none of our business. we grew up with this sentence. there are many reasons to think about it today. because we post-war children and -grandchildren breathed this phrase in the villages of our childhood, behind the doors of the well-kept front gardens. how could we have allowed this model democracy to emerge if it weren’t for the silence and, above all, for looking away at the dubious or clear past of our neighbors, at those who were raised to civil servant status, went to the federal armed forces and conducted business, able to spread their basic convitons. passing on the black pedagogy inherent in the minds of young parents. i`m approaching the cause of my thought game. when i met an acquaintance, he told me about his son, who had attended a private christian elementary school here in town for a short time. there is a teacher there who teaches using the same black methods. the acquaintance‘s son kept was talking about the teacher’s appearance at home and one day got into trouble at school when he made fun of the sight. well, i thought, you don't do that either, respect for everyone. but, as my acquaintance went on narrating, it was true that the teacher was unkempt and what his son had made fun of was his half-bare buttocks, while benting down his trousers slipped. respect, i thought by myself, not at all. a clear case of abuse for me, for all children, i commented. the acquaintance said he was relieved that his son is now happy at another school and he doesn't want to think about it anymore. i can understand well. what happens to the children in a system that tolerates such behavior? having to see things you don't want to see. their no, whether loud or quiet, is not heard. the disregard of their needs creates shame and guilt, now in the xth generation. a small example that can be enlarged in all directions. lets us pass by those places in silence hoping that maybe another person is more angry, can be louder than me.
today, secret chats of the afd faction in the federal parliament have become public, defamatory in a way that gets to the heart of the spirit that prevails among people in this party. and i am happy and thankful for journalism that is loud, courageous, strong. it's easy for me to scratch off that party's stickers on lampposts, but i won't stand in front of their front door and leave a graffiti.
corona is not silent, it is there and has moved into the distance. in ukraine people fight and die day and night. no words, for no war in the world.
now we also have a new virus, monkeypox. unbelievable, the insensitive reporting reminds me of the time of aids. it seems to me that we just don't learn to communicate respectfully with each other. as well as, as long as we all have memories of educators who crossed borders, of neighbors who bluntly threw nazi ideas over the grill. ´one can probably say that.` this is another typical german phrase.
tag 788. tag 79. da halten wir uns raus, das geht uns nichts an. ein satz, mit dem hier viele aufgewachsen sind. anlässe, darüber nachzudenken, gibt es heute viele. denn wir nachkriegskinder und -enkel haben den satz eingeatmet in den dörfern unserer kindheit, hinter den türen der gepflegten vorgärten. wie hätten wir auch diese vorzeigedemokratie entstehen lassen können, wenn nicht das schweigen und vor allem das wegsehen auf die zweifelhafte oder eindeutige vergangenheit unserer nachbar*innen, auf jene, die in den beamtenstatus erhoben wurden, zur bundeswehr gingen, geschäfte führten und ihre gesinnung verbreiteten. die schwarze pädagogik weitergaben, innewohnend in den köpfen junger eltern. da komme ich zum einen anlass meines gedankenspiels. als ich einen bekannten traf, erzählte er mir von seinem sohn, der hier im ort kurze zeit eine private christliche grundschule besucht hatte. dort gebe es eine lehrkraft, die nach ebensolchen methoden unterrichte. sein sohn sei zuhause immer wieder auf die erscheinung des mannes gekommen und habe eines tages großen ärger in der schule bekommen, als er sich über den anblick lustig gemacht habe. nun, dachte ich, macht man ja auch nicht, respekt vor allen menschen. aber, so erzählte mein bekannter weiter, es stimme, der lehrer sei ungepflegt und das, worüber sich sein sohn lustig gemacht hätte, sei der halb entblöße hintern gewesen, denn wenn der lehrer sich bückte, rutsche seine hose. respekt, dachte ich, von wegen. für mich ein eindeutiger fall von übergriff, für alle kinder, kommentierte ich. der bekannte sagte, er sei froh, dass sein sohn nun auf einer anderen schule glücklich ist, und er will daran nicht mehr denken. kann ich gut verstehen. doch was geschieht mit den kindern in einem system, das solche verhaltensweisen toleriert? dinge sehen zu müssen, die sie nicht sehen wollen. ihr nein, ob laut oder leise, wird nicht gehört. die missachtung ihrer bedürfnisse erzeugt scham und schuld, nun in xter generation. ein kleines beispiel, das sich in alle richtungen vergrößern lässt, das uns schweigend an den orten vorbeilaufen lässt in der hoffnung, das vielleicht ein anderer mensch mehr wut hat, lauter sein kann als ich.
heute sind geheime chats der afd-fraktion im bundestag öffentlich geworden, auf eine weise diffamierende, die den geist, der unter menschen dieser partei herrscht, auf den punkt bringt. und ich bin froh und dankbar über journalismus, der laut ist, mutig, stark. so ist es leicht für mich, die sticker jener partei an laternenpfählen abzukratzen, doch ich werde nicht vor der haustür stehen und ein graffiti hinterlassen.
corona schweigt nicht, ist da und in ferne gerückt. in der ukraine wird tag und nacht gekämpft und gestorben. keine worte, für keinen krieg der welt.
nun haben wir auch noch einen neuen virus, affenpocken. unfassbar, die unsensible berichterstattung, erinnert mich an die zeit von aids. es scheint mir, als würden wir einfach nicht lernen, respektvoll miteinander zu kommunizieren. wie auch, solange wir alle erinnerungen haben an pädagog*innen, die grenzen überschritten haben, an nachbar*innen, die unverblümt völkisches gedankengut über den grill geworfen haben. das wird man ja wohl mal sagen dürfen.
day 778. day 69. the irrepressible desire to write doesn't get any smaller. it just hides, as does the need to paint. the two sit in my body and submit to the greatness of thinking, which is so loud that nothing else can be heard. this morning, like every morning, i was woken up by the birds, which remember the sunlight in the gray of the day and flutter towards it. the second time i woke up because the sound of an airplane, a “düsenflieger”, as we called it as children, penetrated my dreams. i don't know if I dreamed it or if it was real. war. i often think „war“ to myself in the morning when i wake up and emerge from the foggy shadows of my dreams. i can not help it. this war is one of many that keeps the world unbalanced and i have written enough about it. i can't help it, can't escape my thoughts. so i'm looking for knowledge and a strategy that will allow me to shift my fear. everyday. act. live. breathe.
i will not write about the pseudo-intellectuals who wrote a fire letter stating that only light arms and diplomacy would help. surrender. not about how this letter is now being discussed from all sides. we grew up in the cold war, grown up in freedom and prosperity, are torn. pacifists and advocates of communication and diplomacy - watch what is happening and cannot believe that millions and millions of rounds of ammunition are being delivered. i hardly know anyone who does not experience this dichotomy. but the call to surrender and to label this as a worthy act in the sense of humanity is, in my opinion, absolutely colonialist. now i am writing about those people because this letter awakens something in me that expresses the inner conflict and helplessness. what do these signatories think, that they are able to determine the actions of ukraine, a free country. that their intellectualism represents elite? we can't stay out of it. we played along for far too long and closed our eyes to brutal politics. we've been at it for a long time, in this war, and it probably doesn't matter what is delivered, because the continuation and expansion of the war does not depend on logical conclusions, but on arbitrariness. that's what we have to deal with. arbitrariness.
another little update on corona. the numbers are falling, of course also because fewer tests are being carried out. increasingly less masks in supermarkets. my daughter and her partner are infected but they are fine. my concern for her relates less to her physical health than to her mental health. both have now been isolated for weeks. they are strong and courageous and i am proud of how they overcome everything. corona is a nightmare. it expresses people's different strategies and creates conflicts and inner turmoil. corona is arbitrary.
tag 778. tag 69. die unbändige lust zu schreiben wird nicht kleiner. sie versteckt sich nur, ebenso wie die notwendigkeit, zu malen. die beiden sitzen in meinem körper und fügen sich der größe des denkens, das so laut ist, dass nichts anderes zu hören ist. heute morgen bin ich wie jeden morgen von den vögeln geweckt worden, die sich im grauen des tages an das sonnenlicht erinnern und ihm entgegenflattern. das zweite mal bin ich aufgewacht, weil in meine träume das geräusch eines flugzeugs, eines „düsenfliegers“, wie wir es als kinder nannten, drang. ich weiß nicht, ob ich es geträumt habe oder ob es wirklich war. krieg. denke ich oft morgens, wenn ich aufwache und aus den nebligen schatten meiner träume auftauche. ich kann nichts dagegen tun. dieser krieg ist einer von vielen, der die welt im ungleichgewicht hält und ich habe genug darüber geschrieben. ich kann nichts dagegen tun, kann meinen gedanken nicht entfliehen. so suche ich wissen und eine strategie, die mir erlaubt, meine angst zu verschieben. alltag. handeln. leben. atmen.
ich werde nicht über die pseudintellektuellen schreiben, die einen brandbrief verfasst haben, in dem sie feststellten, dass nur leichte waffen und diplomatie helfen würden. kaptitulation. nicht darüber, wie dieser brief nun von allen seiten diskutiert wird. wir, aufgewachsen im kalten krieg, erwachsen in freiheit und wohlstand, sind zerrissen. pazifist*innen und befürworter*innen der kommunikation und diplomatie - sehen zu, was passiert und können nicht glauben, dass abermillionen schuss munition geliefert werden. ich kenne kaum jemanden, der diesen zwiespalt nicht erlebt. doch die aufforderung, sich zu ergeben und dies als würdigen akt im sinne der menschlichkeit zu etikettieren, handelt in meinen augen absolut kolonialistisch. nun schreibe ich doch über sie, weil dieser brief in mir etwas weckt, was diesen konflikt und die ratlosigkeit zum ausdruck bringt. was glauben diese unterzeichner*innen, dass es ihnen zustände, über das handeln der ukraine, einem freien land, bestimmen zu können. dass ihr intellektualismus elite darstellt? wir können uns nicht raushalten. viel zu lange haben wir mitgespielt und unsere augen verschlossen vor einer brutalen politik. wir sind längst dabei, in diesem krieg und vermutlich spielt es keine rolle, was geliefert wird, denn die fortführung und ausweitung des krieges ist nicht von logischen schlüssen, sondern von willkür abhängig. das ist es, womit wir uns beschäftigen müssen. willkür.
noch ein kleines update zu corona. die zahlen sinken, natürlich auch, weil weniger getestet wird. zunehmend weniger masken in supermärkten. meine tochter und ihr partner sind infiziert, aber es geht ihnen gut. meine sorge um sie bezieht sich weniger auf ihre körperliche, als auf ihre seelische gesundheit. die beiden sind nun wochenlang isoliert gewesen. sie sind stark und mutig und ich bin stolz, wie sie alles meistern. corona ist ein albtraum. es bringt die unterschiedlichen strategien von menschen zum ausdruck und sorgt für konflikte und zerissenheit. corona ist willkürlich.
day 766. optimism bias.
that's what they call what i've been describing for many entries with incomprehension.
there are days when i sit here in the peaceful shade, hours when i walk along forest paths with the dog. there too, in kyiv, in kabul, on lesbos, there will be days and hours when they can forget, sing a song, smile.
on other days i do a lap with buttons in my ears and feel shame between grass and asphalt, between sky and engine noise. there is such an unbureaucratic recognition of qualifications, which makes it easier to get permission to work, i think it‘ great. but: why not two thousand fifteen.
there are too many strands of thought in my head to paint. i'm waiting for the moment.
tag 766. optimismusverzerrung.
so nennt man das, was ich seit vielen einträgen mit unverständnis beschreibe.
es gibt tage, an denen ich hier im friedlichen schatten sitze, stunden, die ich mit dem hund über waldwege laufe. auch dort, in kiew, in kabul, auf lesbos wird es tage und stunden geben, die ein vergessen in die hände legen, ein lied singen, ein lachen sehen lassen.
an anderen tagen drehe ich eine runde mit knöpfen im ohr und fühle zwischen gras und asphalt, zwischen himmel und motorengeräuschen scham. gut, dass es so unbürokratische anerkennung von abschlüssen gibt, die erlaubnis zu arbeiten erleichtert wird. wieso nicht zweitausendfünfzehn.
es sind zu viele stränge in meinem kopf, um zu malen. ich warte auf den moment.
day 754. april ninth. my warning app is green again. i visited an exhibition and attended an appointment in a physiotherapy practice, like every week. the lymph drainage there is my weekly luxury, actually everything i can do to get my system flowing. the other is rest and avoiding stress. for two years i have been reporting about corona and what it - like other events - is doing to my life. i don't think it‘s difficult to withdraw from social obligations, but i'm starting to feel tired. every time i have entered a museum, twice in these two years, i have had an encounter with increased risk. since i always wear a mask i wasn't really worried, but somehow it seems that what used to be an integral part of my life, the art of enjoying it lightheartedly, is not. corona is still there and will stay. the next wave will come in autumn and we will return to the measures that many people see as a restriction of their freedom. well, the mask requirement has fallen in many places, as has the control. no compulsory vaccination. it feels like two years ago when we didn't know what was coming. all the shadow families that have been absent from the outside world for so long have hard times ahead of them.
i'm writing about corona, although i'm actually much more concerned with what's going on in ukraine. i have no words for the pictures and actions, it's a big silence. i almost accidentally saw the pictures from bucha and took them with me into my dreams. while i'm sitting here in the warmth, people there fear for their lives and that of their loved ones under fire. i wake up at night and think about it. i'm also afraid that the loss of humanity in the world will increase fears for the future, so that i'll think of escape routes for my children. maybe thinking about the future is a diversionary maneuver away from the present, which is just unbearable. but it is there and it is real and my thinking is my own inner escape to a place that i don't know yet. which seems safer and worth living in to me. where to be. how to be.
i have heard that in cogition psychology there is a theory that eighty percent of people in critical situations continue to live exactly as before, shaping their everyday life, working, eating, loving. they can repress successfully that they could be in danger. these people are convinced that a war or an illness will not happen to them. well, i guess I'm one of the other twenty.
tag 754. neunter april. meine warnapp ist wieder grün. ich habe eine ausstellung besucht und einen termin in einer praxis für krankengymnastik besucht, wie jede woche. die lymphdrainage dort ist mein wöchentlicher luxus, eigentlich alles, was ich tun kann, um mein system in einen fluss zu bringen. das andere ist ruhe und die vermeidung von stress. seit zwei jahren berichte ich über corona und das, was es - so wie andere ereignisse - mit meinem leben macht. der rückzug aus gesellschaftlichen verpflichtungen fällt mir nicht schwer, doch ich spüre langsam ermüdung. jedes mal, wenn ich ein museum betreten habe, zwei mal in diesen zwei jahren, hatte ich eine begegnung mit erhöhtem risiko. da ich immer maske trage, habe ich mir nicht wirklich sorgen gemacht, aber irgendwie scheint es so, dass das, was früher ein wesentlicher bestandteil meines lebens war, die kunst, nicht unbeschwert zu genießen ist. corona ist noch da und wird bleiben. im herbst wird die nächste welle kommen und wir werden wieder zurückkehren zu den maßnahmen, die viele menschen als einschränkung ihrer freiheit sehen. nun, die maskenpflicht ist an vielen orten gefallen, ebenso die kontrolle. keine impfpflicht. es fühlt sich an wie vor zwei jahren, als wir nicht wussten, was kommt. all die schattenfamilien, die so lange aus dem leben draußen verschwunden sind, haben schwere zeiten vor sich.
da schreibe ich über corona, obwohl mich eigentlich viel mehr bewegt, was in der ukraine los ist. ich habe keine worte für die bilder und taten, es ist ein großes schweigen. fast aus versehen habe ich die bilder aus bucha gesehen und sie mit in meine träume genommen. während ich hier im warmen sitze, bangen dort menschen unter beschuss um ihr leben und das ihrer lieben. nachts wache ich auf und denke darüber nach. ich fürchte mich auch, die menschlichkeitsverluste auf der welt lassen zukunftsängste aufsteigen, sodass ich fluchtrouten für meine kinder denke. vielleicht ist das denken in die zukunft ein ablenkungsmanöver von der gegenwart, die gerade nicht zu ertragen ist. aber sie ist da und sie ist wirklich und mein denken meine eigene, innere flucht an einen ort, den ich noch nicht kenne. der mir sicherer und lebenswert erscheint. wo sein. wie sein.
ich habe gehört, dass in der kogitionspsychologie eine theorie vertreten wird, nach der achtzig prozent der menschen in kritischen situationen genau so weiterleben wie zuvor, ihren alltag gestalten, arbeiten, essen, lieben. sie können so erfolgreich verdrängen, dass sie in gefahr sind. diese menschen sind davon überzeugt, dass ihnen ein krieg, eine krankheit nicht wiederfahren wird. nun, da gehöre ich wohl zu den zwanzig anderen.
day 746. today is the first of april. i remember that i was talking about this tradition last year. well, there's nothing new about it.
a winter has returned. there is snow on the lemon-yellow daffodils and the bright pink of the ornamental cherries.
it feels as if the language is falling apart and reduced to the essential. no blossoms in it, no embellishment, only rudiments of the attempt to fix everything that gets lost between brain and heart.
i don't feel like chronicling. and i have to, so i don't forget who i was today and where the world showed its edges.
devastation, violence, fear, lies, diplomacy. protection seekers of different classes.
lifting of most rules, the obligation to wear a mask falls in large parts of life. on public transport and in hospitals and care facilities. not in the bundestag. so much has been said about it that i can only remain silent. “freedom” before solidarity.
tag 746. heute ist der erste april. ich kann mich erinnern, dass ich im letzten jahr von diesem brauch erzählt habe. nun, es gibt nichts neues dazu.
ein winter ist zurückgekehrt. auf den zitronengelben narzissen und dem hellen rosa der zierkirschen liegt schnee.
es fühlt sich an, als würde die sprache zerfallen und sich auf wesentliches reduzieren. keine blüten darin, keine beschönigung, nur rudimente des versuchs, all das, was sich zwischen hirn und herz verliert, zu fixieren.
mir ist nicht nach chronik. und ich muss doch reden, damit ich nicht vergesse, wer ich heute war und wo die welt ihre ränder zeigt.
verwüstung, gewalt, angst, lügen, diplomatie. schutzsuchende verschiedener klassen.
aufhebung der meisten regeln, die maskenpflicht fällt in weiten teilen des lebens. im öffentlichen verkehr und in krankenhäusern und pflegeeinrichtungen. nicht im bundestag. es ist so viel dazu gesagt worden, dass ich nur schweigen kann. „freiheit“ vor solidarität.
day 738. a lot of things don't fit together, right now. the coolness of the air and the warmth of the sun. the green, the glow, the birds at dawn and the premonition of bombs, the gray tones of destruction. we sit in between longing for words and feelings to understand. but it doesn't work.
the horribleness with which all pacifist efforts are now being done away with cannot be described. we deliver weapons, leave people alone. we observe. that's the worst. this morning i dicovered a diary entry in which i noted the following:
woke up. oversleep. long drive to work. the horse market is full of demonstrators. war has broken out. passed out. sadness. fear. perversion: after the successful battle of the americans, stocks rise and oil prices fall. pictures: 1000 airstrikes with over 50000 tons of ammunition.
I wrote that on january 17, 1991. the day before the second gulf war had started. days before, i wrote down my fears about it, felt panic.
we tend to select when faced with crises in order to reduce our stress and maintain workability.
but i have to say that my attention to the current crises is changing. i don't watch the news anymore, i take the political magazines. no talk shows. no interviews. everywhere people have something to judge, that bothers me the most. all the terrible implicit personality theories that help us in everyday life, but which we have to be wary of because they are not neutral. first rule for pedagogy. my first rule.
and while all that is happening is happening, the impacts here are getting closer. close friends, family. all sick. corona. today more than three hundred thousand infections have been reported. spring is shining out there and everything i was worried about, that we were fighting for during the pandemic period, seems to be dissolving and making room for a senseless spread, for loss and disease and fatalism.
tag 738. vieles passt nicht zusammen, gerade. die kühle der luft und die wärme der sonne. das grün, das leuchten, die vögel im morgengrauen und die ahnung von bomben, die grautöne von zerstörung. wir sitzen im dazwischen und suchen worte und gefühle, um zu verstehen. doch es geht nicht.
die grauenhaftigkeit, mit der nun allen pazifistischen bestrebungen der garaus gemacht wird, ist nicht zu beschreiben. wir liefern waffen, lassen menschen allein. wir sehen zu. das ist das schlimmste. ich habe zufällig eine tagebuchaufzeichnung gefunden, in denen ich folgendes notiert habe:
aufgewacht. verschlafen. lange fahrt zur arbeit. der pferdemarkt ist voller demonstranten. krieg ist ausgebrochen. ohnmacht. traurigkeit. angst. perversion: nach der erfolgreichen schlacht der amerikaner steigen aktien und sinken ölpreise. bilder: 1000 luftangriffe mit über 50000 tonnen munition.
das habe ich am 17. januar 1991 geschrieben. am tag zu vor hatte der zweite golfkrieg begonnen. schon tage zuvor habe ich befürchtungen dazu notiert, mir mit meiner freundin eine nacht um die ohren geschlagen. panik gefühlt.
wir haben die neigung, bei gleichzeitigen krisen zu selektieren, um unseren stress zu mindern und die verarbeitbarkeit zu erhalten.
aber ich muss sagen, meine aufmerksamkeit bezüglich der derzeitigen krisen wechselt. ich sehe keine nachrichten mehr, ich nehme die politmagazine. keine talkshows. keine interviews. überall haben menschen etwas zu urteilen, das stört mich am meisten. all die furchtbaren impliziten persönlichkeitstheorien, die uns zwar im alltag helfen, vor denen wir aber auf der hut sein müssen, weil sie eben nicht neutral sind. erste regel für die pädagogik. meine erste regel.
und während all das passiert, was passiert, rücken die einschläge hier näher. enge freund*innen, familie. alle krank. heute wurden mehr als dreihunderttausend infektionen gemeldet. da draußen leuchtet der frühling und all das, wovor ich sorge hatte, um das wir gekämpft haben während der pandemiezeit, scheint sich aufzulösen und platz zu machen für eine sinnlose verbreitung, für verlust und krankheit und fatalismus.
2022-03-16 - two years / sechzehnter märz 2022 - zwei jahre
part I /
two years ago today i started these notes. back then it was the first day of lockdown and no one could have imagined what that would mean for all of us. given the world events i've written about here over and over again, the virus takes on a bit of a different meaning, although it hasn't lost any of its awfulness. this crisis with all its side effects is embedded in a war, in another. in natural disasters and personal losses. the world seems a lost place to me at the moment. i myself survived the last two years physically unscathed. i have grown and become smaller with my fears and worries. experience good days and bad days. at the moment the memories of the cold war, its music, nuclear weapons and stored powdered milk are returning. we all have demons within us, those experiences that are reflected and nurtured in the events in this world, in the neighborhood, and thus reveal their truthfulness to us. there are days when it's not enough to put my life in perspective and convince myself how good i'm doing. days when i don't know how to spread hope and optimism. i'm glad my kids are grown and i don't have to search for smaller words to explain the terrible. days when it scares me because i see them in danger. days when a look, a ray of sunshine, a conversation with my loved ones fills my heart. i'm sad. joyful. grateful that they and me live for so long in peace and freedom, a life full of words and images, sounds and tastes, a life full of beauty.
teil I /
heute vor zwei jahren habe ich mit diesen aufzeichnungen begonnen. damals war der erste tag des lockdown und kein mensch konnte sich vorstellen, was das für uns alle bedeuten würde. angesichts der ereignisse in der welt, über die ich hier immer wieder geschrieben habe, rückt das virus ein bisschen in eine andere bedeutung, obwohl es nichts an furchtbarkeit verloren hat. diese krise mit all ihren nebenfolgen wird in einen krieg eingebettet, in einen weiteren. in naturkatastrophen und persönliche verluste. die welt scheint mir zur zeit ein verlorener ort. ich selbst habe die letzten beiden jahre körperlich unversehrt überstanden. ich bin an meinen ängsten und sorgen gewachsen und kleiner geworden. erlebe gute tage und schlechte tage. zur zeit kehren die erinnerungen an den kalten krieg, seine musik, an atomwaffen und eingelagertes milchpulver zurück. wir alle haben dämonen in uns, jene erlebnisse, die sich in den ereignissen auf dieser welt, in der nachbarschaft, spiegeln und nähren und uns so ihre wahrhaftigkeit preisgeben. es gibt tage, an denen es nicht genügt, mein leben in relation zu setzen und mich davon zu überzeugen, wie gut es mir geht. tage, an denen ich nicht weiß, wie ich hoffnung und optimismus verbreiten kann. ich bin froh, dass meine kinder erwachsen sind und ich nicht nach kleineren worten suchen muss, um das furchtbare zu erklären. tage, an denen es mir angst macht, weil ich sie in gefahr sehe. tage, an denen ein blick, ein sonnenstrahl, eine unterhaltung mit meinen lieben mein herz erfüllt. ich bin traurig. froh. dankbar, dass sie und ich so lange in frieden und freiheit leben, ein leben voller wörter und bilder, tönen und geschmack, ein leben voller schönheit.
part II /
i live in a country full of prosperity, extensive freedom, a country with social welfare, with health insurance, with lavishly stocked food shelves. a country where owning a car has been a symbol of status and freedom for generations. the rims are still scrubbed here on saturday and i hardly know anyone whose car isn't neat and clean. we love our cars more than good cheese. here in the countryside, in many places there is nothing left other than owning a car, so as not to sit for hours on different trains. i belong to these people too. i simply wouldn't have gotten to my job without a car. now we not only have a pandemic, but also another war, this time on our doorstep. another scene where people fight, kill, die, get raped. this war, unlike the wars far away, has immediate repercussions on our world. grain and oil can no longer be delivered and it is to be feared that this will dramatically increase the already great hunger if there is no more bread. the prices of petrol and diesel have also risen. this also leads to problems, not everyone can afford to fill up the tank. now, however, another aspect has emerged beyond the very practical effects. our freedom is in danger: that of our well-kept car, the symbol of our prosperity. i can imagine that this was the reason why tens of thousands of drivers circled around hamburg for hours at the weekend in protest, in the so-called car parade. i read a calculation of how many liters of petrol should have been used and immediately forgot it. it was a lot. it would be a protest to drive more slowly, to set up car-free days, to ride a bike yourself. protest would be to expand public transport and, above all, to make it affordable.
i think the germans somehow have a problem with the concept of freedom. compulsory vaccination is not a solidarity act, but an appropriating act in their eyes. wearing a mask is an expression of captivity. now, at the weekend, restrictions, such as wearing masks, will be lifted in many places. obligation to vaccinate will not come. we have an incidence of fifteen hundred and it's going up. every day two hundred people die from or with corona. more than 120,000 have died here in germany since march 16, two years ago. vaccination patents are not released, the consequences of corona are far from foreseeable. physically, mentally, psychologically. the fear burns in, the loss of normality, as well as the fear of war and its devastating consequences. the world is different.
teil II /
ich lebe in einem land voller wohlstand, weitgehender freiheit, einem land mit sozialer fürsorge, mit krankenversicherung, mit üppig gefüllten lebensmittelregalen. einem land, in dem sich der besitz eines autos seit generationen als status- und freiheitssymbol manifestiert hat. hier werden am samstag noch immer die felgen geschrubbt und ich kenne kaum jemanden, dessen auto nicht ordentlich und sauber ist. wir lieben unsere autos, mehr als guten käse. hier auf dem land bleibt an vielen orten nichts anderes als der besitz eines wagens, um nicht stundenlang in verschiedenen zügen zu sitzen. zu diesen menschen gehöre ich auch. ich wäre schlicht nicht an meinen arbeitsplatz gekommen ohne auto. nun haben wir nicht nur eine pandemie, sondern auch auch einen weiteren krieg, diesmal vor unserer haustür. ein weiterer schauplatz, an dem menschen kämpfen, töten, sterben, vergewaltigt werden. dieser krieg hat anders als die kriege in der ferne unmittelbare auswirkungen auf unsere welt. getreide und öl können nicht mehr geliefert werden und es ist zu befürchten, dass dies den ohnehin großen hunger dramatisch steigern wird, wenn es kein brot mehr gibt. auch sind die preise von benzin und diesel gestiegen. auch hier führt das zu problemen, eine tankfüllung können sich nicht alle leisten. nun ist aber auch über die die ganz praktischen auswirkungen ein weiterer aspekt aufgetaucht. unsere freiheit ist in gefahr: die unseres wohlbehüteten autos, dem symbol unseres wohlstandes. ich kann mir vorstellen, dass dies der grund war, warum am wochenende zigtausend fahrer*innen aus protest um hamburg kreisten, stundenlang, im sogenannten autokorso. ich habe eine berechnung gelesen, wie viel liter benzin dabei verbraucht worden sein sollen und sie gleich wieder vergessen. es war viel. protest wäre es doch, langsamer zu fahren, autofreie tage einzurichten, selbst mit dem fahrrad zu fahren. protest wäre, den öffentlichen verkehr auszubauen und vor allem bezahlbar zu machen.
ich finde, die deutschen haben irgendwie ein problem mit dem begriff der freiheit. impfpflicht ist kein solidarischer, sondern ein aneignender akt in ihren augen. maskentragen ein ausdruck von gefangenschaft. jetzt, am wochenende, fallen beschränkungen, wie das masketragen an vielen orten. die impfpflicht wird nicht kommen. wir haben eine inzidenz von eintausendfünfhundert, es geht weiter nach oben. jeden tag sterben zweihundert menschen an oder mit corona. es sind mehr als einhundertzwanzigtausend gestorben seit dem sechzehnten märz vor zwei jahren, hier in deutschland. impfpatente werden nicht freigegeben, die folgen von corona sind noch lange nicht abzusehen. körperlich, mental, psychisch. die angst brennt sich ein, der verlust von normalität, so wie die furcht vor dem krieg und seinen verheerenden folgen. die welt ist eine andere.
day 725. tonight, the vaccination opponents will be moving through our small city center again, completely unmolested. i know i shouldn't be indifferent to it, but in the face of major disasters it seems so minor to me that i'd rather not take it seriously. it is actually logical that there is now a connection between these groups and pro-putin statements. the departure of some nazis to ukraine to support the fight also makes me sit up and take notice. do they like to fight, is it fun to put on a uniform? i don't understand anything, nothing at the moment. there is no logic in any of this, least of all in territorial striving for power, in modern colonialism. i recently heard that, in view of the ecocide, there is unfortunately the problem of a lack of language. the discussion about it becomes more difficult, because we still have no terminology for many of the results and consequences of man-made climate change. but for the language of war there have been patriarchal, phallic symbols, words, deeds for thousands of years. body toned, mind centered, brotherhood, so-called honor and booty celebrated. heroes created, rulers created. tomorrow is a day for all those who are not.
peace in the world. solidarity. empathy. equality.
tag 725. gleich werden wieder die impfgegener durch unsere kleine innenstadt ziehen, völlig unbehelligt. ich weiß, dass es mir nicht egal sein darf, doch angesichts der größeren katastrophen scheint es mit so nebensächlich zu sein, dass ich es gerne nicht ernst nehmen würde. dass es nun einen zusammenhang dieser gruppierungen mit putinfreundlichen äußerungen kommt, ist eigentlich folgerichtig. der aufbruch einiger nazis in die ukraine, um den kampf zu unterstützen, lässt mich ebenfalls aufhorchen. wollen die gerne kämpfen, ist es eine lust, sich eine unifrom anzuziehen? ich verstehe nichts, gar nichts im moment. es gibt keine logik in all dem, schon gar nicht in territorialen machtstreben, im modernen kolonialismus. neulich habe ich gehört, dass es angesichts des ökozids leider die problematik einer fehlenden sprache dazu gäbe. das erschwert den diskurs dazu, da wir für viele ergebnisse und nebenfolgen des menschengemachten klimawandels noch keine begrifflichkeiten haben. für die spraches des krieges hingegen gibt seit seit jahrtausenden patriarchal geschaffene, phallische symbole, worte, taten. körper gestählt, geist zentriert, bruderschaft und sogenannte ehre und beute zelebriert. helden erschaffen, herrscher geschaffen. morgen ist ein tag für all jene, die das nicht sind.
friede in die welt. solidarität. empathie. gleichheit.
day 715. yesterday, i couldn't upload the written lines, they were gone. i actually thought about whether there might be problems with the internet soon. day six of a terrible war. we stand by helplessly and think about how we can help. i wrote about shame, because our inner horizon deviates so quickly from the events that are further away. i had talked about that with my daughter, regarding the events in syria, afghanistan. which shocked us deeply and which we brushed aside despite a sincere argument. i feel shame too.
the flexibility shown by european and german politics is surprising. everything goes with a blink of an eye, money, weapons, admission of those seeking protection. good. and neither, i would prefer a world without weapons. i hope that those who are still stuck between poland and belarus can follow the current. here again a feeling of shame, because good and bad refugees are talked about openly on tv.
i grew up in the cold war, drills for nuclear attacks, columns of maneuver vehicles, the sound of rattling tanks across the main street of our village are in my memory. that was only an illusion and still frightened me when i walked home through the village with my little knapsack on my back. only now, many years later, i realize that we are all children and grandchildren of war, i mean we are all human beings. we carry the violence, the bombs, the fear, we carry hunger, pain, flight and silence and repress. the collective heritage is buried within us. the pictures from ukraine, the children, flames, camouflage colors are real.
tag 715. gestern habe ich geschrieben, konnte die zeilen nicht hochladen, sie waren verschwunden. tatsächlich habe ich überlegt, ob es bald probleme mit dem internet geben könnte. tag sechs eines furchtbaren krieges. wir stehen hilflos daneben und denken darüber nach, wie wir helfen können. gestern habe ich über scham geschrieben, dass unser innerer horizont so schnell von den ereignissen abweicht, die weiter weg liegen. darüber hatte ich mit meiner tochter gesprochen, hinsichtlich der ereignisse in syrien, afghanistan. die uns zutiefst schockiert haben und die wir trotz aufrichtiger auseinandersetzung beiseite gewischt haben. auch ich fühle scham.
überraschend ist die flexibilität, die die europäische bzw. die deutsche politik zeigen. mit einem wimpernschlag geht alles, geld waffen, aufnahme von schutzsuchenden. gut. und auch nicht, eine welt ohne waffen wäre mir lieber. ich hoffe, dass auch die, die noch immer zwischen polen und belarus festsitzen, mitlaufen können in dem strom. auch hier wieder ein gefühl von scham, denn im fernsehen wird offen über gute und schlechte flüchtende gesprochen.
ich bin im kalten krieg aufgewachsen, übungen zu atomangriffen, kolonnen von manöverfahrzeugen, das geräusch von ratternden panzern über die hauptstraße unseres dorfes sind in meiner erinnerung. das war nur schein und hat mich trotzdem verängstigt, wenn ich mit meinem kleine ranzen auf dem rücken durch das dorf nach hause ging. erst jetzt, viele jahre später ist mir klar, dass wir alle kinder und enkel des krieges sind, ich meine wir alle menschen. wir tragen die gewalt, die bomben, die furcht, wir tragen hunger, schmerz, flucht und schweigen und verdrängen in uns. das kollektive erbe ist in uns vergraben. die bilder aus der ukraine, die kinder, flammen, tarnfarben sind echt.
nachtrag, abends: menschen stellen sich vor militärfahrzeuge und hindern sie am weiterfahren……
addendum, in the evening: people stand in front of military vehicles and prevent them from driving on......
day 710. today is the twenty-fourth of february two thousand twenty-two. war has been raging in the middle of europe since last night. he is no longer at the door, he came in while i was sleeping, drinking coffee, listening to the birdsong and thinking about whether there would be war. then i heard a radio voice. yes. right now a storm is raging in front of my window, the wind is totally unexpected, the water is running in small tracks from the panes. meanwhile, soldiers are marching, people are fleeing, sirens are wailing. there is no chronicle for this day, the recurring arguments, the listing of mistakes, the lies and silence, the hopes and doubts. there are no words for the people there, none for their neighbors, friends, enemies. none for us, my daughters and me are talking between lines and send each other courage out of fear over the phone, we sip tea and let the dog speak. knowing that an hour will come that wants to talk. when i wrote about the change in the world caused by corona two years ago, i had no idea. this is the worst of all cases.
tag 710. heute ist der vierundzwanzigste februar zweitausenzweiundzwanzig. seit heute nacht herrscht krieg in der mitte europas. er steht nicht mehr vor der tür, er ist hereingetreten während ich schlief, kaffee trank, dem vogelgetzwitscher lauschte und darüber nachdachte, ob es krieg geben würde. dann eine radiostimme hörte. ja. jetzt gerade tobt ein sturm vor meinem fenster, völlig überraschend tost der wind, von den scheiben läuft das wasser in kleinen bahnen. währenddessen marschieren soldaten, fliehen menschen, heulen sirenen. es gibt keine chronik für diesen tag, die immer wiederkehrende argumente, das aufzählen von fehlern, das lügen und schweigen, das hoffen und zweifeln. es gibt keine worte für die menschen dort, keine für ihre nachbar*innen, freund*innen, feind*innen. keine für uns, meine töchter und ich reden so zwischen den zeilen und senden uns mut aus angst durchs telefon, wir nippen am tee und lassen den hund zu wort kommen. wissen, dass eine stunde kommen wird, die reden will. habe ich vor zwei jahren über die veränderung der welt geschrieben durch corona, hatte ich keine ahnung. das hier ist der schlimmste aller fälle.
day 709. sitting on a chair in the garden for the first time and letting the sunbeams shine on my face, since a trace of eternity - finally not only seen but also felt a touch of spring. it's good that little things that arouse joy for a few minutes. i would like to whisper to the first blooming daffodils in front of our house to withdraw, it's not your turn yet. change lies in the silent, silent yellow. i can understand that people occupy bridges and stick to streets. that they accept criminal charges to point out the waste of food and the urgency of measures. i've heard that if we all ate a purely plant-based diet, co2 emissions could be halved in a short period of time. unfortunately i'm not particularly disciplined in such things and i don't use my privileges for that, but for the consumption of all foods i like. while some german politicians are upset about the political actions, others are asking where the peace movement has gone. as if we could use it today to avert anything from the dramatic events in the east, less than 2,000 kilometers away from us. twenty-two hours away.
i wonder how there people feel. who have been living under supervision for many years, in danger and whose identity depends on the arbitrariness of traditional conflicts. i‘ve been writing enough about borders. about freedom too.
dissect the media. provoke. war is at the door.
tag 709. das erste mal im garten auf einem stuhl gesessen und die sonnenstrahlen ins gesicht scheinen lassen, seit einer spur von ewigkeit endlich eine hauch von frühling nicht nur gesehen, sondern auch gefühlt. gut dass kleine dinge, dass ein paar minuten freude wecken. die ersten blühenden osterglocken vor unserem haus möchte ich bitten, sich zurückzuziehen, ihr seid noch nicht dran, will ich ihnen zuraunen. im stillen, lautlosen gelb liegt der wandel. dass menschen brücken besetzen und sich an straßen festkleben kann ich verstehen. dass sie strafanzeigen in kauf nehmen, um auf die verschwendung von nahrung, auf die dringlichkeit von maßnahmen hinweisen. wenn wir alle uns rein pflanzlich ernähren würden, könnte der co2-ausstoß in kurzer zeit halbiert werden, habe ich gehört. leider bin ich nicht besonders diszipliniert in solchen dingen und nutze meine privilegien nicht dafür, sondern für den konsum aller lebensmittel, die ich gerne mag. während die einen deutschen politiker*innen sich aufregen über die politischen aktionen, fragen andere nach, wo denn die friedensbewegung geblieben sei. als ob wir heute damit irgendetwas abwenden könnten von den dramatischen ereignissen im osten, keine zweitausend kilometer von uns entfernt. zweiundzwanzig stunden entfernung.
ich frage mich, wie die menschen dort fühlen. die schon seit vielen jahren unter aufsicht, in gefahr leben und ihre identität von der willkür tradierter konflikte abhängt. über grenzen habe ich mich schon oft genug ausgelassen. über freiheit auch.
die medien sezieren. provozieren. krieg steht vor der tür.
day 700. yesterday the new old federal president was elected. as always, our democracy is characterized by a loud, constant commentary culture in which comparisons are made, effects and phenomena debated and judgments. i appreciate the appointment of various people to the federal assembly to be gratifying. it is an honor and a pleasure to be a part of it. even beforehand, i admired reyhan sahin's production to be an expression of great feminist power, as emancipation. i don't know her music, the harshness of her language is hard to bear and crosses borders, but it has a function. the staging and visual power of her presentation, the picture in which höcke can be seen in front of her, next to her the bag with the imprint: nazis out, is iconic. here, too, the voices of the comments are rarely free of what we have stored in us as conventions. the omissions about clothing, in both directions, more than questionable. it shows the difference between pretense and reality when they talk about instead of dr. lady bitchray neglected with afd deputies about unauthorized photographs. and thus symbolizes the questionability of what is appropriate in its ambiguity. what the right-wing, libertarian and value-conservative throw from old traditions into the future. and the majority is silent. hard times are ahead of us. democracy is in danger. freedom is communication and cooperation. that is not to be found on the streets, among the monday-walking-people, who, in their stubbornness, think they are the majority. it won't be long that this is true.
i wonder in which world we set children. last night, in the face of the war, i thought of the nineties and this terrible war in the former yugoslavia. there too, i can remember, it was like something intangible that shook me. our world will be different, once again. corona. our prosperity dwells on considerations about openings and taking back, restricting the obligation to vaccinate. it's hard to find meaning.
tag 700. gestern wurde der neue alte bundespräsident gewählt. wie immer zeichnet sich unsere demokratie durch eine laute, stete kommentierungskultur aus, in der vergleiche aufgestellt, wirkungen und erscheinungen debattiert und urteile gefällt werden. ich habe die benennung diverser menschen zur bundesversammlung als erfreulich wahrgenommen. es ist eine ehre und würdigung daran teilzuhaben. schon im vorfeld habe ich die inszenierung von reyhan sahin als ausdruck großer feministischer kraft, als emanzipierung empfunden. ihre musik kenne ich nicht, die härte ihrer sprache ist schwer zu ertragen und grenzüberschreitend, aber sie hat eine funktion. die inszenierung und bildgewalt ihrer inszenierung, das bild, auf dem höcke vor ihr zu sehen ist, neben ihr die tasche mit dem aufdruck: nazis raus, ikonisch. auch hier sind die stimmlagen der kommentare selten frei von dem, was wir als konventionen in uns abgespeichert haben. die auslassungen über kleidung, in beiden richtungen, mehr als fragwürdig. sie zeigt den unterschied von schein und sein, wenn sie darüber die auseinandersetzung, die dr. lady bitchray mit abgeordneten der afd über unerlaubte fotografien vernachlässigt. und damit das die fragwürdigkeit dessen, was angemessen ist, in seiner doppelbödigkeit symbolisiert. das, was die rechten, libertären und wertekonservativen aus alten traditionen in die zukunft werfen. und die mehrheit schweigt. es stehen uns harte zeiten bevor. die demokratie ist in gefahr. freiheit ist kommunikation und kooperation. die ist nicht auf den straßen zu finden, bei den montagsgängern, die in ihrem eigensinn denken, sie seinen die mehrheit. es wird nicht mehr lange dauern.
ich frage mich, in welche welt wir kinder bekommen haben. gestern abend, im angesicht des krieges, habe ich an die neunziger jahre und diesen furchtbaren krieg im ehemaligen jugolsawien gedacht. auch da, kann ich mich erinnern, war es wie etwas ungreifbares, das mich erschüttert hat. unsere welt wird eine andere sein, wieder einmal. corona. unser wohlstand verweilt bei überlegungen zu öffnungen und zur rücknahme, einschränkung der impfpflicht. es ist schwer, sinn zu finden.
day 678. the numbers are increasing day by day. i don't know how it is in other countries, the news is overshadowed by the conflict between russia and ukraine, by the olympic games, which are so questionable that you shouldn't write about them, by floods, storms, snow, inflation and hunger. every evening, smart and less smart people give their opinions in rounds, the experts judge, demand, put themselves in the limelight without real discourse. honestly, i can't see and hear all of this anymore. It's about running a system, sending kids to school, exposing them to their fears, and claiming that's what's best for them. countless infections are carried home in this way, burdening the children with guilt. they put on the masks without complaint, test themselves every day and know that they want to protect each other, as do their parents, grandparents, siblings. so the weeks go by with forecasts and criticism. easter, they say, is the worst over.
tag 678. die zahlen steigen von tag zu tag. ich weiß nicht, wie es in anderen ländern aussieht, die nachrichten sind überschattet vom konflikt zwischen russland und der ukraine, von den olympischen spielen, die so fragwürdig sind, dass man nicht darüber schreiben sollte, von wassermassen, stürmen, schnee, von inflation und hunger. jeden abend geben kluge und weniger kluge menschen ihre meinung kund in irgendwelchen runden, die experten urteilen, fordern, stellen sich ins rampenlicht ohne echten diskurs. ganz ehrlich, ich kann das alles nicht mehr sehen und hören. es geht darum, ein system am laufen zu halten, kinder in die schulen zu schicken, sie ihren ängsten auszusetzen und zu behaupten, das sei das beste für sie. unzählige ansteckungen werden so nach hause getragen, die kinder mit schuld beladen. sie, die klaglos die masken aufsetzen, sich täglich testen und wissen, dass sie einander beschützen wollen, ebenso wie die eltern, großeltern, geschwister. so gehen die wochen dahin mit prognosen und kritik. ostern, heißt es, sei das schlimmste vorbei.
day 683. yesterday two years ago, the first case from corona in germany occurred. the day before the eighty years ago, the so-called wannseonferenz took place, in which the genocide in europe was brought to an incredibly perfidy way, which still takes my breath today. it has been said so much about it, that i would have a suitable compassionate, thoughtful sentence.
today, the monday people of the other side use the yellow stars for their purposes and they are not ashamed. they feel in right and see themselves as a victim. yesterday, nearly two hundred people came together here in the district to stroll through the streets. today i read an appeal how peaceful and divers these people in bassum are, how cordial and normal. again, i can‘t find any words in my mind. at the weekend in brussels it was eighty thousand. today, there are one hundred thousand new infections in germany, here in the district there are five hundred. children and adolescents have to go into the schools, air filters were not installed, there are hardly any pcr tests.
meanwhile, the dictator tries missiles in north korea. putin has long since stationed hundreds of thousands of soldiers, sweden and norway ask nato for help. the usdraws off your embassy members. european politicians argue with the power of diplomacy. i do not realize whether biden needs a war, it just looks bad for him, as the other megalomaniac, trump, prepares the election campaign in background to plunge the democracy of america with the renewed takeover. in view of these permanent locations, i do not talk about burkina faso, poland, syria, afghanistan, not the mediterranean sea. to me the coronasituation seems so diffusely insignificant, though it is not. honestly, i feel a fucking fear,a fucking anger, i am fucking helpless and powerless.
tag 683. gestern vor zwei jahren trat der erste fall von corona in deutschland auf. vorgestern vor achtzig jahren fand die sogenannte wannseekonferenz statt, bei der auf unfassbar perfide art und weise der genozid in europa in ein ausmaß gebracht wurde, das mir noch heute den atem verschlägt. es ist zuviel dazu gesagt worden, als dass ich noch einen mitfühlenden, durchdachten satz dazu hätte.
heute nutzen die montagsmenschen der anderen seite die gelben sterne für ihre zwecke und sie schämen sich kein bisschen. sie fühlen sich im recht und sehen sich als opfer. gestern sind hier im landkreis wieder knapp zweihundert menschen zusammengekommen, um durch die straßen zu schlendern. heute lese ich einen appell, wie friedlich und divers diese menschen in bassum doch seien, wie herzlich und normal. auch hier habe ich keine worte. am wochenende in brüssel waren es achtzigtausend. heute gibt es hundertdreißigtausend neue infektionen in deutschland, hier im landkreis sind es fünfhundert. kinder und jugendliche müssen in die schulen, luftfilter wurden nicht eingebaut, es gibt kaum pcr-tests.
währenddessen probiert der diktator in nordkorea raketen. putin hat schon lange hunderttausende soldaten stationiert, schweden und norwegen bitten die nato um hilfe. die usa ziehen ihre botschaftsangehörigen ab. währenddessen argumentieren europäische politiker*innen mit der kraft der diplomatie. mir ist nicht klar, ob biden einen krieg braucht, es sieht gerade schlecht für ihn aus, da der andere größenwahnsinnige, trump, im hintergrund den wahlkampf vorbereitet, um mit der erneuten machtübernahme die demokratie amerikas zu stürzen. angesichts dieser permanenten schauplätze, ich rede nicht von burkina faso, polen, syrien, afghanistan, nicht vom mittelmeer scheint mir die coronalage so diffus unbedeutend, obwohl sie das nicht ist. ehrlich gesagt habe ich eine scheißangst und auch eine scheißwut und fühle mich so scheißhilflos und scheißohnmächtig.
day 676. a monday evening. i decided against walking into the small town and confronting the corona deniers. i went there last week, with my tag of protest in front of my jacket like a protective shield, and exposed myself to the actually permanently reproduced hit sentences, they are the same as on the net, pronounced by people with candles in their hands and malicious grins on their faces in the face of little counter-protest . it's still working in my head, i'm not sure how this can be organized better, i had the idea of a pyramid scheme and didn't think it through to the end. my appointments are all put on hold or online, it's enough that someone from our house has to go into the reality of aerosols. it's just too dangerous for me, with this excuse i put myself off until next week and to clearer thoughts. there is nothing to say in view of the high numbers, the helplessness, the inner unrest that is and will be bothering me as long as this is not over. the risk is increasing day by day, the who expects that in the next few months half of the european population will be infected. for two years we have been modeling and calculating, dying and arguing, splitting and forgetting. quarantine times shortened, children sent to school, compulsory masks not adequately controlled, vaccination cards forged and marched through the supermarkets with provocatively incorrectly worn masks. so i just don't have the energy to walk the five minutes and show myself off, to let myself be laughed at untouchably and to call out: go get your vaccinations! be in solidarity!
tag 676. ein montagabend. habe mich dagegen entschieden, in die kleine stadt zu laufen und mich den coronaleugnern gegenüberzustellen. letzte woche bin ich dorthin, mit meinem schildchen vor der Jacke wie ein schutzschild und habe mich den tatsächlich permanent reproduzierten schlagsätzen ausgesetzt, sie sind die gleichen wie im netz, ausgesprochen von menschen mit kerzen in den händen und hämischem grinsen im gesicht angesichts des geringen gegenprotestets. in meimen kopf arbeitet es noch, bin mir nicht sicher, wie das besser organisiert werden kann, hatte die idee eines schneeballsystems und diese noch nicht zu ende gedacht. meine termine sind alle auf eis bzw nach online gelegt, es reicht, dass einer aus unserem haus in die wirklichkeit der aerosole muss. es ist mir gerade zu gefährlich, mit dieser ausrede vertröste ich mich selbst auf nächste woche und auf klarere gedanken. es gibt nichts zu sagen angesichts der hohen zahlen, an der ausgeliefertheit, an der inneren unruhe, die mich umtreibt und umtreiben wird, solange das hier nicht vorbei ist. das risiko steigt von tag zu tag, die who rechnet damit, dass in den nächsten monaten die hälfte der europäischen bevölkerung infiziert sein wird, gewesen sein wird. seit zwei jahren wird modelliert und gerechnet, gestorben und gestritten, gespalten und vergessen. quarantänezeiten verkürzt, kinder in die schulen geschickt, maskenpflicht nicht ausreichend kontrolliert, impfpässe gefälscht und mit provokativ falsch getragener maske durch die supermärkte marschiert. so habe ich feiegrweise keine energie, die fünf minuten zu laufen und mich zur schau zu stellen, mich unberührbar auslachen zu lassen und zu rufen: geht euch impfen! seid solidarisch!
day 659. the fifth day of the new year. the weeks around the christmas days flying away in candlelight, kitchen fragrances, well-behaved words and actions. past. volatile. we’ll watch how the wave comes. stay safe.
tag 659. der fünfte tag des neuen jahres. die wochen um die weihnachtstage fliegen in kerzenlicht, küchendüften, wohlmeinenden worten und taten dahin. vorbei. flüchtig. wir werden zusehen, wie die welle kommt. bleibt sicher.
day 637. in the last few days i wake up early. it's still dark and the lights of the cars and bicycles draw their cones through the street in front of the house when i leave our house with the dog, let her guiding me in one direction or the other. i have lived in this place for so long, almost twenty years. In the past, these dark mornings were reserved for the rush to deliver my children to school, in empty hallways and classrooms, where they hid behind the curtains with other early children, while i was heading back towards the car to get somewhere else in time. there was no strolling in the dark morning. now i am walking familiar paths in the dark and everything seems strange and new. while standing next to bushes and corners, waiting for the dog, having a look in windows and car dealerships, supermarkets and gardens i wonder where i am. don't know all the people who drive past me, populate the parking lots and hurry. i don't know this place either, even less in the dark mornings, on my circling through the city. am a stranger in familiar places.
while I walk there, breathe, listen, there is a beat of death. corona, forest, hate.
while i'm walking there, people somewhere are typing their message into the second reality, planning overturns and walks in the dark. i didn't think it would come true and that the infiltration was so advanced. we are approaching the next nightmare. a bright yellow sigma on the power box in front of a supermarket indicates the present.
tag 637. in den letzten tagen wache ich früh auf. es ist noch dunkel und die lichter der autos und fahrräder ziehen ihre kegel durch die straße vor unserem haus, wenn ich mit dem hund das haus verlasse und mich von ihr in die eine oder andere richtung leiten lasse. schon so lange lebe ich an diesem ort, fast zwanzig jahre. früher war dieser dunkle morgen der eile vorbehalten, meine kinder an der schule abzuliefern, in leeren fluren und klassenräumen, wo sie sich mit den anderen frühen kindern hinter den vorhängen versteckten, während ich schon wieder richtung auto ging, um rechtzeitig an einem anderen ort zu sein. da gab es kein schlendern im dunklen morgen. nun gehe ich vertraute wege in der dunkelheit und alles scheint fremd und neu. stehe neben büschen und ecken und warte auf den hund, sehe in fenster und autohäuser, supermärkte und gärten und frage mich, wo ich bin. kenne all die menschen nicht, die an mir vorbeifahren, die parkplätze bevölkern und an mir veorbeihasten. ich kenne auch diesen ort nicht, noch weniger an den dunklen morgen, auf meinen kreisen durch die stadt. bin fremd an den vertrauten plätzen.
während ich dort gehe, atme, lausche, gibt es einen takt des sterbens. corona, wald, hass.
während ich dort gehe, tippen irgendwo menschen ihre botschaft in die zweite wirklichkeit, planen umstürze und spaziergänge in die dunkelheit. ich hätte nicht gedacht, dass es wahr werden würde und die unterwanderung so weit fortgeschritten ist. wir nähern uns dem nächsten albtraum. ein leuchtend gelbes sigma auf dem stromkasten vor einem supermarkt weist die gegenwart.
tag 631. ein geschichtsträchtiges datum, vielleicht. brands kniefall in warschau jährt sich. die neue regierung wurde vereidigt. ein neuer kanzler, ein junger bundestag, divers und hoffnungsfroh. fast sechshundert tote, an oder mit corona gestorben, wie es so euphemistisch heißt. die geschäfte leeren sich nicht, weil die menschen vorsichtiger geworden sind. nein, sie wollen sich nicht testen lassen oder sie können es nicht, weil es keine möglichkeiten gibt. überall in diesem bundesland gilt 2g+, es bedeutet, nur geimpfte oder genesene haben zutritt mit einem zusätzlichen test. langsam dringt ein bewusstsein in die medien, die öffentlichen, dass hier seit einem jahr eine radikalisierung stattfindet. sic. ein schiffmann sendet hasstiraden ins netz, dokumentiert von jenen menschen, die es für ihre pflicht halten, aufzuklären und aufzupassen. es gibt listen, auf denen adressen von politiker*innen veröffentlicht werden. morddrohungen gegen den sächsischen ministerpräsidenten, immer wieder angriffe auf journalist*innen, abendliche „spaziergänge“ durch ortschaften, ohne masken, von nazis initiiert. ich laufe hier durch die stadt und frage mich, wer das logo der jungen identitären auf stromkästen sprayt, wo dann ein leuchtend gelbes sigma unbeachtet ins hirn dringt. mich trösten die sticker meiner tochter, die ich an manchen ecken finde. in diesem kleinen kosmos haben wir keine betten, keine tests, zu wenig impfstoff. ich lese mahner, nur noch draußen und nur noch mit maske treffen zu veranstalten. es gibt nun omikron. nur der booster schützt gut genug. viele kinder sind krank. sie sind nun die vulnerable gruppe, wie es heißt, die alten menschen sind geimpft. ich bin zu stumpf, um trauer zu empfinden. für die, die ganzen unbehandelten, die wartenden, die übermenschlichleistenden, die frierenden. bin leer. will ans meer fahren und es anschreien.
day 620. today is the twenty-seventh of november two twenty-one. the people of this small town are preparing for the first advent. last night when i went to bed and couldn't really sleep because of all the things in my head, i thought for the first time really seriously: this is an apocalypse. the reports from south africa about a feared variant of the virus are dramatic and at the same time they show the failure of the western powers to distribute the vaccine fairly. we are hoarding moderna, which is now to be reviled because it will soon expire. after the great outcry about undiplomatic statements by the health minister, it is now slowly becoming clear that there will be bottlenecks here too: the vaccine is scarce. so far i’ve only thought in alpha, beta and delta, the challenge is big enough. hospitals full, important operations and treatments cannot be carried out. all of this is bitterly serious. a hundred thousand dead and hundreds more every day only in germany. not counting those who will die from delayed treatment. and now another wave is rolling towards us, a tsunami. flights are canceled, to african countries and from them to us. i was hoping that we would somehow survive all of this, but it's a dance on the volcano and i feel like i am in war. while i was walking through the morning with the dog and thinking about ridiculous lines for a lawyer’s letter, i felt so petty. the sun shines in our garden, the leaves are fading, the last roses are in bloom. my reluctance to celebrate christmas and flood of gifts is accompanied by a longing for the scent of candles. people in the foreign seek solace in their traditions and rituals. so in a strange world i feel an need to prepare like the people here in this small town, turning candles and wreaths into a symbol, like an erasure of the outside, seasoned with love and hope and remembrance. so i let in the scent, the green, the music, wait for my daughters to sit next to me, eating and drinking and for a brief moment forgetting what's going on out there while we are watching a scene in the snow in which a veil is blowing over the field.
tag 620. heute ist der siebenundzwangstigste november zweitauseinundzwanzig. die menschen in dieser kleinen stadt bereiten sich auf den ersten advent vor. gestern abend, als ich ins bett ging und nicht so richtig einschlafen konnte wegen all der sachen in meinem kopf, dachte ich das erste mal wirklich ernsthaft, dass dies eine apokalypse ist. die meldungen aus südafrika über eine befürchtete variante des virus sind dramatisch und sie zeigen gleichzeitig das versagen der westlichen mächten, den impfstoff gleichmäßig zu verteilen. wir horten moderna, der nun verimpft werden soll, weil er bald abläuft. nach dem großen aufschrei über undiplomatische äußerungen des gesundheitsministers wird nun langsam deutlich, dass es auch hier zu engpässen kommen wird: der impfstoff ist knapp. bisher habe ich nur in alpha, beta und delta gedacht, die herausforderung groß genug. krankenhäuser voll, wichtige operationen und behandlungen können nicht durchgeführt werden. das alles ist bitterer ernst. hunderttausend tote und täglich hunderte mehr. nicht gerechnet die, die durch verzögerte behandlungen sterben werden. und nun rollt noch eine weitere welle auf uns zu, ein tsunami. flüge werden gestrichen, in afrikanische länder und von ihnen zu uns. ich hatte die hoffnung, dass wir das alles irgendwie überstehen, es ist aber ein tanz auf dem vulkan und ich fühle mich wie vor einem krieg. während ich mit dem hund durch den morgen lief und mir lächerliche zeilen für einen anwaltsbrief überlegte, kam ich mir so kleinmütig vor. die sonne scheint in unseren garten, das laub wird weniger, die letzten rosen blühen. mein widerwillen gegen weihnachtliche feiern und geschenkefluten wird begleitet von einer sehnsucht nach kerzenduft. menschen in der fremde suchen trost in ihren traditionen und ritualen. so fühle ich in dieser mir fremden welt doch einen drang, mich vorzubereiten wie die menschen hier in dieser kleinen stadt und kerzen und kranz zu einem symbol zu machen, wie eine löschung des außen und mit liebe und hoffnung und gedenken gespickt. so lasse ich den duft herein, das grün, die musik, warte, dass meine töchter neben mir sitzen und wir essen und trinken und für einen kurzen moment vergessen, was da draußen los ist, während wir eine szene im schnee sehen, in dem ein schleier über dem feld weht.
day 615. from morning to evening there are sound. of arguments, discussions, opinions, accusations. i have been living here in the north of germany for a long time and the people here who began generations ago to dry the boggy soils so that they no longer have to die of malaria, gout or hunger in the smoke and moisture of their buckwheat fields. sure, from an ecological point of view there is a lot to be said for preserving the moors. but when i think back to the little cottages, which were often still house-dwelling until the fifties of the last century, belonging to that ancient leaning system, then i can understand the motives for taking water from nature. today, the birch fens are pulled and pecked in the last moors in order to preserve this valuable resource. my father-in-law was one of those people who ran through the moors with a spade digging canals. he was a taciturn man who had a dramatic escape story and found a new home in a small village in the low german lowlands. he often sat at the table and listened to the constant talk of his family and calmly covered his bread with thick slices of sausage, which were an important luxury for him even after many years in full. for him the act was true. not the promise, not the intention. my husband is someone like that too, for him a visible result counts. we often argued about it, in the past, when I couldn't understand why he was so merciless in my eyes with those around him. he, in turn, suffered from my impulsive and often impatient way of not finishing things. now i can watch him in the garden when he looks at the results of his afternoon and proudly leads me through the bushes to show me what he's been doing. i’m happy for him. he, in turn, immediately dropped his against me. looks over the stacks that i pile up on the stairs and don't take upstairs immediately because i don't feel like doing it. lately i have often been thinking of the attitude behind the sentence, of the deed. it's about life and each other.
tag 615. von morgens bis abends werden wir beschallt. von argumenten, diskussionen, meinungen, vorwürfen. ich lebe schon lange hier im norden von deutschland und die menschen hier, die vor generationen begonnen haben, die moorigen böden zu trocknen, damit sie nicht mehr im rauch und der feuchtigkeit ihrer buchweizenfelder an malaria, gicht oder hunger siechen müssten. sicher, aus ökologischer sicht spricht vieles dafür, die moore zu erhalten. doch wenn ich mich zurückdenke in die kleinen katen, die bis in die fünziger jahre des letzten jahrhunderts oft noch häuslingshäuser waren, jenem uralten lehnsystem angehörend, dann kann ich die motive verstehen, der natur das wasser zu nehmen. heute werden in den letzten mooren die birkenreißer gezogen, gekusselt, um diesen wertvollen bodenschatz zu erhalten. mein schwiegervater war einer von denen, die mit dem spaten durch die moore lief, um kanäle zu graben. er war ein schweigsamer mann, der eine dramatische fluchtgeschichte hinter sich gebracht und in einem kleinen dorf in der niederdeutschen tiefebene ein neues zuhause gefunden hatte. oft saß er am tisch und lauschte dem beständigen reden seiner familie und belegte voller ruhe sein brot mit dicken wurstscheiben, die ihm auch nach vielen jahren im satten ein bedeutsamer luxus waren. für ihn galt die tat. nicht das versprechen, nicht die absicht. auch mein mann ist so jemand, für ihn zählt ein sichtbares ergebnis. oft haben wir uns darüber gestritten, früher, wenn ich nicht verstehen konnte, warum er in meinen augen so gnadenlos mit seiner umgebung umging. er wiederum litt an meiner impulsiven und oft ungeduldigen art, dinge nicht zu beenden. inzwischen kann ich ihn im garten zusehen, wenn er die ergebnisse seines nachmittags betrachtet und mich stolz durch die büsche führt, um mir zu zeigen, was er gearbeitet hat. ich freue mich für ihn. er wiederum hat sein sofort abgelegt mir gegenüber. sieht über die stapel hinweg, die ich auf der Treppe auftürme und sie nicht umgehend mit nach oben nehme, weil ich keine lust dazu habe. in letzter zeit denke ich oft an die haltung, hinter der dem satz steht, von der tat. es geht um das leben und das miteinander.
day 613. a mild day, i walk a lot, walking calms me down and i can think far away. in the forest i breathe in the colors, the blackness of the spruce before the glow of the leaves, which slowly adapt to the ground. there in the forest, that will remain a safe place, where i think about how i can protect people, whether i fill the basement again like six hundred days ago, ashamed in the face of other people who freeze, starve and fear in the forest. this inner conflict has persisted for so long, my security versus need, i buy myself free through donations.
the chairman of the rki, who, like his fellow scientists, has been predicting the nightmare of autumn for weeks and months, can no longer find any words. germany is a single corona outbreak. the values of freedom in the face of vaccinations and openings are still being discussed and the initial solidarity attitude of the collective has turned into a theater of war. it's a disaster. i don't even have the energy to look around the world, which is in apocalyptic danger of collapsing. the surface. most of the people around me tend to be displaced when their warning app kicks in, when they hear the news, when they meet. Every day more and more will die, cared for, rescued and protected by helpers, soon it will no longer be just one airplane, but two or three, with faceless names and numbers, i have been thinking all the time that we are far too few talk about these people who have gone astray. lombardy offered help. the armed forces are ready. meanwhile others are waiting to be admitted to the christmas market, fear for their mulled wine and abuse the controls.
tag 613. ein milder tag, ich gehe viel, das laufen beruhigt mich und ich kann in die ferne denken. im wald atme ich die farben ein, die schwärze der fichten vor dem leuchten der blätter, die sich langsam dem untergrund anpassen. da im wald, das wird ein sicherer ort bleiben, an dem ich darüber nachdenke, wie ich menschen beschützen kann, ob ich den keller wieder fülle wie vor sechshundert tagen, beschämt angesichts anderer menschen, die im wald frieren, hungern und fürchten. diese innere zerrissenheit hält sich schon so lange, meine sicherheit versus not, ich kaufe mich frei durch spenden.
der vorsitzende des rki, der seit wochen und monaten wie seine wissenschaftskollegen den alptraum des herbstes vorhersagen, findet keine worte mehr. deutschland ist ein einziger coronaausbruch. immer noch werden freiheitswerte angesichts von impfungen und öffnungen diskutiert und die anfängliche, solidarische haltung des kollektiven hat sich in einen kriegsschauplatz verwandelt. es ist eine katastrophe. ich habe nicht einmal mehr energie, mich auf der welt umzusehen, die in apokalyptischer weise zusammenzubrechen droht. die oberfläche. die meisten menschen um mich herum üben sich in verdrängung, wenn ihre warnapp anschlägt, wenn sie nachrichten hören, wenn sie aufeinandertreffen. jeden tag werden mehr und mehr sterben, davor gepflegt, gerettet und behütet von helfenden, bald werden es nicht mehr nur ein flugzeug sein, sondern zwei oder drei, mit gesichtslosen namen, nummern, ich denke schon die ganze zeit, dass wir viel zu wenig über diese menschen sprechen, die vorloren gegangen sind. die lombardei hat hilfe angeboten. die bundeswehr steht bereit. währenddessen warten andere auf einlass beim weihnachtsmarkt, fürchten um ihren glühwein und beschimpfen die kontrollen.
day 597. now we have been thinking of the souls that let themselves be called in the foliage of the woods, under the moss, in the dark black of a small lake. they are silent. it doesn't bother me, because i’ve got pictures and the smell in my head while the late afternoon light shines through the trees. at the end of the forest, where the field begins, you can already see an arch of leaves from afar, behind which the vastness and the heavy earth begins. it is a gateway to the world. If the forest swallows the sounds of a vibrating world, the rustling and hammering of the engines, the humming of the streets begins here. from there i plunged into unreality, hearing news of those who were saved in the seas and paid my indulgences with one click. tomorrow is a new day, we said, in life.
tag 597. nun haben wir der seelen gedacht, die sich im laub der wälder, unter dem moos, im dunklen schwarz eines kleinen sees rufen lassen. sie schweigen. es stört mich nicht, denn ich habe die bilder und den geruch im kopf, während das späte nachmittagslicht sich durch die bäume leuchtet. am ende des waldes, dort wo das feld beginnt, kann man von weitem schon einen bogen aus laub erkennen, hinter dem die weite und die schwere erde beginnt. es ist ein tor in die welt. schluckt der wald die töne einer vibrierenden welt, so beginnt hier das rauschen und hämmern der motoren, das summen der straßen. von da bin ich eingetaucht in die unwirklichkeit, habe bilder gesehen von denen, die gerettet wurden und meinen ablass gezollt mit einem klick. morgen ist ein neuer tag, haben wir gesagt, im leben.
day 595. the first of november. month of darkness, ghosts, the dead. it is believed here that more people die in november than in the rest of the year. many generations have devoted this month to woreship. today is the day of saints. death sunday will come soon, then graves will be decorated and made winterproof. and we have the day when all the dead in the wars are thought of, a lot of soldiers, but i am refusing to think and write just about them. there are fewer and fewer people who feel responsible for this commemoration. in the past, veterans rang the doorbell and raised money for welfare foundations. these places of remembrance can be found everywhere here. relics of a time after the first and second world wars, mostly next to the cemeteries, small park-like structures with stone relics of the people who have not returned. we pass these enclosures carelessly all year round, only to look in astonishment at the sad branches of fir green that lie there in november. soon no one will know anyone behind the name, as is the case with the memorials in our cemetery for the forced laborers who were abducted and mass murdered and who were tortured in the course of euthanasia. i can understand that people believed and believe in ghosts. when the fog comes up and the darkness gets bigger and bigger, the complaints, the pain and the suffering are woven into the fine water pearls of the intangible haze. it is more than just a part of the church year that takes leave and then in december to celebrate the life that is emerging. the turn of the year promises hope and we can assure ourselves that after the dark, cold weeks something is slowly awakening. but not only.
now it is time to look into the present and keep your eyes open. in the nights between poland and belarus they are freezing, starving and dying. fear. are lonely. on the spray of the sea, at the feet of europe, they are forced back into torture, those who do not drown. a little further east comes hunger, winter and sharia. we maintain our corona prosperity with booster vaccinations and filling intensive care units. most of them were acutely ill in no other way, they had to wait. it is above all those who have conjured up spirits, those of freedom, of the individual, of denial. maybe it is time to set new stones, put green on them and light a candle. nobody comes back from there.
tag 595. der erste november. monat der dunkelheit, der geister, der toten. hier glaubt man, dass im november mehr menschen sterben als im restlichen jahr. viele generationen haben diesen monat zur andacht gemacht. heute ist der tag der heiligen. bald kommt der totensonntag, dann werden gräber geschmückt und winterfest gemacht. und wir haben den tag, an dem all der toten in den kriegen gedacht wird, viel der soldaten, aber ich weigere mich, das zu denken und zu schreiben. es gibt immer weniger menschen, die sich dieses gedenken verantwortlich fühlen. früher, klingelten dann veteranen an der tür und sammelten geld für die fürsorgestiftungen. diese orte des gedenkens sind hier überall zu finden. relikte einer zeit nach dem ersten und zweiten weltkrieg, meist neben den friedhöfen, kleine parkähnlich anlagen mit steinernen zeugnissen der menschen, die nicht zurückgekehrt sind. an diesen anlagen laufen wir das ganze jahr achtlos vorbei, um dann im november erstaunt auf die traurigen zweige aus tannengrün zu blicken, die dort liegen. bald wird niemand mehr jemand hinter den namen kennen, so wie bei den gedenkstätten auf unserem friedhof für die zwangsarbeiter, die verschleppten und massenermordeten, im zuge der euthanasie gefolterten. ich kann verstehen, dass menschen an geister glaubten und glauben. wenn der nebel aufzieht und die dunkelheit immer größer wird, sind die klagen, der schmerz und das leid eingewebt in die feinen wasserperlen des ungreifbaren dunstes. es ist mehr als nur ein teil des kirchenjahres, das abschied nimmt, um dann im dezember das entstehende leben zu feiern. die jahreswende verheißt hoffnung und wir können uns versichern, dass nach den dunklen, kalten wochen ganz langsam etwas erwacht. aber nicht nur.
nun ist es an der zeit, in die gegenwart zu blicken und die augen offen zu halten. in den nächten zwischen polen und belarus frieren, hungern und sterben sie gerade. fürchten sich. sind einsam. auf den gischten des meeres, vor den füßen europas, zwingt man sie zurück in die folter, jene, die nicht ertrinken. ein bisschen weiter richtung osten kommt der hunger, der winter und die sharia. wir pflegen unseren coronawohlstand mit boosterimpfungen und sich füllenden intensivstationen. die meisten davon nicht anders akut erkrankte, die müssen warten. es sind vor allem jene, die geister beschworen haben, die der freiheit, des individuums, der leugnung. vielleicht wird es zeit, neue steine zu setzen, grün darauf zu legen und ein licht anzuzünden. niemand kommt von da zurück.
day 561. now it’s the one moment. overnight is autumn. milky morning, sunlight through the turning leaves, heavy air. everything is on fire. this is my memory time when i lay down in the steamed-up window and see it earlier through the drops of water.
i have no words here for events that are hidden behind a silence. i feel. am mother. the heavy light settles on my soul and i want to flee into the glowing heat of an island, jump into the clear water and heal me and everyone with it. i can not.
the marginal notes in the news are a hundred deaths in one day, that's how it goes all the time, so often fifty deaths and more, only here in this country. anyway, the news is an incredible blindfold television. yesterday only content to choose from, who with whom maybe. at the same time, serbia and kosovo are on the verge of military escalation, an earthquake is shaking crete, and humanitarian catastrophes are flooding the globe. poland has extended the protection zone and the world is watching as people freeze, starve and die in a small strip of land between two borders. i might understand that in view of this unbelievable self-centeredness, doubts arise about the meaning of life. young people hope for a change, now they are faced with the dismantling of decency, they can now watch the grotesque talk of greed for power and the assumption of irresponsibility.
tag 561. nun ist es so. über nacht ist herbst. der morgen milchig, sonnenlicht durch sich färbende blätter, schwere luft. alles brennt. es ist meine erinnerungszeit, in denen ich mich in die beschlagenen fenster lege und durch die wassertropfen das früher sehe.
für ereignisse, die sich hinter einem schweigen verbergen, habe ich hier keine worte. ich fühle. bin mutter. das schwere licht legt sich auf meine seele und ich will fliehen in die leuchtende hitze einer insel, ins klare wasser springen und mich und alle damit heilen. kann ich nicht.
die randnotizen der nachrichten sind hundert tote an einem tag, so geht das schon die ganze zeit, so oft fünzig tote und mehr, nur hier in diesem land. überhaupt, die nachrichten sind ein unfassbares scheuklappenfernsehen. gestern nur inhalte zur wahl, wermitwemvielleicht. zeitgleich stehen serbien und kosovo kurz vor militärischer eskalation, ein erdbeben erschütert kreta, humanitäre katastrohen überfluten den globus. polen hat die schutzzone verlängert und die welt sieht zu, wie in einem kleinen streifen land zwischen zwei grenzen menschen erfrieren, verhungern und sterben. ich kann verstehen, dass angesichts dieser unglaublicne ichbezogenheit zweifel am lebenssinn aufkommen. junge menschen hoffen auf einen wandel, nun bekommen sie die demontage des anstands vor die nase gesetzt, dürfen sie nun dem grotesken geschiebe von machtgier und verantwortungslosigkeitsübernahme zusehen.
day 548. felt like the last day of summer yesterday. on my painting wall heavy earth colors, my inside is already in autumn. i can only paint from within, not inward, think about how other artists approach issues and realize them. doubt. somehow it doesn't go any further. the time of harvest cannot be felt and i cannot find a new angle to center myself. my head knows that my life is like waves.
tag 548. gefühlt der letzte sommertag gestern. auf meiner malwand schwere erdfarben, mein inneres ist schon im herbst. ich kann nur aus mir heraus malen, nicht nach innen, denke darüber nach, wie andere künstler sich themen stellen und sie realisieren. zweifel. irgendwie geht es nicht weiter. die zeit der ernte ist nicht zu fühlen und ich finde keinen neuen winkel, um mich zu zentrieren. mein kopf weiß, dass mein leben wellengleich ist.
day 544. september gives us a little more summer. i traveld at the sea with my daughter, for layers of gray. the plants are already in their colors in autumn mode, the sky shimmers with streams and seagulls. i like this unlovability and love the view towards the horizon, just before it comes the magic line. was able to refuel me with colors that move and expand within me until I am ready to grab pigments. all in all, the world seems to be in a state of exhaustion. i mean the entirety.
of course, on this date, which has burned itself into the collective consciousness and also the unconscious, cannot go unmentioned. everyone has something to say, everyone knows how and where they spent this moment twenty years ago and it is also more than clear what devastating consequences the political reactions will have. yesterday i saw pictures from universities in afghanistan, no female read person being recognized, a black sea of fabric. behind them men, dressed in jeans and shirts. there are executions, hunger, and little hope. the attacks in us in september and our dealings with them, i mean those of the western world, have multiplied the breeding ground for hostility and mistrust. for patriarchal ideas and patriarchal movements that oppose the streams of intersectional and level thinking. the force is exhausting, the compassion and the helplessness.
plus the increasing certainty that we will have to accept the virus as part of our culture over the next few years. when we live. sometimes it seems to me that the depths and cracks of the earth plates are getting deeper and deeper. we stand on the cliffs and still we wave to each other.
tag 544. der september schenkt uns noch ein bisschen sommer. bin mit meiner tochter am meer gewesen, diesen schichten von grau. die pflanzen schon im herbstmodus in ihrer farbigkeit, der himmel flirrend von wärme und möwen. ich mag diese unlieblichkeit und liebe den blick richtung horizont, kurz davor kommt die magische linie. konnte mich mit farben auftanken, die sich in mir bewegen und ausdehnen, bis ich bereit bin, zu pigmenten zu greifen. insgesamt scheint die welt in einem erschöpfungszustand zu sein. ich meine die gesamtheit.
natürlich darf an diesem tag, der sich in das kollektive bewusstsein und auch das unbewusstsein gebrannt hat, nicht unerwähnt bleiben. alle haben etwas zu sagen, alle wissen, wie und wo sie diesen augenblick verbracht haben vor zwanzig jahren und es ist auch mehr als deutlich, welche verheerenden folgen die politischen reaktionen darauf haben werden. gestern habe ich bilder aus universitäten in afghanistan gesehen, keine weiblich gelesene person ist zu erkennen, ein schwarzes meer aus stoff. dahinter männer, in jeans und shirts gekleidet. es gibt exekutionen, hunger, wenig hoffnung. die anschläge damals und unser umgang damit, ich meine den der westlichen welt, haben den nährboden für feindlichkeit und misstrauen vervielfacht. für vaterlandsgedanken und patriarchalische bewegung, die sich den strömen intersektioneller und egaltärem denken entgegenstellen. die wucht ist anstrengend, das mitgefühl und die hilflosigkeit.
dazu die zunehmende gewissheit, dass wir das virus in den nächsten jahren als teil unserer kultur akzeptieren müssen. wenn wir leben. manchmal scheint es mir, als würden die tiefen und risse der erdplatten tiefer und tiefer. auf den klippen stehen wir und noch winken wir uns zu.
day 535. i have to persuade myself to sit down at the table to write. feel in a loop i'm sure that i sat here a year ago and mentioned the beauty of late summer, its light and the smell, the orchards in the south. a year ago i wandered through the forest with my father, next to me my brother. a few days ago i saw this purple-colored mushroom when i was walking between beechs with my daughter. purple-colored stem and purple-colored, translucent cap, scent of vanilla, a fantastic a mushroom as my father said last year. unreal, the mushroom and the death.
my daughter approached the tough-me-not with the same horror of enthusiasm as when she was a child, as i did as a child next to my father in the forest. these inconspicuous seed pods, which spiral open in a fraction of a second and reveal their secret, always grow on the border between path and forest, they are the silent tidings of ripe mushrooms waiting in the ground behind.
i can afford to walk these paths and not find any. this year i have no urge to sniff the undergrowth and see porcini mushrooms in front of my inner eye, which i will find like the monk the disc. when i am walking through the moss, i always promise to be humble if i only would find one or two of these solid, promising mushrooms that contradict the lightness of the purple, ethereal organism. now my gaze lingers in the leaves. that is grief. i will come back and wait for them to fall and lower my eyes.
tag 535. ich muss mich ein bisschen überreden, mich an den tisch zu setzen, um zu schreiben. fühle mich in einer schleife. bin sicher, dass ich vor einem jahr hier gesessen habe und die schönheit des spätsommers, sein licht und den geruch erwähnt habe, die obstwiesen im süden. vor einem jahr bin ich mit meinem vater durch den wald gestreift, neben mir mein bruder. vor ein paar tagen habe ich diesen lilalefarbenen pilz gesehen, als ich mit meiner tochter zwischen buchen lief. lilafarbener stiel und lilafarbene, durchscheinende kappe, duft nach vanille, ein so fantastischer pilz, wie mein vater damals meinte. unwirklich, der pilz und der tod.
meine tochter näherte sich dem springkraut mit dem gleichen begeisterungserschrecken wie als kind, wie ich als kind neben meinem vater im wald. diese unscheinbaren samenhülsen, die sich im bruchteil einer sekunde spiralig öffnen und ihr geheimnis preisgeben, wachsen immer an der grenze zwischen weg und wald, sie sind die schweigsamen botschafter von reifen pilzen, die hinter ihnen im boden warten.
ich kann es mir leisten, diese wege zu gehen und keine zu finden. dieses jahr habe ich keinen drang, im unterholz zu schnuppern und vor meinem inneren auge steinpilze zu sehen, die ich finden werde wie der mönch die scheibe. wenn ich durch das moos laufe, verspreche ich sonst immer, bescheiden zu sein, wenn ich nur einen, zwei dieser festen, verheißungsvollen pilze finde, die so im widerspruch zur leichtigkeit des lilafarbenen, ätherischen organismus stehen. jetzt weilt mein blick in blättern. das ist trauer. ich werde wieder dorthin gehen und warten, dass sie fallen und ich dabei die augen senke.
tag 529. gerade aus versehen meinen kompletten eintrag gelöscht, wollte kopieren und es blieb nur ein kleines, zartes c am anfang der zeile stehen. nichts neues, eine klage an die welt, den wahlkampf und seine miesen methoden, die coronawelle und mein mitgefühl für die menschen, die bangen, darben, hoffen. die frage, wie ich meine beiden töchter mit hoffnung füllen kann, dass die welt doch ein guter, wunderschöner ort im universum ist.
day 520. i probably miscalculated on the last entry, it can't be that only seven days have passed since then. i've been sitting here in front of the screen for an hour and can't decide how to start, what should flow out of me first. at night, just before falling asleep, i think in poems, am able reduce my speech to an essential one. in the morning the poems are gone. flew away through the thicket of my dreams.
trigger warning!!! i was on vacation for ten days. summer is stretching this year, despite the bad weather that reminds of autumn. the small islands of the day fill up the spaces in between. i can't write about holidays, i can't paint. wonder what feelings people will have when they get out of the airplanes, come out of the dust-drying heat and fall in this damp, cool green and gray. people who had the hope of being so powerful that they could overcome the thrust and the height of a giant airplane have also fallen. how big a fear must be to arrive at such an assessment. is it calculative to consider whether to execute oneself or to be executed? does the hope remain? the falling bodies reminded me of the twin towers, i can still hear the impacts and the images i thought forgot to wake up.
i spend a lot of time getting an idea. read tweets and news, feel helpless and angry. it has now taken less than three days before one considers entering into diplomatic talks. with the new rulers. less than three days before thinking out loud about the political advantages china and russia could draw.
no visa applications have been approved since june. people can only apply for it in english and online. the maximum number of family members to take with is five. i'm talking about children. people were promised to get them out in kabul. the social media are full of cries for help.
now the federal government has chartered planes from lufthansa, this fucking company that should simply make all planes available to show a little gratitude for the unjustly received funds.
i have no comforting words, for no one. afghanistan. greece is on fire, haiti sinks under water after the quake, the corona numbers are rising steadily. headline of our daily newspaper: vaccine expires and becomes hazardous waste. no comment, everything already said. the nazis use the events to find their election campaign. enough history for many years to come.
tag 520. ich habe mich verzählt beim letzten eintrag, es kann nicht sein, dass seitdem erst sieben tage vergangen sind. seit einer stunde sitze ich hier vor dem bildschirm und kann mich nicht entscheiden, wie ich beginnen soll, was als erstes aus mir herausfließen soll. nachts, kurz vor dem einschlafen, denke ich in gedichten, da kann ich meine sprache auf ein wesentliches reduzieren. am morgen sind sie weg. weggeflogen durch das dickicht meiner träume.
triggerwarnung! ich war zehn tage im urlaub. der sommer dehnt sich aus dieses jahr, trotz des schlechten wetters, das an herbst erinnert. die kleinen tagesinseln füllen die zwischenräume auf. ich kann nicht über urlaub schreiben, kann nicht malen. frage mich, welche empfindungen die menschen haben werden, wenn sie aus den fliegern steigen, aus staubtrockender hitze kommend und hier in feuchtes, kühles grün und grau fallen. gefallen sind auch menschen, die die hoffnung hatten, so kraftvoll zu sein, dass sie den schub und die höhe eines riesengroßen fliegers überwinden könnten. wie groß muss eine angst sein, um zu solcher einschätzung zu gelangen. ist es kalkül, abzuwägen, sich selbst hinzurichten oder hingerichtet zu werden? bleibt die hoffnung? die fallenden körper haben mich die zwillingstürme erinnert, ich höre noch die aufpralle und die vergessen geglaubten bilder erwachen.
ich verbringe viel zeit damit, mir ein bild zu machen. lese tweets und nachrichten, fühle mich hilflos und wütend. es hat nun keine drei tage gedauert, bis man überlegt, in diplomatische gespräche einzusteigen. mit den neuen machthabern. keine drei tage, bis laut darüber nachgedacht, welche politischen vorteile china und russland ziehen könnten.
es wurden keine visaanträge genehmigt seit juni. man kann sie nur auf englisch und online beantragen. die höchstzahl der mitzunehmenden familienmitglieder liegt bei fünf. ich rede hier von kindern. den menschen wurde versprochen, sie rauszuholen in kabul. die sozialen medien sind voll von hilferufen.
nun hat die bundesregierung flugzeuge von der lufthansa gechartert, jener firma, die einfach fucking alle flugzeuge zur verfügung stellen müsste, um für die zu unrecht erhaltenen gelder ein bisschen dankbarkeit zu zeigen.
ich habe keine tröstenden worte, für niemanden. afghanistan. griechenland brennt, haiti versinkt nach dem beben unter wassermassen, die coronazahlen steigen stetig. schlagzeile unserer tageszeitung: impfstoff verfällt und wird sondermüll. kein kommentar, alles schon gesagt. die rechten nutzen die ereignisse für ihren perfinden wahlkampf. genug geschichte für die vielen nächsten jahre.
day 513. during the past few weeks i have been hanging around the north. a new area discovered with delightful lakes, a small, inspiring thatched-roof house near the shore. summer feelings, sitting with my friend on the shore. forest lake bathing. through the wendland direction leipzig, then back to bremen. the garden full of overgrown plants. in a canoe on a small river nearby, for hours through reflective green, calm. i fell out of time, i forgot a lot.
a few days ago back to the coast in that small place full of history, the watt, the gray skies and cloud towers. we visited the music festival here, together. for a long time i havn't been so excited, worried that i couldn't stand all the people. pass through gates, to test, to register, to control, opening inner lock gates and let the tide in. i did that at the moment when i heard familiar sounds in the mud in front of a floating stage and sang along with lines of songs, like everyone around me with glittering faces. while the water rose and washed around our legs, we stumbled across floating debris. the fear washed away in the jade bay. my heart filled with music and love. fallen out of time after five hundred days, for a brief moment.
tag 513. während der letzten wochen habe ich mich im norden herumgetrieben. eine neue gegend entdeckt mit entzückenden seen, ein kleines, inspirierendes reetdachhaus in der nähe des ufers. sommergefühle, mit freundin am ufer sitzen. waldseebaden. durch das wendland richtung leipzig, dann zurück nach bremen. der garten voller wuchernder pflanzen. im kanu auf einem kleinen fluss hier in der nähe, stundenlang durch reflektierendes grün, ruhig. bin aus der zeit gefallen, habe viel vergessen.
vor ein paar tagen zur küste in jenen kleinen ort voller geschichte, ans watt, die grauen himmel und wolkentürme. hier haben wir das musikfest besucht, zusammen. seit langer zeit war ich nicht mehr so aufgeregt, war in sorge, dass ich die vielen menschen nicht ertragen könnte. schleusen passieren, zum testen, zum anmelden, zum kontrollieren, innere schleusentore öffnen und die flut hineinlassen. das habe ich in jenem moment getan, als ich im schlick vor einer schwimmenden bühne vertraute klänge hörte und liedzeilen mitsang, so wie alle um mich mit strahlenden gesichtern. während das wasser stieg und unsere beine umspülte wanren wir ein treibgut. die angst weggespült in den jadebusen. mein herz weit von musik und liebe. aus der zeit gefallen nach fünfhundert tagen, für einen kurzen moment.
day 485. while california burns, cities in europe are flooded and trees are uprooted. i walk the same paths every day and wonder if i step on the same spots while running as i did the day before, if i stay there that i haven't had under my soles. just as the seemingly monotony of the same rows of houses, bushes, trees and streets is thrown out of sync by the times of the encounters, i feel the air, the sky, the rain, the sun again and again. in the last few days a bell has sounded on us, the lovely early summer morning, when clear air lets fall through the movements of the leaf shadows, cannot be found. mushrooms can be seen everywhere, they are lined up in small piles on the lawns. too early, i think. i am also confused after the months of retreat, the sociable walking through the district burdens me. behind the collegiate church there is a meadow that seems to have fallen out of time. all the shades of green have no names of their own here, and i'm thinking about whether people from climatically hot areas of the world know so many greens. well, we're talking about the third vaccination. we afford grandiose discussions and conversations about missing ten percent, which are then safe. we afford sentences that pleadingly appeal to vaccination. we do politics that contradict global humanitarian interests. that's how colonialism works. the patents have to be released, people die because we don't.
tag 485. während kalifornien brennt, werden hier städte geflutet und bäume entwurzelt. ich gehe täglich auf gleichen wegen und frage mich, ob ich beim laufen auf die gleichen stellen trete wie am tag zuvor, ob ich dort verharre, die ich noch ein nicht unter meiner sohle hatte. so wie die scheinbare monotonie der immer gleichen häuserreihen, der büsche, bäume und straßen von den uhrzeiten der begegnungen aus dem takt gebracht wird, fühle ich die luft, den himmel, den regen, die sonne immer neu. in den letzten tagen hat sich eine glocke auf uns gelegt, die liebliche frühe eines sommermorgens, wenn sich klare luft durch die bewegungen der blätterschatten fallen lässt, ist nicht zu finden. überall sind pilze zu sehen, sie reihen sich auf den rasenflächen in kleine haufen. zu früh, denke ich. auch ich bin durcheinander nach den monaten des rückzugs beschwert mich die kontaktreiche geherei durchs viertel. hinter dem stift breitet sich eine wiese aus, die aus der zeit gefallen scheint. all die grüntöne haben hier keine eigenen namen, und ich denke darüber nach, ob menschen aus klimatisch heißen gegenden der welt auch so viele grüns kennen. nun, wir sprechen über die dritte impfung. leisten uns großspurige diskussionen und unterhaltungen über fehlende zehn prozent, die dann in sicherheit sind. wir leisten uns sätze, die bittend an das impfen appellieren. leisten uns politik, die im widerspruch zu globalen humanitären interessen steht. so geht kolonialismus. die patente müssen freigegeben werden, menschen sterben, weil wir das nicht tun.
day 479. i broke my boycott. this morning after a wonderful walk in the forest i drove to a small booth that sells strawberries. they are from one of these large farmers in the area who level the fields with foil and abuse their employees. just as the tarpaulin-covered fields expand from year to year, the more aggressively advertising is used, the larger the sales area become. people in hannover are happy about regional fruit that is sold in an absolutely perfected distribution system. two yars ago my daughter was working in the small, original farm shop. about fifteen years ago, the sale of homemade jam and asparagus started there, and we often went there to shop. my daughter was responsible for sales there. but she also had to take back orders and do the accounting on the side. that's how it works in capitalism. anyway, today i bought strawberries, raspberries and cherries at the stand, and now i give my time to think about breaking my boycott. i didn't want to go shopping there after the asparagus scandal.
also, second confession, i saw football on tv. the tenthousands of people without masks and distance. actually it is unbelievable that organizations have the right to host such events for profit reasons. i wonder how many human lives it will cost. in any case, the numbers must be demonstrably related to the games. outbreaks in scotland, finland, great britain, russia. they are superspreaderevents. the rainbow flag is not welcome. here the numbers are increasing, albeit only slightly, but they are increasing.
the desire to travel is unbroken. nobody wants astra zeneca, the interval between vaccinations is too long, especially with a planned vacation. yesterday i read that general practitioners are no longer ordering this brand of vaccine because they cannot get rid of it. the confusion of the easing, the illogic that lies behind it, is called election campaign. the hot phase is underway, an ugly competition. which the conservative nonspeakers will probably win and we will go into a time of regression, in which economic interests and the lordship of the lobbyists are once again becoming part of the zeitgeist.
tag 479. ich habe meine boykotte gebrochen. bin heute morgen nach einem wunderschönen spaziergang im wald zu einem kleinen stand gefahren, an dem erdbeeren verkauft werden. sie sind von einem dieser großbauern hier in der gegend, die die felder mit folien planieren und ihre mitarbeiter*innen ausnutzen. so wie die planenbedeckten felder sich ausbreiten von jahr zu jahr, umso aggressiver wird geworben, umso größer wird das verkaufsgebiet. die menschen in hannover freuen sich über regionales obst, das in einem absolut perfektionierten verteilungssystem vertrieben wird. meine tochter hat in dem kleinen, ursprünglichen hofladen gearbeitet. dort hat vor etwa fünfzehn jahren der verkauf von selbstgekochter marmelade und spargel begonnen, wir sind auch oft hingefahren und haben dort eingekauft. meine tochter war dort für den verkauf zuständig. aber sie musste auch nachbestellungen aufnehmen und nebenbei die abrechnung machen. so geht das im kapitalismus. ich habe jedenfalls heute am stand erbeeren, himbeeren und kirschen gekauft, und nun schenke ich meine zeit dem denken über meinen boykottbruch. ich wollte nach dem skandal um den spargel nicht mehr dort einkaufen.
außerdem, zweite beichte, habe ich fußball gesehen im fernsehen. die zigtausend menschen ohne masken und abstand. eigentlich finde ich es so unfassbar, dass organisationen das recht haben, solche veranstaltungen stattfinden zu lassen, aus profitgründen. ich frage mich, wie viele menschenleben das kosten wird. die zahlen sind jedenfalls nachweislich in beziehung zu den spielen zu setzen. ausbrüche in schottland, finnland, großbritannien, russland. es sind superpreaderevents. die regenbogenfahne ist nicht erwünscht. auch hier steigen die zahlen, zwar nur leicht, aber sie steigen.
die reiselust ist ungetrübt. niemand möchte astra zeneca, der abstand zwischen den impfungen ist zu groß, vor allem mit einem geplanten urlaub. gestern habe ich gelesen, dass hausärzte keinen impfstoff dieser marke mehr bestellen, weil sie ihn nicht loswerden. die unübersichtlichkeit der lockerungen, die unlogik, die dahintersteckt, heißt wahlkampf. die heiße phase läuft an, ein unschöner wettbewerb. den vermutlich jener konservative nichtssager gewinnen wird und wir in eine zeit des rückschrittes gehen werden, in der wirtschaftliche interessen und das gutsherrentum der lobbyist*innen wieder zum zeitgeist werden.
day 476. fifth july. while the usa celebrated its independence day, v. and i spent the day of our wedding in a small coastal town that has been with us since the beginning of our common history. for me it was the first north sea town i visited, in a cold wind and in the heavy gray tones of the water. i had never seen one like this before, spoiled by the clear mediterranean sea, it seemed impossible to me to bathe in the gray. i was disappointed. today the open meadows behind the dykes, the horizontal lines of the sky and the tree chains in the distance are familiar and i am happy to drive the winding road towards the port. curves make no sense here for someone like me who comes from a hilly, wooded area, i don't see any tectonic cause for an area crossed by curves. the saturation of the gray tones and the special light reflection must be discovered through slowness. the view does not change from minute to minute, as in the south, and curiosity about what is behind the curve dissolves in the wide angle of the plain. it took me many years to love the beauty, to be still and just look at the reflecting surfaces on the exposed bottom of the sea. actually i prefer to come here in spring, despite the freezing cold, there is more silence to be found and people are moving away from each other.
we always go the same path. eat the same cake in the old kurhaus, look forward to a free space on the terrace. before the pandemic we came here in the summer of the last few years for a festival, the stages on the water or in the sand between the kurhaus and the rising and falling sea. depending on the tide, the room became larger or smaller, everyone strolled barefoot from one place to another, sat on their dinghies or applauded from the water, while the artists sang ecstatically towards the evening sky and promised to come back to this magical place next year. it is the same for us, the anticipation for the day between music and the sea is great. on the campsite by the coffee shop, i roll over the announcement and look for new people to be discovered, whose music we would drift through the night. in the first few years i still had the impulse to dance through it in the circus tent, now i'm looking forward to my sleep at midnight. last year we actually wanted to go there with our daughters, of course there was no festival. this year it should now take place as a model project. we have no place to sleep and withdraw, that concerns me even more than the question of whether i really want to go there at the moment.
the numbers are rising again, everywhere and here too. in addition to the new variant, which is simply much more contagious, the mobility and high number of approved football fans who are on the road in europe's stadiums without masks and distance are responsible. delta. i briefly hoped to write about other things in this place, but the loop continues. as long as there is no revocation of vaccination patents, no sensible implementation of the rules and no economic advantages, many people will die. of corona. here, in this rich country, vaccination doses are left lying around because people do not need to cancel their vaccination appointments. where do we actually live?
tag 476. fünfter juli. während die usa ihren unabhängigkeitstag feierten, haben v. und ich den tag unserer vermählung in einem kleinen küstenort verbracht, der uns seit beginn unserer gemeinsamen geschichte begleitet. für mich war es der erste nordseeort, den ich besucht habe, in einem kalten wind und in den schweren grautönen des wassers. ein solches hatte ich noch nie zuvor gesehen, verwöhnt durch die klaren mittelmeerwasser schien es mir unmöglich, in dem grau zu baden. ich war enttäuscht. heute sind die die weiten wiesen hinter den deichen, die horizontalen des himmels und der baumketten in der ferne vertraut und ich bin glücklich, die kurvenreiche straße richtung hafen zu fahren. kurven machen hier gar keinen sinn für jemanden wie mich, die aus einer hügeligen, bewaldeten gegend kommt, ich erkenne keine tektonischen ursache für eine von kurven durchkreuzte fläche. die sattheit der grautöne und die besondere lichtreflexion muss durch langsamkeit entdeckt werden. die aussicht ändert sich nicht, wie im süden, von minute zu minute und die neugier auf das hinter der kurve löst sich im weitwinkel der ebene auf. ich habe viele jahre gebraucht, um die schönheit zu lieben, still zu sein und einfach die spiegelnden flächen auf dem freigelegten grund des meerbusens zu betrachten. eigentlich komme ich lieber im frühjahr hierher, trotz der eisigen kälte, es ist mehr ruhe zu finden und die menschen gehen sich aus dem weg.
wir gehen den immergleichen pfad. essen den gleichen kuchen im alten kurhaus, freuen uns über einen freien platz auf der terrasse. vor der pandemie sind wir im sommer der letzten jahre hiergekommen zu einem festival, die bühnen auf dem wasser oder im sand zwischen kurhaus und steigendem und fallenden meer. je nach tide wurde der raum größer oder kleiner, barfuss schlenderten alle von einem ort zum anderen, saßen auf ihren jollen oder applaudierten aus dem wasser, während die künstler*innen verzückt richtung abendhimmel sangen und versprachen, im nächsten jahr wiederzukommen an diesen magischen ort. so geht es uns auch, die vorfreude auf den tag zwischen musik und meer ist groß. auf dem campingplatz beim kaffe wälze ich dann das ankündigungsheft und suche neuzuentdeckende menschen, zu deren musik wir uns durch die nacht treiben lassen. in den ersten jahren hatte ich noch den impuls, diese durchzutanzen im zirkuszelt, nun freue ich mich um mitternacht auf meinen schlaf. letztes jahr wollten wir eigentlich mit unseren töchtern dorthin, natürlich gab es kein festival. dieses jahr soll es nun stattfinden, als modellprojekt. wir haben keinen platz zum schlafen und uns zurückziehen, das beschäftigt mich gerade noch mehr als die frage, ob ich derzeit wirklich dort hinmöchte.
die zahlen steigen wieder, überall und auch hier. neben der neuen variante die einfach viel ansteckender ist, macht man die mobilität und hohe zahl der zugelassenen fußballfans verantwortlich, die ohne masken und abstand in den stadien europas unterwegs sind. delta. ich hatte kurz die hoffnung, mich an diesem ort hier mit anderen dingen zu schäftigen, doch die schleife zieht sich weiter. solange es keine aufhebung der impfpatente gibt, keine vernünftige durchführung der regeln und ein verzicht auf wirtschaftliche vorteile, werden viele menschen sterben. an corona. hier, in diesem reichen land, bleiben impfdosen liegen, weil die menschen es nicht nötig haben, ihre impftermine abzusagen. wo leben wir eigentlich?
tag 457. das zählen in tagen seit dem ersten lockdown verortet sich in mir als genau das, was die pandemie ist: eine reihe von zahlen, in denen die tage ihre kontur verlieren und sich in ungläubigkeit verhaften. so ist es mit den toten und den noch viel größeren reihen der globalen zahlen, neben denen die spuren der nebenfolgen sich einreihen. so abstrakt wie zahlen ist das alles hier und es ist es nicht, es ist bitterer ernst. alles wird geöffnet, während sich die deltavariante anschleicht. meine töchter werden diese woche geimpft und in ehrlicher, egoistischer freude fühle ich große erleichterung. die verletzungen der seelen bleiben, bei uns allen.
das erste mal ein restaurant besucht, der hund unter dem tisch. habe es genossen, freiheit gefühlt. das breite fallen der masken fühlt sich falsch an, zu viele menschen an einem ort auch. es ist eine gleichzeitigkeit, die mich erschreckt und nicht zu den tatsachen passt.
nun ist sommer. will meine füße in die eisige kälte des kneippbeckens hängen, das fühlt sich an wie die bäche meiner kindheit. während ich mir das leben schön lebe, denke ich viel über die spaltung nach, die sich durch alles zieht. im sachunterricht versuche ich, das verstehen von raum der welt vom großen ins kleine zu lehren. es ist diametral zu den üblichen vorgehensweisen, die sich die vom mikrokosmos der nachbarschaft in größere einheiten bewegt. das ist eine klassische vorstellung der horizonterweiterung, die davon ausgeht, dass verstehen durch die eigene, wachsende mobilität passiert. ich denke, die abstraktion einer weltkugel, die inneren bilder und landkarten eines einzelnen menschen hervorzulocken schafft grundlagen für ein globals denken und für das wahrnehmen anderer, ebenbürtiger vorstellungen. wenn die kinder in den karten der anderen etwas von sich entdecken, treten sie in den diskurs und beginnen einen kreativen prozess, der ihnen ermöglicht, die welt zu erkennen. wenn die gesamtheit der welt als idee in ihnen angelegt ist, beginnen wir mit den ausschnitten, die immer kleiner werden und am ende vor unserer tür enden.
warum denke ich darüber nach? weil ich überzeugt bin, dass es für alle nur so gehen kann, die wie ich in einer privilegierten, reichen, sicheren welt leben und zeit haben, über mehr nachzudenken als über das überleben. eine person, die das tut und von mir als scharfsinnigste, weitsichtigste und friedensorientierteste weiblich gelesene publizistin verehrt wird, ist c.emcke. sie hat das buch gegen den hass geschrieben und sie ist sicherlich jemand, der weit über ihren tellerand gesehen hat, wenn dies die scheibe der welt sein sollte. nun hat sie sich geäußert, bei dem parteitag der grünen und gesagt: " es wird sicher wieder von elite gesprochen werden und vermutlich werden es dann nicht die juden und kosmopoliten, nicht die feminist*innen oder die virolog*innen sein, vor denen gewarnt wird, sondern die klimaforscher*innen." man hat sie daraufhin in der konservativen presse und von entsprechenden politiker*innen als antisemitistisch bezeichnet. so funktioniert demagogie. täglich lese ich neue beispiele. dies hat dem ganzen einen twist gegeben, den ich nur schwer wegdenken kann. weil genau das passiert, was sie beschreibt. und was hier passiert. dinge, menschen, meinungen verlieren ihre kontur, die grenzen weichen auf.
day 457. counting in days since the first lockdown locates itself in me as exactly what the pandemic is: a series of numbers in which the days lose their shape and become arrested in disbelief. comparable with dead rate and the much larger series of global numbers, alongside the traces of side effects line up. everything is as abstract as numbers and it is not, it is bitterly serious. great opening while the delta variant sneaks up on it. my daughters will be vaccinated this week and with honest, selfish joy i feel great relief. the hurts of souls remain with all of us.
visited a restaurant for the first time, the dog under the table. enjoyed it, felt freedom. the end of wearing masks feels wrong, too many people in one place too. it is a simultaneity that frightens me and does not match the facts.
now it is summer. want to hang my feet in the icy cold of the kneipp pool, it feels like the streams of my childhood. while i am living my life beautifully, i think a lot about the division that runs through everything. in my elemtary classes i try to teach the understanding of the space of the world from the big to the small. it is diametrically opposed to the usual procedures, which moves from the microcosm of the neighborhood into larger units. this is a classic idea of broadening horizons, which assumes that understanding happens through one's own growing mobility. i think that the abstraction of a globe, to lure out the inner images and maps of a single person, creates the basis for global thinking and for perceiving other, equal ideas. when the children discover something of themselves in the other's cards, they step into the discourse and begin a creative process that enables them to recognize the world. when the totality of the world is laid out in you as an idea, we start with the excerpts that are getting smaller and smaller and end at our door.
why am i thinking about it? because i am convinced that this is the only way for everyone who, like me, lives in a privileged, rich, safe world and has time to think about more than just survival. a person who does this and who is venerated by me as the most astute, farsighted and peace-oriented female publicist is c.emcke. she wrote the book against hatred and she is certainly someone who has seen far beyond the boundaries of her own plate if this should be the disc of the world. Now she has spoken out at the party convention of the Greens and said: "It will certainly be spoken of again by the elite and then it will probably not be the jews and cosmopolitans, not the feminists or the virologists, who are warned about , but the climate researchers." She was then called anti-semitist in the conservative press and by relevant politicians. this is how demagoguery works. i read new examples for this strategy every day. this gave the whole thing a twist that i can hardly argue away in my thoughts. because exactly what she describes happens. and what's happening here. things, people, opinions lose their shape, the boundaries are softening.
tag 449. der sommer kriecht hervor. wir haben den gartentisch aus dem keller nach oben gebracht, mit blumen bestückt und auf das gemähte gras gestellt. die rosen brechen auf, der lavendel sucht die sonne, es ist grün und grüner, bunter, schöner. ich liebe diese zeit im garten. die inzidenz sinkt und sinkt, sie verschwimmt wie eine fata morgana. dèja vu aus dem vergangenen jahr. da wurde es sommer und wir wurden leicht. vor einem jahr auf der windinsel im mohn waren es nur die treffen mit anderen menschen. die so unbeschwert und maskenfrei durch die gegend liefen und ich mich fürchtete. da waren es noch stoffschals, tücher, die man sich um das kinn legte. meine unbeschwertheit des mohnblicks hat sich verloren. in mir hat sich eine tiefe unruhe festgesetzt, die sich in den mengen ausbreitet. ich weiß nicht, ob ich in konzerte gehen will. muss wieder lernen, eine andere zu sein. weiß gar nicht, ob ich gesellschaft wünsche. fühle keine sehnsucht nach museen. muss leben lernen. so viel müssen brauchen.
day 449. summer is creeping out. we brought the garden table up from the cellar, decorated it with flowers and placed it on the mowed grass. the roses break open, the lavender seeks the sun, it's green and more green, more colorful, more beautiful. i love this period in the garden. the incidence falls and falls, it blurs like a fata morgana. dèja vu from last year. it was summer and we got intrepidity. a year ago on the wind island in the poppies it was just meeting other people. who walked so carefree and mask-free through the area and i was afraid. there were still cloth scarves, shawls that you put around your chin. my light-hearted poppy-eyed look has been lost. a deep restlessness has settled in me, which spreads through the crowds. i don't know if i want to go to concerts. must learn again to be someone else. don't even know if i want company. don't feel longing for museums. must learn to live. need to need so much.
tag 436. heute ist der sechsundzwanzigste mai. gefühlt märz. dem langen, hellen abend nach kalter august. die zeit rennt uns davon, die zeit für sommer. auch wenn ich gestern eine wetterkarte gesehen habe mit einer karte der dürre, die sich quer durchs land, durch den kontinent, die welt zieht, wünsche ich mir, dass der regen aufhört. es müsste noch monate regnen, um die reserven wieder aufzufüllen und die böden vor austrocknung zu bewahren. sowie sich die dürre von einer region in die welt ausbreitete, so ist es mit dem virus, wir sehen und spüren nur das vor unserer tür.
die biergärten sind geöffnet, die schulen nicht. ich fühle scham. bin froh, dass ich keinen kindern erklären muss, warum sie nur tageweise in die schule kommen dürfen, warum sie die sehnsucht nach freude und spielen noch ein weilchen aushalten müssen. meine tochter hat mir erzählt, dass sie gestern zum ersten mal seit monaten wieder in der bibliothek ihrer uni war, ein fest gewissermaßen. tja, wenn es erstrebenswert ist, erst mal leute in kneipen zu treffen, um sich zu berichten, wohin die urlaubsreise geht, dann will ich nicht dabeisitzen. meine tochter arbeitet in einem cafe, dort gibt es nun keinen negativen nachweis als eintrittskarte mehr.
ich habe nichts verloren, nur zeit. das ist ein wahres luxusproblem. keine sorge um den arbeitsplatz. keine perspektivlosigkeit, außer jenen neurotischen hinterfragungen einer frau in der krise, die sich um ihre kinder und die familie sorgt, ihre freunde und das arge der welt beklagt.
day 436. today is the twenty-sixth of may. felt march. the long, bright evening after cold august. time is running out, time for summer. even though i saw a weather map yesterday with a map of the drought that stretches across the country, across the continent, across the world, i wish that the rain would stop. it would have to rain for months to replenish the reserves and keep the soil from drying out. as soon as the drought spread from a region into the world, so it is with the virus, we only see and feel that at our door.
the beer gardens are open, the schools are not. i feel ashamed - i'm glad that I don't have to explain to any children why they are only allowed to go to school for a day, why they have to endure the longing for joy and play for a while. my daughter told me that yesterday she was back in the library of her university for the first time in months, a party. well, if it is desirable to first meet people in bars to tell each other where the vacation trip is going, then i don't want to sit there. my daughter works in a cafe, there is no longer any negative proof as an admission ticket.
i haven't lost anything, just time. that is a real luxury problem. no worries about the workplace. there is no lack of perspective, except for the neurotic questioning of a woman in crisis, who worries about her children and family, about her friends and who complains the misery of the world.
tag 426. gestern war ein besonderer tag. das erste mal seit monaten ein treffen in bremen mit unseren guten freunden. ein reich gedeckter tisch in einem wunderschönen haus voller kunst. ein spaziergang am fluss, vorbei an schlendernden menschen hin zum wasser in eine kleine parzelle hinter dem see, so still und ruhig, ein ort zum schweigen. hier saßen wir in der sonne und sahen den blumen beim wachsen zu. ich hatte mich entschlossen, meine tochter im cafe zu besuchen, dort war ich zum ersten mal, überhaupt habe ich seit monaten das erste mal ein cafe betreten, um mir einen kaffee zu holen. freude, spontan sein zu können. sie zu überraschen, kurz zu sprechen. mit dem hund durch die starßen zu gehen richtung bahnhof, das erste mal zugfahren seit über einem jahr. als wir beide zuhause waren, kippte der hund im flur auf die fliesen und fiel in sekunden in den schlaf. ich nahm das sofa und blieb den ganzen abend dort, abgesehn von abendrunde und spaghetti kochen. so lebendig habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt, die stadt geatmet und einen hauch von der normalität gefühlt, die ich vergssen hatte. währenddessen kamen die fotos aus leipzig, meine tochter in bester gesellschaft, ein ganzes haus feierte auf balkonen, bis zum letzten lied des abends von der liebe zum leben. vielleicht, denke ich, geht es doch bergauf.
day 426. yesterday was a special day. we met our good friends in bremen for the first time in months. a richly laid table in a beautiful house full of art. a walk by the river, passed people strolling towards the water in a small plot behind the lake, quiet and calm, a place to be silent. there we sat in the sun and watched the flowers growing. i had decided to visit my daughter in the cafe on my way back. for the first time, i have actually entered a cafe to get myself a coffee for months. it was a pleasure to be able to be spontaneous. to surprise her, to speak fo a few minutes. walked with the dog through the streets in the direction of the train station, to travel by train in over a year. when we were both at home, the dog fell on the tiles in the hallway and fell asleep in seconds. i took the sofa and stayed there the whole evening, apart from the dog`s round and cooking spaghetti. i haven't felt as alive for a long time, breathing the city and feeling a touch of normality that i had forgotten. meanwhile some photos came from leipzig, my daughter in best company, a whole house celebrated on balconies until the last song of the evening about the love of life. maybe, i think, things are going up after all.
tag 421. es ist wie vor einem jahr, die simultanität von ereignissen füllen meinen kopf, mein herz und verbinden sich in losen schleifen von sätzen und wörtern. in jerusalem ist die hölle los. in indien. der mai sitzt in den apfelblüten und lässt nur kurze momente von frühling in uns wach werden, morgens, wenn die vögel zwitschern, in den leuchtenden farben der wiesen, die sich nicht abschrecken lassen, in brenneder sonne, wenn sie durchkommt. heute hätte mein Vater Geburtstag. in ein paar tagen ist der todestag meiner großmutter. laute stimmen fordern impfprivilegien, während die meisten menschen noch auf die erste spritze warten. mir fehlt solidarität, die doch so lange eingehalten wurde von den Jungen, nun scheint es egal und sie sind doppelt benachteiligt. meine töchter kämpfen mit ihren gefühlen, mit niedergeschlagenheit, mit fehlender perspektive und ich kann sie nicht trösten, nur zuhören, wenn mein telefon klingelt. ich verstehe sie, ich fühle mit ihnen für alle in ihrer situation.
leider ist das alles, die ganze coronapolitik verkommen zu wahlkampf um stimmen. die abstände zwischen den impfungen sollen verkürzt werden, um sommerurlaub zu gewähren. während noch nicht einmal die mitarbeiter*innen in den supermärkten ein angebot haben, klicken sich die menschen durch reiseziele, die preise sind deutlich gestiegen. in unserem bundesland dürfen wir ab heute reisen, in ebendiesem bundesland oder ins ausland. neben den geschäftsskandalen um masken, an denen zahlreiche menschen sehr viel geld verdient haben, entsteht nun ein markt mit impfpassfälschungen und impfberechtigungen. fassungslos.
das verfahren gegen den Nazi, den ich angezeigt hatte, wurde eingestellt. ich kenne nun seinen namen, er meinen hoffentlich nicht. er ist recht bekannt in der szene. überall erlauben sich mittlerweile sogenannte gemäßigte, öffentlich andere menschen zu diffamieren und rechte thesen zu vertreten, die beiden weltkriege als rettung der welt zu verkaufen und alles, was sich in anders kategorisieren lässt zu bekämpfen. gerade in diesen tagen, den erinnerungsmomenten des endes eines faschistischen regimes. es hat nie aufgehört, ich weiß das und habe angst, in meinem kopf.
day 421. it's like a year ago, the simultaneity of herrissens belongs to my head, my heart and myself in loosely loops of sentences and words. hell in jerusalem. in India. may of work in the apple blossoms and the brief moments of spring wake up in us, in the morning when the birds are chirping, in the shining dark of the meadows that cannot be deterred, in the burning sun when they step through. today is my father's birthday. my grandmother's death will be in a few days. hearing loud calls for vaccination privileges, the tallest people still have to wait for the first injection. i lack solidarity, which has been seen for so long by the boys, now it doesn't matter and they happened to be heard. my daughters struggle with their feelings, with dejection, with disappointing prospects and i cannot comfort them, only listen when my phone rings. i feel empathy for them and everyone in this situation.
unfortunately, that's all, the whole corona policy degenerated into an election campaign to be heard. the intervals between vaccinations should be shortened in order to be part of summer vacation. if the employees in the supermarkets don't even have to have an offer, people click their way through travel destinations and the prices are pronounced. from today we are alloud to travel in our state lower saxon, or abroad. in addition to the scandals about masks, in which many people earned a lot of money, there is now a market with falsified vaccination certificates and vaccination permits. stunned.
the case against a nazi, which i filed charges, was discontinued. i now know his name, hoping that my adress wasn`t published. he is well known in the scene. especially in these days, the following moments of the end of a fascist regime, this all is horrible. i'm scared in my head.
tag 365 plus 28. langsam tauche ich auf aus dem nebel von erinnern und vergessen. es ist kalt, so kalt, dass mich kleine gelbe blütenköpfe überraschen, wenn ich die morgenrunde drehe, begleitet von eisigem wind, der mir die tränen in die augen treibt. im morgengrauen höre ich die amseln, die sonne weckt mich. wenn ich die ersten stufen hinuntergehe richtung kaffee, liegt die welt im strom der gleichförmigkeit. dann erwachen meine gedanken und ich suche die zahlen. die sind ein morgenritual, das mich einstimmt auf die weiteren nachrichten, denen ich mich nicht entziehen kann. am jahrestag meiner persönlichen chronik war ich leer und deprimiert, enttäuscht von den unlogischen und fast verweigernden maßnahmen der politik. es schien mir keine perspektive zu geben. die ist mir noch nicht klar, was die ferne zukunft betrifft, doch ich fühle wieder, dass jeder tag ohne sars, jede woche ohne positve tests wertvoll ist und ich bin dankbar, dass meine kinder, die familie, menschen um mich herum nicht krank geworden sind. viele leute sagen, dass sie keine nachrichten mehr sehen, aber mich lässt es an der welt teilhaben hier in meiner zurückgezogenheit. nun habe ich mir die dokumentation über die intensivstation dreiundvierzig angesehen und die unermüdlichkeit, die wertschätzung, kraft und hoffnung aller menschen dort haben mich tief bewegt. es gibt keine anklage, keine vorwürfe, sondern nur ein wir, ein weiter. und wenn ich angesichts dieser menschen, den kranken, dem team mit dafür sorgen kann, dass ein mensch weniger dort liegen muss, ist es doch leicht, zuhause zu bleiben und alle maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind. da ist verzicht ein mitgefühl.
ich muss zugeben, dass es mich auch raus zieht. gestern wäre ich gerne zu einer demonstration gegen die spaziergänger in der kleinen nachbarstadt gegangen. jene spaziergänger versammeln sich montags angeblich, um den einsamen und kranken menschen hoffnung zu geben, in wahrheit gehören sie zu den leugnern und den rechten kräften hier in der gegend. wir sind ein hinterland. unbeobachtet, in dem sich seit langer zeit libertäre gedanken sammeln und in der deckung der nacht brandanschläge verüben. vor ein paar wochen hatte ich selbst eine unerfreuliche begegnung mit einem nazi, ist im sand verlaufen, weil ich ihn nicht eindeutig identifizieren konnte. gestern wäre ich also gerne dabei gewesen, bei den hundertfünfzig, die sich getroffen haben und habe mich aus vernünftigen gründen dagegen entschieden. heute morgen habe ich erfahren, dass es polizeiliche übergriffe gab und menschen verletzt wurden. das, was ich in leipzig, hamburg, bremen für geradezu alltäglich halte, findet nun in der nachbarstadt statt. es ist wie mit sars. in der enge des denkens in weite ferne gerückt in dieser ländlichen, weiten und unterdurchnittlich betroffenen gegend, gleichwohl wissend, dass es sich überall ausbreitet. sars und libertäres denken, handeln. ich vergaß den klimawandel, wirbelstürme über australien. dreifache katastrophe.
tag 365. ein jahr. heute vor einem jahr habe ich meinen ersten eintrag in das tagebuch geschrieben. ich erinnere mich, dass es ein außergewöhnlicher tag war. wir hatten den ersten lockdown, etwas gespenstisch stilles lag über der welt um mich. nun habe ich seit fast zwei monaten nicht geschrieben. in mir zwar worte, aber auch eine dumpfe taubheit, der die energie fehlte, zu sagen. ich beobachte diese taubheit außerhalb meiner trauer überall. wir haben uns eingerichtet in dieser stille. sie hat etwas zeitloses und der gedanke, dass dieses eine jahr so lange und gleichzeitig so kurz scheint, verschmilzt zu einer wahrnehmung, die sich manifestiert in der idee, dass es schon immer so war. mittlerweile strengen mich kontakte noch mehr an als früher, ich habe keine euphorischen ideen, wie ich die zeit sinnvoll nutze. es ist für etwas gut, dass diese gefühlte dauerhaftigkeit im vordergrund steht: sie macht die weitere aussicht zumindest für einen augenblick erträglich. sehen wir zurück, so gab es insgesamt etwa sechstausend bestätigte fälle von corona, im verlauf eines tages elfhundert. etwas mehr als hundert menschen waren gestorben. am tag vor einem jahr wurden die grenzen und schulen geschlossen. heute meldet meine app fünftausendvierhundertachtzig neuinfektionen und zweihundertachtunddreißig todesfälle innerhalb der letzten vierundzwanzig stunden. es sind wenige, im vergleich zu den donnerstagen. heute ist dienstag. vor einem jahr hätten diese zahlen mich in angst versetzt, die gestorbenen haben mich weinen lassen. nun sind sie namenlos, sie tauchen als lettern auf. ihnen wird von den kerzen im fenster abgesehen kein gesicht gegeben. noch verdrängen wir sie aus dem kollektiven gedächtnis, aus unfähigkeit, gemeinsam zu trauern. denn wir würden den ernst der lage vor unserer tür als ein präsentes, uns betreffendes phänomen erkennen und möglicherweise die hoffnung aufgeben, dass wir verschont werden.
lange zeit habe ich die politik in schutz genommen, die schritte der minister*innen schienen mir plausibel und angemessen, voran frau merkel, die sich von einer persönlichen, besorgten seite gezeigt hat. nun kommen doch immer mehr fragen auf, die impfstoff, masken, die logistik und nicht eingehaltene versprechen betreffen und beantwortet werden wollen. die deutsche bürokratie steht sich selbst im weg. die entscheidungen werden getroffen, bevor eine infrastruktur geschaffen ist. dass es selbsttest beim discounter gibt, und nur da, ist ein beispiel. es ist eine typisch politiker*innenschlaue taktik des schweigens im reden. dass fehlern dazugehören, ist klar. es war nicht abzusehen, nicht zu berechnen, wie es laufen würde, nur marginal. die phrasen der redenschreiber*inenn haben unsere gewohnheiten in allzu unklare bahnen gelenkt. dass ein impfstoff probleme bereitet, wurde klein geredet. dass zu wenig impfstoff bestellt wurde, nicht unumwunden zugegeben. die kosten für externe gutachten der regierung sind um fünzig prozent gestiegen, während die wissenschaftstreue sinkt. so hat man die menschen auf weihnachten vertröstet, nun auf ostern, sehenden auges, obwohl die zahlen steigen und die nächste welle kommt, bereits da ist. wir verlieren geschäfte, existenzen, perspektiven. die versprochenen zahlungen kommen nicht an, werden ausgesetzt, weil andere sich daran bereichern. die wut steigt, die verzweiflung, die trauer und depression. wir verlieren menschen, die hätten geimpft sein können, die man hätte schützen können durch kontaktreduzierung. heute sind die schulen teileise geöffnet, die plätze auf dem gartencenterparkplatz voll, die einkaufswägen begrenzt. vor einem jahr bin ich sechs wochen lang nicht einkaufen gegangen, maskentragende wurden verspottet. heute gehe ich einkaufen für weniger als eine woche vorrat, nehme termine wahr und verbringe die abende neben meinem mann vor dem fernseher, während unser hund schläft und sehe mir die meldungen des tages an. ich bin irgendwie stumpf geworden.
tag 317. es schneit. nur ein paar flocken, keine rede von richtiger winterpracht. wenn ich daran denke, dass heute vor vielen nahen, langen jahren an einem solchen wintertag die letzten überlebenden aus der perfektionierten maschinerie des tötens befreit wurden, taucht eine große, laute stille in mir auf. viele der letzten menschen, die augenzeugen einer unvorstellbaren grausamkeit wurden, fallen dieser pandemischen krankheit anheim, in israel sind es neunhundert. seit ich jung bin, beschäftigt mich die frage, wie ein mensch diese zeit so in sein leben integrieren konnte, dass es ein weiter gab. frage mich, wie menschen hierher kommen, hier wieder ein leben führen konnten unter nachbarn, die sie verraten hatten. in einer gesellschaft, in der die ehemaligen anhänger des wahnsinnigen, seine folgschaft, sein fußvolk erfolgreich in den wiederaufbau eingebunden wurden, lehrer*innen, ärzt*innen, richter*innen wurden. in der das schweigen sich wie ein deckmantel über den wohlstand legte und von allen getragen wurde. vor kurzem habe ich erfahren, dass die straße, durch die ich so oft laufe, adolf-hitler-straße hieß. in diesem ort gibt es keine mir bekannte aufarbeitung. während wir versuchen, das nichtvergessen zu erhalten, müssen wir doch einmal anfangen, diesen mantel zu lüften und fragen zu stellen. es erscheint mir fast absurd, dass ich gestern einen brief meiner großmutter gefunden habe, in der sie den weg meines großvaters an die verschiednen fronten des krieges skizziert. ich weiß nun, dass er in russland war, dass er in der normandie verletzt wurde, vielleicht war er in carentan, während der invasion, neun monate lazarett und dann wieder dorthin, wo er in französische gefangenschaft genommen wurde, während man in den lagern noch tausende menschen umbrachte. die simultanität der gewalt, die der inbegriff von krieg ist, lässt ein so unfassbares ausmaß an leid in die welt, in die menschen, kinder, gedanken und körper dringen, die doch nicht vergessen sein können, wir haben sie als erbe in uns während wir den kriegen der welt, den strömenden flüchtenden zusehen und zulassen, dass wutreden, verschwörungsmythen und die idee von den anderen in die folgenden generationen gelenkt werden, die ja gar keine ahnung vom schweigen und der lauten stille in der seele jener menschen haben. ich fühle mich, als wäre es meins. ich kann mich davon nicht trennen. weder von der immer wieder relativierten ns-vergangenheit meines großvaters als auch von dem, was hier, was in europa passiert ist. dafür gibt es keinen frieden. keine vergebung.
day 317. it's snowing. only a few flakes, no talk of real winter splendor. when Ii think of the fact that many long, long years ago today, on such a winter day, the last survivors were freed from the perfected machinery of killing, a great, loud silence emerges. many of the last people to witness an unimaginable cruelty fell victim to this pandemic disease, in israel there are nine hundred. since i was young i have been concerned with the question of how a person could integrate this time into his life in such a way that there was a continuation. i wonder how people came here, how they could live here again among neighbors who had betrayed them. in a society in which the former followers of the madman, his followers and his rank and file were successfully integrated into the reconstruction, becoming teachers, doctors, and judges. in which the silence lay like a cloak over prosperity and was borne by everyone. i recently found out that the street i walk through so often was called adolf-hitler-strasse. in this place there is no work-up that i know of. while we try not to forget, we have to start to ventilate this mantle and ask questions. it seems almost absurd to me that i found a letter from my grandmother yesterday in which she outlined my grandfather's path on the different fronts of the war. i now know that he was in russia, that he was injured in normandy, maybe he was in carentan, during the invasion, nine months hospital and then back to where he was taken prisoner by french while they were still in the camps killed thousands of people. the simultaneity of violence, which is the epitome of war, allows such an unbelievable amount of suffering to penetrate the world, into the people, children, thoughts and bodies that cannot be forgotten, we have them as inheritance within us while we are watch the wars of the world, the flowing fleeing people and allow rage, conspiracy myths and the idea to be steered by the others into the following generations, who have no idea of the silence and the loud silence in the souls of those people. i feel like it's mine, i can't part with it. neither from my grandfather's past, which has been relativized again and again, nor from what happened here, what happened in europe. there is no peace for that. no forgiveness.
tag 311. heute ist ein tag der zweifel. ich frage mich, während ich durch den sturm laufe, welchen sinn all mein schaffen hat. fühle mich als hochstaplerin, die kämpft um etwas, das ihr nicht zusteht. so geht es in den letzten tagen auf und ab, wie mit dem wetter. der wochenstart war gut, die aussicht auf politische beruhigung in den usa erfreulich, die bevorstehenden maßnahmen zur verlängerung des lockdowns zu erwarten. wenn ich darüber rede, ist es so, als könne ich es ganz gut annehmen. so wie vieles, das ich nicht ändern kann. meine negativen gefühle dazu werden flacher, ich muss nicht in eine meditative wirklichkeit tauchen, um selbstüberzeugung zu leisten. ich fühle mich dann stark und klar. es ist wie mit meiner trauer, jener vorweggenommenen verabdschiedung, die ich klarer und ebenso schmerzhaft fühle. die erwachsen geworden ist. die erkennt, dass es nicht möglich ist, auf den letzten metern aus einer ungewöhnlichen beziehung eine normale, alltägliche zu machen. so sehr ich früher andere familien beneidet habe um ihre sonntagsbesuche, um die gemeinsam verbrachten feiertage und geburtstage, so sehr habe ich an den abgründen vorbeigesehen, die auch in diesen familien aus dem nebel auftauchen. für eine situation der krankheit, in der das mal eben vorbeigehen ein schöner abwechslungsmoment ist, gibt es kaum alternativen. erinnerungen sind eine hilfe, gemeinsame zeit wiederzubeleben auch. der dienstag hat mich dann aus der bahn geworfen. meine tochter kurzentschlossen aus der stadt im osten weggefahren, ein verdachtsmoment im hintergrund. wir haben entschieden, diese zeit gemeinsam durchzustehen, daran erinnern wir uns immer wieder und ich bin froh über die eindeutigkeit meines gefühls dabei. kaum die entscheidung geteilt, eine nachricht aus dem süden, mein vater im krankenhaus, mit verschiedenen unerfreulichen verdachten. zerissen, was zu tun, atmen, wägen, warten, bangen. abends war er wieder zuhause, es geht ihm schlecht und ich fühle mit ihm, während ich meine tochter ins haus kommen sehe, keine umarmung, ferne. abends dann die beschlüsse, verlängerung, schulen wie bisher problematisch. habe noch einen zehnerpack ffp2 gekauft, wir haben die kühlschränke gefüllt am mittag. schäme mich für meinen luxus, ich kaufe einfach diese masken, ich habe zwei kühlschränke. gerade einen bericht über geflüchtete gehört, die keine leistung beziehen, keine formulare ausfüllen könne, kein amt besuchen können, weil alles geschlossen ist. ehrenamtliche helfer*innen ziehen sich zurück, selbst oft aus risikogruppen wie ich. gestern nun das ende eines spuks, so hoffe ich. der beginn einer guten zeit hoffe ich, getragen von den stimmen der vielfalt. meine kunst macht mich traurig, ich sitze in meinem atelier, sorge für momente der freude, die aus einer einsamkeit geboren ist, die jene melancholie, die ich liebe, übersteigt. ich zweifle auch an meinen plänen für das danach, diese großspurigen absichten sind doch nur zum träumen gedacht. vielleicht muss ich wieder mehr schreiben, um mich zu finden.
day 311. today is a day of doubt. Aas i was walking through the storm, i wondered what is the point of all of my creating. i feel like a con man who fights for something that is not her rightful. so it goes up and down in the last few days, like with the weather. the week got off to a good start, the prospect of political calm in the usa encouraging, and the imminent measures to extend the lockdown to be expected. when i talk about it, it's like I'm pretty good at accepting it. just like a lot that i can't change my negative feelings about it become flatter, i don't have to dive into a meditative reality to be convinced of myself. then i feel strong and clear. it's like my grief, that anticipated goodbye that i feel more clearly and just as painfully. who has grown up. who realizes that it is not possible in the last few meters to turn an unusual relationship into a normal, everyday one. as much as i used to envy other families for their sunday visits, for the holidays and birthdays they spent together, i looked past the abysses that also emerge from the fog in these families. there are hardly any alternatives for a situation of illness in which just passing by is a nice moment of change. memories also help to revive time together. tuesday threw me off the rails. my daughter left the city in the east on the spur of the moment, a suspicion in the background. we have decided to get through this time together, we remember it again and again and i'm happy about the clarity of my feeling about it. hardly shared the decision, a message from the south, my father in the hospital, with various unpleasant suspicions. tear what to do, breathe, weigh, wait, fear. in the evening he was back home, he feels bad and i feel for him while i see my daughter coming into the house, no hug, far away. in the evening then the resolutions, extension, training as before problematic. i bought a ten pack of ffp2, we filled the fridge at noon. ashamed of my luxury, i just buy these masks, i have two fridges. i just heard a report about refugees who do not receive any benefits, cannot fill out forms, cannot attend an office because everything is closed. volunteers withdraw, often even from risk groups like me. yesterday now the end of a spook, i hope. i hope the beginning of a good time, carried by the voices of diversity in america. my art makes me sad, i am sitting in my studio, providing moments of joy that is born out of a loneliness that transcends the melancholy that i love. i also doubt my plans for what follows, these cocky intentions are only meant to be dreamy. maybe i'll have to write more to find myself.
tag 301. der winter hat sich zumindest in seiner schönheit verzogen. dass leuchten der felder ist dem geruch nach erster düngung gewichen, es nieselt ohne unterlass. die grautöne des nordens mischen sich mit den ausdünstungen der tiere, ich frage mich, wieso der mist jetzt schon ausgebracht wird, es ist noch kein jahr vorbei. fühle dankbarkeit, dass ich hier ohne plan sitzen kann, dass ich mir erlauben kann, meine gesundheit an erste stelle zu setzen und mich nicht noch mehr überlegungen und sorgen aussetzen muss. daneben läuft ein gedankenstrang, der die bilder der lager, der boote, der kälte und meine wohlständige spendenbereitschaft aufblitzen und mich mich selbst verurteilen lässt. mein widerstand ist ein luxuriöser. ein schweigender. ich schwanke. zwischen der freude, teil eines waldes zu werden, mich ohne nachzudenken spendenaufträge ausfüllen zu lassen, und der inneren Stimme, die eine spöttische bemerkung macht, so bin ich auf der suche nach mir selbst. es gibt kein zurück. ich kann nicht mehr die sein, die ich vor ein paar wochen, vor ein paar jahren war. der rhythmus des alltags, noch strukturierter und gleichförmiger als vor dem lockdown, hat etwas beruhigendes und zugleich nebliges. so sehr ich mich an die einsamkeit, das schweigen, die punktuellen begegnungen mit menschen, die leise und stetige bewegung des rückzugs gewöhnt habe, so sehr flacht sie meine impulse ab. rauszugehen. die nachbarin anzurufen, ob sie mit mir und den hunden spazieren gehen will. dinge anzufangen. mein radius wird kleiner, während ich meinen kopf und mein herz mit büchern und informationen fülle. ich weiß nicht wohin damit. heute habe ich ein bild gepostet aus dem letzten jahr. während der vorbereitung wurde mir klar, welche erinnerungen ich damit heruasgeholt habe aus den tiefen meines gehirns, beim malen. jenen winter, als es eine kältewelle gab. eisig, klirrend. wir sind ans meer gefahren und standen am strand von schillig, unter uns die gischt mit packeis, ein tiefer, dumpfer wind in den knochen. ich hatte davor nur einen gletscher in alaska gesehen, mit tiefblauweißem strahlen, von dem stücke ins meer barsten. dieses graue meer, die nordsee, bedeckt von eisschollen, hat nach fünfundzwanzig jahren einen platz in meinen bildern gefunden. vielleicht ist es immer so, dass die ereignisse, gedanken, informationen, das was ich lerne und das, was ich tue, schaffe, sich aufeinander zu bewegen und ich einfach lernen muss, geduld zu haben, bis sie sich gefunden haben. es ist wie mit dem schreiben, ich weiß, fühle, dass in mir eine geschichte ist, die erzählt werden muss, aber sie kommt noch nicht raus. die worte warten in meinem kopf, die hände liegen bereits auf der taste und ich muss warten. muss warten, bis ein ungedachter impuls die bewegung und ein wort zusammenführt und ich erst hinterher die spur dazu, den namen, das thema finde.
day 301. the winter has at least gone away in its beauty. the glow of the fields has given way to the smell after the first fertilization, it is drizzling incessantly. the gray tones of the north mix with the vapors from the animals, i wonder why the dung is already being spread, it's not a year over yet. i feel grateful for beeing here without a plan, for allowing myself to put my health first and not have to expose myself to even more considerations and worries. next to it runs a line of thought that flashes the images of the camps, the boats, the cold and my willingness to donate and make me judge myself. my resistance is a luxurious one. a silent one. i'm swaying between the joy of becoming part of a forest, letting myself fill out donation orders without thinking, and the inner voice that makes a mocking remark, i am looking for myself. there is no turning back. i can't be who i was a few weeks ago, a few years ago. the rhythm of everyday life, even more structured and uniform than before the lockdown, has something calming and at the same time foggy about it. as much as I've got used to the loneliness, the silence, the occasional encounters with people, the quiet and steady movement of retreat, so much does it flatten my impulses. go out. to call the neighbor if she wants to go for a walk with me and the dogs. to start things. my radius is getting smaller as i fill my head and heart with books and information. i don't know what to do with it. today i posted a picture from last year. during the preparation, it became clear to me which memories i had brought up from the depths of my brain while painting. that winter when there was a cold spell. icy, clinking. we drove to the sea and stood on the beach of schillig, below us the spray with pack ice, a deep, dull wind in our bones. before that i had only seen one glacier in alaska, with deep blue and white rays, pieces of which burst into the sea. this gray sea, the north sea, covered by ice floes, has found a place in my pictures after twenty-five years. maybe it is always the case that the events, thoughts, information, what i learn and what i do manage to move towards each other and i just have to learn to be patient until they find each other. It's like writing, i know, feel that there is a story inside of me that needs to be told, but it's not coming out yet. the words are waiting in my head, my hands are already on the key and i have to wait. i have to wait until an unthought-of impulse brings the movement and a word together and only afterwards I can find the trace, the name, the topic.
tag 294. heute ist der vierte januar. assange wird nicht an die usa ausgeliefert. wir haben uns in ein neues jahr geschlichen, ganz still und tanzend. zweitausendeinundzwanzig, ich schreibe es das erste mal. meine töchter sind wieder fort, eine in bremen, die andere auf dem weg nach leipzig. eben hat sie ein schneefoto geschickt, von der raststätte, auf der wir fast immer anhalten, markpunkt die hälfte, so kurz vor der ehemaligen grenze. das bad ist leer. keine kleidungsstapel, kosmetiktöpfe im bad außer meinen eigenen. ich vermisse sie schon, bevor sie fahren und freue mich, dass sie ihre weggefährt*innen in den städten in den wohnungen wiedersehen, die ihr schutz sein werden, wren. keine ausflüge, keine treffen, nur bildschirme und mitbewohner*innen zum teilen. es ist ein langer winter und er scheint endlos kalt. ie hündin treibt mich aus dem haus, gedankenverlierend kann ich durch die straßen laufen und die grau- und grüntöne der wege und zäune von weit weg betrachten. wir werden noch lange durchhalten müssen. menschen ziehen in die schneeregionen und lassen sich ungeachtet aller vorsicht in trauben fotografieren, blockieren wege und zufahrten, sie machen nicht halt. die ersten orte haben nun abgeriegelt. wenn persönliche bedürfnisse kollektiv über dem gemeinwohl stehen, bleiben nur fragezeichen. an der impfstrategie wird kritik laut, wie jedesml, wenn eine entscheidung getroffen und maßnahmen ergriffen wurde. ich schäme mich fremd. sehne mich nach einer liege im garten. gestern hat mich meine tochter gefragt, wohin ich fahren würde, wenn ich mich für einen urlaub entscheiden dürfte. frankreich. ich muss keine sekunde überlegen. die vollkommenheit aller genüsse, frankreich ist ein elixier. es ist perfekt. nach dem ganzen weihnachtstrallala sehe ich mich an der langen tafel sitzen, in lothringen, lasse mich überraschen von den kulinarischen köstlichkeiten, plaudere entspannt mit meinen tischnachbar*innen, schlüpfe aus der flügeltür in den garten auf eine liege, mit blick aufs schloss, hinter mir schlendern kühe vorbei. oder flaniere durch provenzalische dörfchen, auf einen platz mit bar und nizzasalat, einem kühlen rosé. den könnte ich auch am strand von nizza trinken, auf einer liege, früh im jahr, bevor ich in die altstadt schlendere ins palmyre, wo ein tisch mit bunten gästen und begeisterten esser*innen auf mich wartet. weil ich dort immer einen platz bekommen werde, wenn es nach der begeisterung für das essen geht, stehe ich ganz weit oben in der reservierungsliste. ich liebe diesen ort, mehr noch als das fischrestaurant mit den besten austern meines lebens. ich würde häuser wirken lassen, mich durch kleine, magische kirchen flüstern, galerien durchqueren und meine etappen mit kaffee versüßen. dort, in frankreich kann ich am meer sein ohne es haben zu wollen. mir sind die flüsschen lieber, die seen, die schluchten und die trockenen hinterlande. so erträume ich mir gerade meine reise, ich kann nicht weg, aber ich bin da.
day 294. today is the fourth of january. assange is not shipped to the usa. we have crept into a new year, very quiet and dancing. two thousand twenty-one, this is the first time I'm writing it. my daughters have left again, one in bremen, the other on their way to leipzig. she has just sent a snow photo of the rest stop where we almost always stop, halfway through the mark, so close to the former border. the bathroom is empty. no stacks of clothes, cosmetic pots than my own. i miss them even before they leave and i am glad that they will see their friends again in the cities, in the apartments that will be their protection. no trips, no meetings, just screens and roommates to share. it's a long winter and it seems endlessly cold. the dog drives me out of the house, lost in thoughts i am walking through the streets and watch the gray and green tones of the paths and fences from distance. we will have to be patient for a long time. people move into the snowy regions and, regardless of all caution, let themselves be photographed in grapes, blocking paths and driveways, they don't stop. the first places have now sealed off. when personal needs are collectively above the common good, there are only question marks left. the vaccination strategy has been criticized, as is always the case when a decision has been made and action has been taken. i am ashamed. i long for a lounger in the garden. yesterday my daughter asked me where i would go if i could decide on a vacation. france. i didn't had to think for a second. the perfection of all pleasures, france is an elixir. it's perfect. after the whole christmas trallala, i see myself sitting at the long table in lorraine, i am surprised by the culinary delights, chat relaxed with my table neighbors, slip out of the double door into the garden onto a lounger, with a view of the castle, behind me cows stroll past. or walk through small provencal villages to a place with a bar and a nice nice salad, a cool rosé. i could drink it on the beach in nice, on a lounger, early in the year, before i stroll into the old town to palmyre, where a table with colorful guests and enthusiastic eaters awaits me. because i will always get a seat there when the enthusiasm for food comes down, i am right at the top of the reservation list. i love this place, even more than the fish restaurant with the best oysters of my life. i would let houses work, whisper my way through small, magical churches, cross galleries and sweeten my stages with coffee. there, in france, i can be at the sea without wanting to have it. i prefer the rivers, the lakes, the gorges and the arid hinterland. so i'm dreaming about my journey, i can't leave, but i'm here. myself.
tag 287. fast zwei wochen habe ich nicht geschrieben. die welt dreht sich gerade immer schneller, während dunkelheit und schwere auf den straßen liegen und in uns eine bleierne müdigkeit hinterlassen. die impfungen haben begonnen. über die weihnachtstage sind die testungen zurückgegangen und die zahlen sind gesunken, erst mein mal eine scheinbare beruhigung. wir müssen auf einen wert unter zwnzig kommen, um in sicherheit zu sein. es wird noch wochen und monate dauern. die schwermut hat sich auf unsere müdigkeit gelegt, wir haben einen trott gefunden, der die lebendigkeit in ritualiserten alltagshandlungen manifestiert. so werde ich mich an dieses fest erinnern in den geschmackserinnerungen der gerichte, den verregneten abendrunden mit der hündin, die alten filme in der stimmung von kindheit, meiner eigenen und die meiner töchter. in dem,was meine familie ist. meine freund*innen sind. nach der pause von nachrichten, dem sofaliegen, dem schlafen und essen und trinken fühle ich das erst mal wiede energie und lust zum schreiben, zum malen. es ist schwer, aber ich gehe weiter. habe in der zeitung gelesen von all den in existenznot lebenden künstlern hier in der gegend, die ihre ausstellungen zwar aufgebaut, aber nicht präsentiert haben, nichts verkaufen konnten. gut, denke ich, dass ich mich dagegen entschieden und keine eile hineingelegt habe, es war eine vorausschauende entscheidung. dennoch fühle ich mich in der warteschleife, ich zweifle an meinem können, irgendwann wird jemand merken, dass ich eine fälschung bin. meine worte hülsen, die sowieso kein mensch lesen will, meine bilder nur ein abklatsch und für niemanden bedeutsam, nur für mich.
day 287. i haven't written for almost two weeks. the world is turning faster and faster, while darkness and heaviness lie on the streets and leave us with a leaden tiredness. the vaccinations have started. over the christmas days the tests decreased and the numbers decreased, first of all an apparent reassurance. we have to get below twenty to be safe. it will take weeks and months. melancholy has settled on our tiredness, we have found a rut that manifests liveliness in ritualized everyday actions. so i will remember this christmas in the taste memories of the dishes, the rainy evenings with the dog, the old films in the mood of childhood, my own and those of my daughters. in what my family is. my friends are. after the break from reading the news, lying on the sofa, sleeping and eating and drinking, for the first time i feel that there is a renewed energy and desire to write, to paint. it's hard but i keep going i read in the newspaper about all the struggling artists here in the area, who set up their exhibitions but didn't present them, couldn't sell anything. well, i think i decided against it and didn't rush into it, it was a forward-looking decision. still, i feel like i'm on hold, I doubt my talents, at some point someone will notice that i'm a fake. my words pods, which nobody wants to read anyway, my pictures just a copy and meaningful for no one, only for me.
tag 276. wenn ich whatsappnachrichten lese, wenn ich telefoniere, wenn ich menschen im vorübergehen auf der straße spreche, so hat sich eine schwermütige wahrheit breitgemacht. die letzten monate waren geprägt von hoffnung, dass es doch irgendwie gut ausgehen würde. dass der nebel sich verziehen würde und wir wie aus einem schlechten traum aufwachen und ins strahlende sonnenlicht sehen können. dem ist nicht so. wir trösten uns nicht, dass wir uns hoffentlich bald sehen können, verabreden uns schon mal, um eine vorfreude zu leben. wir reden und wissen, dass es monate dauern wird, bis wir einander wiedersehen werden, so wie früher. wir reden auch nicht mehr von wochen, wir wissen monate. wir wissen, dass wir auf uns zurückgeworfen sind und im haus bleiben müssen. spazierengehen mit der hündin, der seit ein paar tagen bei uns wohnt. einkaufen huschen. sprechen auf der straße. es ist ernst. täglich sterben hunderte von menschen nur in diesem land. ein sog von belastungen, von angst, von erschöpfung durchkreuzt den alltag. in mir hat sich ein großes schweigen ausgebreitet, ich fühle mich fernab und leer. habe nichts zu erzählen, selbst lesen ist schwer. umbruch. gelebte geschichte. es ist nicht wieder gut zu machen. für die kinder, die kranken, die toten, die jungen und alten, die lücke bleibt.
day 276. when i read whatsapp messages, when i call on the phone, when i pass by people on the street, a melancholy truth has spread. the last few months were marked by hope that somehow it would end well. that the fog would clear and that we could wake up from a bad dream and look into the bright sunlight. it is not like that. we do not console ourselves that we can hopefully see each other soon, we already arrange to meet in order to live in anticipation. we talk and know that it will be months before we meet again, like we used to. we also no longer talk about weeks, we know months. we know that we are thrown back on ourselves and have to stay in the house. going for a walk with the dog who has been living with us for a few days. shopping scurry. talking on the street. it's serious. hundreds of people die every day in this country alone. a suction of burdens, fear, and exhaustion crosses everyday life. a great silence has spread within me, i feel distant and empty. have nothing to tell, reading yourself is difficult. upheaval. lived history. it cannot be made good. for the children, the sick, the dead, the young and old, the gap remains.
tag 275. sechzehnter dezember zweitausendzwanzig. heute beginnt der zweite lockdown. nach dem zögern der politischen entscheider*innen, gedrängt von der wissenschaft, bezweifelt von den leugnern wurde ein herunterfahren beschlossen. es blieben noch zwei tage, in denen die geschäfte gestürmt wurden, um die weihnachtseinkäufe zu erledigen. lange schlangen. gedränge. auch hier, auf dem parkplatz um die ecke, wo wir uns gestern masken holen wollten, die seit gestern für risikopatienten und ältere menschen ausgegeben werden.
tag 261. seitdem die kinder nicht mehr klein sind und ich auch nicht mehr in der schule jeden tag ein bisschen weihnachtsmagie verbreite, tue ich mich schwer mit den ganzen dekoriereien. manchmal vermisse ich den zauber der tausendfach gehörten weihnachtslieder und die heimlichkeit. die mit selbstgebastelteten werken vollgestellten fensterbänke. aber auch das habe ich in gewisser weise ruitualisert. am tag vor dem ersten advent schmücke ich den kranz. mittlerweile ist der gekauft, früher habe ich ihn selbst gebunden. ich suche ein paar wenige gegenstände im keller für die fensterbank. ein bisschen licht, kerzen. das war es. nach und nach kommen dann die alten sterne, windlichter und vor allem blumen dazu. heute auf dem markt gab es ilex, viel schöneren als in unserem garten und ich habe eine kleine türkise vase mit eukalyptus und diesen rotbeerigen ästchen auf den küchentisch gestellt. gebacken haben wir letzte woche mit unserer tochter aus bremen, wie die letzten jahre auch am ersten advent. leider bin ich keine gute keksbäckerin, hier kommt meine ungeduld zum ausdruck, ich werde irgendwann nervös und will die sache schnell beenden, schließlich dampft die kücke von warmer, klebriger luft und ich wate durch krümel. meine tochter ist auf eine weise akkurat, die ich sehr bewundere. an dieser stelle, zwischen ihrer genauigkeit und meine ungeduld, kann es zu spannungen kommen. sie sieht mir an, dass ich genug haben von den keksen und ich weiß, dass sie gerne in perfekte kipferl beißt. es ist eine jahresaufgabe und ich freue mich, dass wir daran wachsen. wo es früher schlechte stimmung und diskussionen gab, machen wir die playlist an und ich suche mir die arbeiten, bei denen ich schnell sein kann. ich räume auf, sortiere die kekse ein, wasche ab, während hinter mir meine tochter auf der bank sitzt und teig perfekt rollt und schneidet. v. ist manchmal noch etwas verloren, erst seit ein paar jahren ist er beim backen dabei und sucht noch seine rolle. von jahr zu jahr werden wir gelassener und wenn die gefüllten keksdosen im regal stehen, freue ich mich. so wie über den ilex. vielleicht ist es ein gutes jahr, um besonders viel weihnachten zu machen und ich sollte meine reduziertheit überdenken. es wird alles anders sein, keine kirche, keine treffen mit freunden, kein fleisch.
gerade habe ich gelesen, dass die lufthansa viele buchungen in den ferien meldet. ich dachte, ich hätte mich verlesen, aber es ist so. die menschen wollen weg. nach südafrika, nach norwegen. hier werden alle skigebiete geschlossen bleiben. das erste mal schnee seit jahren. wir werden in dauerschleife gebeten, zuhause zu bleiben, kontakte zu reduzieren. aufgefordert, uns an die regeln zu halten. vor den supermärkten erste schlangen, security zum aufpassen und einkaufswagenpflicht. in dänemark dürfen die menschen sich nicht länger als dreißig minuten in geschäften aufhalten. in österreich warten die leute geduldig auf die durchführung von massentests. in bremen ist am wochenende eine querdenkendemonstration geplant und abgesagt, es gibt widerspruch beim oberverwaltungsgericht. wenn der einspruch zugelassen wird, werden zwanzigtausend auf der bürgerweide sein, flankiert von abertausenden, die sich außenrum versammeln, um ihren widerstand gegen die leugner*innen zu zeigen. querdenken bremen hat sich positioniert, gegen rechts angeblich. es seien 'esoteriker*innen', kulturschaffende, existenzbedrohte, die dort angeblich auf die straße gehen. dabei kann ich nur wiederholen, was ich die ganze zeit schon denke: alle, die mitlaufen in dem wissen, dass sie zwischen nazis, identitären und rassistisch denkenden in bewegung sind, mit im wahrsten sinne des wortes mit läufer*innen. ich halte sie für noch gefährlicher als die anderen. in bautzen, so habe ich gestern gesehen, sind ein drittel der bevölkerung interessiert an den parolen. sie säumen seit wochen die straßen auf einer strecke von fünfzig kilometern, geschmückt mit reichsflaggen. was mit den esoteriker*innen gemeint sein soll, ist mir nicht klar. ich fühle den begriff missbraucht. noch nie ist er ernst genommen worden, aber wenn die abfälligkeit sich darin äußert, einen begriff zu verwenden, der in meinen augen auch den großen geistigen denkenden dieser welt vorbehalten ist, so brauchen wir eine neue sprache. zu glauben, dass wir wiedergeboren werden, während unsere seele in einem leben erfahrungen sammelt, ist eins von vielen denkmodellen. spirituell sein bedeutet auf der sinnsuche zu sein und vertrauen in den sinn jeden lebens zu haben. so galube ich und will nichts mit den menschen auf der querdenkendemonstration, in den virtuellen welten ihrer gedankengänge zu tun haben.
day 261. since the children are no longer small and i no longer spread a little christmas magic in school every day, i have found it difficult to decorate my home. sometimes i miss the magic of christmas carols heard a thousand times and the secrecy. the window sills filled with handicrafts. but i also ruitualized that in a certain way. the day before the first advent i decorate the wreath. meanwhile it has been bought, i used to tie it myself. i'm looking for a few items in the basement for the window sill. a little light, candles. that was it. little by little the old stars, lanterns and above all flowers are added. today on the market there was ilex, much more beautiful than in our garden and i put a small turquoise vase with eucalyptus and these red berry branches on the kitchen table. last week we baked with our daughter from bremen, like in previous years on the first advent. unfortunately i'm not a good biscuit baker, this is where my impatience comes to expression, i get nervous at some point and want to end the thing quickly, after all the kitchen is steaming with warm, sticky air and i wade through crumbs. my daughter is accurate in a way that i admire very much. at this point, between your accuracy and my impatience, tensions can arise. she can tell that i've had enough of the cookies and i know that she likes to bite into perfect croissants. it's a yearly task and i'm happy that we're growing with it. where there used to be a bad mood and discussions, we turn on the playlist and i look for the work that i can be quick at. i tidy up, sort the biscuits, wash the dishes while my daughter sits behind me on the bench, rolling and cutting dough perfectly. v. sometimes something is still lost, he has only been involved in baking for a few years and is still looking for his place in it. from year to year we become more relaxed and when the filled cookie jars are on the shelf, i'm happy. just like about the ilex. maybe it's a good year to make a lot of christmas and i should reconsider my simplicity. everything will be different, no church, no meetings with friends, no meat.
i have just read that lufthansa reports many bookings during the holidays. i thought i made a mistake, but that's how it is. people want to leave. to south africa, to norway. all ski areas will remain closed here. snow for the first time in years. we are constantly asked to stay at home, to reduce contacts. encouraged us to stick to the rules. first queues in front of the supermarkets, security to watch out and compulsory shopping carts. in denmark, people are not allowed to spend more than 30 minutes in shops. in austria, people are patiently waiting for mass tests to be carried out. In bremen, a lateral thinking demonstration is planned and canceled on the weekend, there is an objection at the higher administrative court. if the objection is admitted, twenty thousand will be on the civic pasture, flanked by thousands upon thousands who gather around the outside to show their resistance to the deniers. lateral thinking bremen has positioned itself, allegedly against the right. it is 'esoteric', people who work in culture and who are threatened with existence, who allegedly take to the streets there. i can only repeat what I've been thinking the whole time: everyone who runs with the knowledge that they are moving between nazis, identitarian and racist thinkers, with runners in the truest sense of the word. i consider them to be even more dangerous than the others. yesterday i watched a report about bautzen, a small town in he east of germany. a third of the population in bautzen are interested in those slogans. for weeks they have been lining the streets for a distance of fifty kilometers, adorned with imperial flags. what is meant by the esoteric is not clear to me. i feel the term misused. it has never been taken seriously, but if the disdain is expressed in using a term that in my eyes is reserved for the great intellectual thinkers of this world, then we need a new language. believing that we will be reborn while our soul is gaining experience in a lifetime is one of many ways of thinking. to be spiritual means to be in search of meaning and to have trust in the meaning of every life. so i believe and don't want to have anything to do with the people on the lateral thinking demonstration, in the virtual worlds of their thought processes.
tag 259. vorhin habe ich unerwartet einen anruf von einer bekannten bekommen, die ich vor drei jahren in der abgeschiedenheit einer kurklinik kennenlernte, ich habe davon erzählt. sie geht nun in den wald und pflanzt bäume, ich freue mich für sie und das, was dort entsteht. wir leben nur zwei stunden autofahrt auseinander und haben es nicht geschafft, einander zu besuchen. zwei stunden in die andere richtung lebt eine freundin, auch sie habe ich lange nicht gesehen und gesprochen. kleine whatsappnachrichten zwischendurch, einmal ein foto, ein kurzes ichdenkandich. diese zeit ist hart. es ist aufreibend, die sozialen kontakte zu erhalten, nur im schreiben und im telefonieren. zu dem ort, von dem ich komme, sind es fast sechs stunden autofahrt, geradeaus nach unten. dieser ort rückt in immer weitere ferne, es wird in einer zeit danach immer weniger gründe geben, dorthin zu fahren. wir treffen uns im internet zum spielen. eigentlich geht es darum, sich kurz zu sehen und im rahmen des rätselns vertrautheit zu erhaschen. meine trauer ist schon so groß, dass ich nicht mehr sehen kann. in meinem radius bleibt das telefonieren die direkte verbindung in die welt. alle, auch die in der nähe, scheinen so weit weg zu sein. weihnachtsmärkte, shoppen, jene unsäglichen feiern in erzwungener fröhlichkeit, die adventlichen traditionen, sind mir so gleichgültig. waren sie schon immer, aus dieser richtung ist mir der lockdown egal, eigentlich kommt er mir sogar entgegen. ich muss nicht mehr nein sagen. niemand erwartet mich. ich glaube, es ist eine abgestumpftheit eingekehrt. fünfhundert menschen sind gestern an oder mit corona gestorben. bei den ersten habe ich noch geweint, nun bin ich froh, dass es nicht mehr sind. wirklich berührt hat mich die fotografie eines arztes, der einen patienten im arm hält und tröstet. von ihm sind nur die lohen haare zu sehen, der in schutzkleidung gehüllte arzt umfängt ihn, es scheint ihm zu gelingen, jenen mann davon abzuhalten, zu seiner frau zu wollen. tiefstes mitgefühle spricht aus dem bild, sowohl des fotografen als auch des arztes. in trier hat ein mensch sein auto als waffe eingesetzt und andere menschen getötet. es ist die älteste stadt in diesem land. in einer anderen gegend gehen menschen zum massentest. die gleichen vielleicht, die sicherheitsbeamte auf den plan rufen, weil sie spaziergänge angekündigt haben, zu denen keiner kommt während die hundertschaften auf dem marktplatz sich den arsch abfrieren. unanständig, würde ich sagen, genau das richtige, altmodische wort.
day 259. earlier i got an unexpected call from a friend i met three years ago in the seclusion of a health clinic, i told them about it. she is now going into the forest and planting trees, i am happy for her and what is being created there. we only live two hours apart by car and haven't been able to visit each other. a friend lives two hours in the other direction, and I haven't seen or spoken to her for a long time. small whatsapp messages in between, once a photo, a short self-reflection. this time is hard. it is exhausting to keep up the social contacts, only in writing and on the phone. it's almost a six-hour drive to the place i'm coming from, straight down. this place is moving further and further away, in a time after that there will be fewer and fewer reasons to go there. we meet on the internet to play. it's actually about seeing each other briefly and getting familiar with the puzzle. my grief is so great that i can no longer see. in my radius, making calls remains the direct connection to the world. all of them, including those nearby, seem so far away. christmas markets, shopping, those unspeakable celebrations in forced happiness, the advent traditions, are so indifferent to me. have you always been, from this direction I don't care about the lockdown, actually it even comes towards me. i don't have to say no anymore. nobody expects me. i think a dullness has returned. five hundred people died from or with corona yesterday. i cried at the first times, now i'm glad they weren't anymore. i was really touched by the photograph of a doctor holding and comforting a patient. only his hair can be seen, the doctor wrapped in protective clothing surrounds him, he seems to succeed in preventing that man from wanting to see his wife. deepest empathy speaks from the picture, both the photographer's and the doctor's. in trier a person used his car as a weapon and killed other people. it is the oldest city in this country. in another area people go to mass tests. perhaps the same as those who call security officers on the scene because they have announced walks that nobody will come to while the hundreds of cops in the marketplace are freezing their asses off. indecent, i would say, just the right old-fashioned word.
tag 253. gestern in dauerschleife die wartereien vor den entscheidungen der regierung. analyst*innen, fachleute, allle dabei. während ich in meinem kleinen roten auto aus der stadt fahre, in einer karanwane aus blech über grau rolle, ein interview mit einer physikerin. dreißig prozent, sagt sie, diese zahl müsse rein rechnerisch erreicht werden, um die zahlen so weit sinken zu lassen, dass vieles wieder möglich sei. die derzeitigen maßnahmen, der leichte lockdown würde zehn prozent bringen. kein exponentielles wachstum mehr, sondern stagnation auf hohem niveau. zwanzig prozent sei durch eine zweiwöchige schließung der schulen und universitäten möglich. wie man im frühjahr gesehen habe, sei die kurve deutlich nach unten gegangen, auch wenn wir derzeitig in einer anderen lage seien. irland und israel haben sich zu dieser maßnahme entschieden. wir rühren in der föderalismussuppe, gewürzt mit stellungnahmen über die infektionsquoten von schüler*innen, einem kleinen risiko angeblich. eventualitäten. das ist so typisch für diese gesellschaft. es gibt keine klarheit in den aussagen, in den handlungen, bedacht auf den verzicht von verantwortlichkeit. mahnende stimmen nur vom rand, es sind immer die gleichen, die sich ungehört zu wort melden.
die permanente wiederholung meiner statements führen zu keinem ergebnis, ich schreibe für mich und das andere leben, das ich einmal hatte und das ich einmal haben werde. einst. welch ein wort. es fällt mir schwer, visionen zu imaginieren. so wie ich einst mich selbst an einem strand sah. die vorfreude, jene gemütslage ist in diesem moment der welt, meiner welt abhanden gekommen. zeilen der lyrischen ichs ziehen auf, dystopische bilder, die so oft als weltmüdigkeit in künstlerischen seelen rezipiert wurden. aber genauso ist es. wir verlieren unsere kultur, der verlust von vorfreude liegt in den schatten, die immer länger werden. ahnung ist schöpferisch. wir schreiben, malen, dichten für uns in einem doppelbindenden prozess als teilhabe in der welt und der gleichzeitigen abwendung von ihr. so sehe ich mein schaffen und fürchte, zu verhungern aus mangel an freude.
day 253. yesterday in a loop the waiting for the government's decisions. analysts, experts, everyone is there. while i'm driving out of town in my little red car, rolling over gray in a caravan made of sheet metal, an interview with a physicist. thirty percent, she says, this number has to be achieved in purely mathematical terms in order to let the numbers drop so far that many things are possible again. the current measures, the slight lockdown would bring ten percent. no more exponential growth, but stagnation at a high level. twenty percent is possible by closing schools and universities for two weeks. As you saw in the spring, the curve went down significantly, even if we were currently in a different situation. ireland and israel have decided to take this measure. we stir in the federalism soup, seasoned with statements about the infection rates of schoolchildren, allegedly a small risk. eventualities. that is so typical for this society. there is no clarity in the statements, in the actions, in view of the waiver of responsibility. Warning voices only come from the edge, it is always the same people who say something unheard.
the constant repetition of my statements do not lead to any result, i am writing for myself and the other life that i once had and that i will have one day. once. what a word. I think it is difficult to imagine visions. just like I once saw myself on a beach. the anticipation, that mood has got lost in this moment in the world, my world. lines of the lyrical selves emerge, dystopian images that have so often been received as world weariness in artistic souls. but that's exactly how it is. we lose our culture, the loss of anticipation lies in the shadows that are getting longer and longer. hunch is creative. we write, paint and compose for ourselves in a double-binding process as participation in the world and at the same time turning away from it. this is how i regard my work and am afraid of starvation for lack of joy.
tag 250. es geht um die vergangenheit. immer wieder stolpere ich auch in meinen eigenen biographischen aufarbeitungsritualen über die vergangenheit. sie in teilen abzuspalten ist eine nachvollziehbare reaktion des gehirns, zur aufrechterhaltung der ordnung. die kappung neuronaler verbindungen ist dabei eine angelpunkt, denn so wie das leben gesichert ist, ist die erfahrung des erlebten auf einer einsamen insel im hirn gefangen. solange, bis die neuronalen verbindungen wieder hergestellt werden, um ereignisse in die biografie zu integrieren und die gespeicherte emotion zum erlebten ereignis zu transformieren. generationen von menschen haben zum selbstschutz unbewusst diese strategien angewandt, um sich so der furchtbarkeit zu entziehen und ihrer seele schutz zu gewähren. wir alle haben unzählige inselns in uns. leider ist das gehirn wie eine datenbank, alles ist gespeichert. so reicht ein bild, ein ton, ein geruch, um ein warnendes signal auf die einsame insel zu senden und den schrecken zu wecken. die kraft des denkens hat, überbewertet wie sie ist, keine chance auf einfluss. erst wenn die verbindungen wieder hergestellt sind, können die verschiedenen regionen wieder zusammen als ganzes selbst handeln. heißt, wir können uns noch so viele gute sachen ausdenken, pläne schmieden, abwägen - wenn das signal kommt, sitzen wir auf einer der inseln und können nicht mehr denkend handeln. das zu lernen und verstehen ist eine herausforderung und gnade. denn die selbstbetrachtung mit einhergehender selbstanklage kann sich verwandeln in eine einsicht, dass eine brücke her muss zwischen der vergangenheit und der gegenwart.
während ich mich im verstehen übe, was noch nicht bedeutet, dass ich die brücken gebaut habe bzw. habe bauen lassen, beobachte ich im persönlichen, gesellschaftlichen, politischen bereich eine zunehmende kollektive tendenz zur vergangenheitsleugnung. diese gibt es schon immer. aber die offenheit, mit der sozialdarwinistische strategien verfolgt werden, ist verstörend. zumal sie die kognitiven handlungsmuster auf eis legt, da diese wie oben beschrieben, nicht greifen können. jede*r leugner*in agiert im vermeintlichen präsens.
während ich versuche, jene ereignisse mit der gegenwart zu verbinden, vielmehr in sie einzubetten, um den moment zu finden, in der ich synchron mit mir selbst bin, bin ich umgeben von vielen, die sich nicht trauen, sich umzudrehen, ihre eigenen wichtigen fragen zu stellen und so den weg zum ufer freizumachen. ich fühle mich allein. breite empörung reicht nicht, um die gefahr des leugnens zu schmälern. jede stunde zählt, der aufarbeitung, des hinsehens, des aushaltens eigenen schmerzes und des schmerzes der anderen. jede minute, um gemeinsam ordnung in uns und in der welt zu schaffen.
day 250. it's about the past. again and again i stumble upon the past in my own biographical rituals of coming to terms with the past. splitting them off in parts is a comprehensible reaction of the brain to maintain order. the cutting of neural connections is one of the main issues, because just as life is secured, the experience of what is experienced on a lonely island is trapped in the brain. until the neural connections are reestablished in order to integrate events into the biography and to transform the stored emotions into the experienced event. generations of people have unconsciously used these strategies to protect themselves, in order to evade the horror and to protect their soul. we all have innumerable islands within us. unfortunately the brain is like a database, everything is stored. a picture, a sound, a smell is enough to send a warning signal to the lonely island and awaken the horror. the power of thinking, overrated as it is, has no chance of influence. only when the connections are re-established can the different regions act together again as a whole. that means we can think up as many good things as we can, make plans, weigh up - when the signal comes, we are sitting on one of the islands and can no longer act thinking. to learn and understand that is a challenge and a grace. because the self-examination with the accompanying self-accusation can turn into an insight that a bridge has to be built between the past and the present.
while i am practicing understanding, which does not yet mean that i have built the bridges or have had them built, i observe an increasing collective tendency to deny the past in the personal, social and political areas. these have always existed. but the openness with which social darwinist strategies are pursued is disturbing. especially since it puts the cognitive behavioral patterns on hold, as these, as described above, cannot work. every denier acts in the supposed presence.
while i try to connect those events with the present, rather to embed them in them in order to find the moment in which i am in sync with myself, i am surrounded by many who do not dare to turn around and ask their own important questions to place and thus clear the way to the shore. i feel lonely. broad outrage is not enough to reduce the risk of denial. every hour counts, the coming to terms with, looking, enduring your own pain and the pain of others. every minute to create order in us and in the world.
tag 246. in berlin sammeln sich in diesem moment die coronaleugner, um gegen die änderungen im infektionsschutzgesätz zu protestieren. man bedient sich der worte ermächtigungsgesetz, missbraucht das jüdische symbol und greift journalisten an. die straßen sind voll, die stadt voller angst. in den nachrichten wurde berichtet, dass im militärischen konflikt zwischen armenien und aserbaidschan vermutlich fünzig prozent der bevölkerung an corona erkrankt ist. twitter füllt sich mit videos aus berlin, es ist ein livestream zu den unfassbaren ereignissen dort. die perverse logik, mit der sprachliche begriffe und symbole entwertet werden, zeigt die sadistische machtereiferung der menschen, die diese krise als sprungbrett für eine gesellschaftliche spaltung nutzen. perfide. ich versuche mich in retweets, suche nach material für meine facebookseite, ich weiß nicht, wie ich mir anders helfen kann, um der ohnmacht zu entrinnen, dass das doch nicht sein kann. ich wiederhole mich, ich weiß. in mir hallt der flyer von vor ein paar tagen nach. den meine nachbar*innen kommertarlos ins altpapier geworfen haben. währen dich mich auf die suche nach der verantwortlichen gemacht habe, um ihr zu schreiben, zu drohen. eine autorin von fantasyromanen. v. sagte, nun können wir warten, bis der erste stein gegen unser fenster geworfen wird.
day 246. at this moment, the corona deniers are gathering in berlin to protest against the changes in the infection protection law. the words empowerment law are used, the jewish symbol is abused and journalists are attacked. the streets are full, the city is full of fear. the news reported that in the armenia-azerbaijan military conflict, fifty percent of the population is believed to have contracted corona. twitter is filled with videos from berlin, it is a livestream of the unbelievable events there. the perverse logic with which linguistic terms and symbols are devalued shows the sadistic maturity of the people who use this crisis as a springboard for a social division. perfidious. i try retweets, search for material for my facebook page, i don't know how i can help myself in order to escape the impotence that it can't be. i repeat myself, i know the flyer from a few days ago echoes in me. that my neighbors threw in the waste paper without commotion. i was looking for the responsible person, to write to her, to threaten. she is author of fantasy novels. v. said that now we could wait until the first stone will be thrown against our window.
tag 241. november. freitag. sonnenzipfel, spazierengehen. es macht sich müdigkeit breit. selbst die großen optimisten menschen in meinem umfeld beginnen zu wanken in diesem wind, der nichts gutes verheißt. es gibt zu wenig zum freuen, lachen, leicht sein. über der jährlichen monatsschwere liegt noch mehr, der vorrat an zuversicht und tatendrang hat sich neigt sich dem ende. relativierungen helfen wenig, wieder menschen ertrunken, andere eingesperrt in den lagern, mein haus, garten, mein warm. es mangelt an nichts. es ist auch die zeit, in der ich an die stunden im krankenhaus denke, vor der geburt meiner tochter, die nicht rauskonnte und ich viele, viele stunden in den wehen lag. umgeben von maschinen und den klopfenden herzrasen eines kindes. zu einer anderen zeit, an einem anderen ort hätte ich die geburten meiner töchter ebensowenig überlebt wie sie selbst. dankbarkeit hat sich lange zeit auf diese verstörenden ereignisse gelegt, es war damals keine rede von traumatischen erfahrungen. die sorge galt vielleicht einer postnatalen depression, nicht aber den ohnmachtsgefühlen und der furchbaren angst, die mich an den rand des lebens gebracht hat, ich war mir egal. sie sollten leben. von stunde zu stunde fällt eine weitere hemmschwelle, alle haben zugang zu intimsten regionen des körpers, ohne fragen in diesen räumen, die sich kreißsäle nennen. meine erste tochter, die ich ebenso wie die zweite am liebsten unter wasser ins leben gleiten lassen wollte, wurde nach den vielen stunden aus mir geschnitten, diese stunde war ich nicht anwesend, es fühlt sich an wie ein leck in meinem leben. dass man sie geholt hat, war ein glück. so plötzlich hell im dasein, als hätte jemand die rolläden hochgezogen, ohne zu warten bis man die augen aufgeschlagen hat. trotz dieses glücks fehlt mir eine stunde. ebenso bei meiner anderen tochter, nach deren geburt man mich in den operationssaal schob. auch hier ein leck, in dem mein bewusstsein ausgeschaltet war und bleibt. nun, eine wehenschwäche sorgte dafür, dass man mich mit künstlichen wehen in die entscheidenden phasen der geburt bringen wollte, dieser spitze, zulaufende schmerz ist nicht zu veratmen, er rollt nicht leise an, sondern kommt mit große wucht und dichte. zwischen den wehen die herztöne, die blutabnahmen, die sorgenvollen blicke der hebammen. diesen elementen ausgeliefert, bahnt sich eine wilde machtlosigeit an, die den körper jenseits natürlicher bewegungen in schrecken versetzt und beten lässt. dass sie so wild um ihr leben gekämpft hätten, haben wir den beiden erzählt, dass sie so stark seien und unbedingt leben wollten, dass sie nun, in diesem leben, keine angst zu haben bräuchten. als sie kinder waren, haben sie es geglaubt.
day 241. november 24th. friday. sunbathing, going for a walk. tiredness is spreading. even the great optimists around me begin to sway in this wind, which does not bode well. there is not enough to look forward to, laugh or be light. even more than the annual monthly severity is, the supply of confidence and zest for action is coming to an end. relativization does not help much, people drowned again, others locked up in the camps, my house, garden, my warmth. nothing is lacking. it is also the time when i think about the hours in the hospital, before the birth of my daughter, who couldn't get out and I was in labor for many, many hours. surrounded by machines and a child's racing heart. at another time, in another place, i would not have survived the births of my daughters any more than they would have survived. gratitude has been based on these disturbing events for a long time, at the time it was no talk of traumatic experiences. the concern was maybe a postnatal depression, but not the feelings of powerlessness and the terrible fear that brought me to the edge of life, i didn't care about myself. they should live. another inhibition threshold falls from hour to hour, everyone has access to the most intimate regions of the body without asking questions in these rooms, which are called delivery rooms. my first daughter, who, like the second, i wanted to slide into life underwater, was cut out of me after all the hours, i was not present for that hour, it feels like a leak in my life. it was lucky that they got her. so suddenly bright in existence, as if someone had pulled up the shutters without waiting until you opened your eyes. despite this luck, i am missing one hour. benso with my other daughter, after whose birth i had to be sewn and i was pushed into the operating room. here, too, a leak in which my consciousness was and remains switched off. well, a weakness in contractions ensured that they wanted to bring me into the crucial phases of the birth with artificial contractions, this sharp, tapering pain is impossible to breathe, it does not roll quietly, but comes with great force and density. between the pains the heartbeat, the blood drawn, the worried looks of the midwives. at the mercy of these elements, a wild powerlessness is looming, which terrifies the body beyond natural movements and makes it pray. we told them that they fought so wildly for their lives, that they were so strong and that they absolutely wanted to live, that now, in this life, they don't need to be afraid. when they were children they believed it.
tag 235. es geht um einzelne stimmen. und es besteht die juristische möglichkeit, wenn die stimmen nicht rechtzeitig vorliegen, dass wahlmänner durch regierende bestimmt werden, so wie die ursprüngliche verfssung es vorgesehen hat. wenn ich worte wie krieg höre in einem wahlkampf, werden alle möglichkeiten wirklichkeit. ich erledige meine ungeliebten postaufgaben, höre keine nachrichten und warte auf gute laune. ob es eine posttrumpära geben wird? viele kluge menschen können viel klügere sachen sagen als ich in der lage bin zu denken. die spaltung der welt zeigt sich auf einer landkarte. wie viele generationen wird es dauern, bis es hier auch so weit ist.
meine tochter in leipzig kann sich nicht testen lassen mit erkältungserscheinungen. an diesen wegpunkten falle ich zurück in mein einstiges muttersein, das teekochen, vorlesen und kügelchenverteilen vorsieht. den tee habe ich in einen umschlag gesteckt, mein symbolischer beitrag dazu. basteln. an meiner website, mich mehr zeigen, stück für stück. auf meine rahmen warten, schon an weihnachten denken, in gedanken bilder auswählen für kalender. tun. apfelduft aus der küche, der kuchen ist noch warm. einkaufen fahren in den kleinen hofladen, der sicherste ort weit und breit und mit vorfreude auf das kochen heimkehren. warten. soziale kontakte pflegen, meinen bruder anrufen, geburtstagswünsche aussprechen an meine ehemalige kollegin, die sich seit monaten in meinen gedanken herumtreibt, weil ich mich nie melde. sie hat es aufgegeben. ich bin gewohnt in die permanente vorleistung zu gehen, das war schon beim restaurieren so, in der schule. bin gewohnt, dass meine arbeit nicht gesehen wird. restaurien ist ein schattendasein, lehren auch, die kunst.
day 235. it's about individual voices. and there is the legal possibility, if the votes are not available in time, that electors are appointed by rulers, as the original constitution intended. when i hear words like war in an election campaign, all possibilities become reality. i do my unloved postal chores, don't hear any messages and wait for a good mood. whether there will be a post-trump era? a lot of smart people can say much smarter things than i am able to think. the division of the world is shown on a map. how many generations will it take to get here?
my daughter in leipzig cannot be tested with symptoms of a cold. at these waypoints i fall back into my former motherhood, which provides for making tea, reading aloud and distributing balls. i put the tea in an envelope, my symbolic contribution to it. handcraft. at my website, show me more, piece by piece. waiting for my frames, already thinking about christmas, thinking about choosing pictures for the calendar. doing. the scent of apple from the kitchen, the cake is still warm. go shopping in the small farm shop, the safest place far and wide and return home looking forward to cooking. waiting. maintaining social contacts, calling my brother, saying birthday wishes to my former colleague, who has been hanging around in my thoughts for months because i never get in touch. she gave up. i am used to permanent advance payments, that was already the case with the restoration, in school. i'm used to my work not being seen. restoring is a shadowy existence, also teach, art.
tag 231. seit heute gilt der neue lockdown. wenn ich den meldungen glauben kann, dann haben die menschen noch einmal alles gegeben, vor der zwangsruhe. die gaststätten waren voll, ein münchner wirt berichtet, die gäste hätten schon mittags wein statt wasser verlangt und seien täglich gekommen. meine tochter berichtet ähnliches aus der straße, die als die gefährlichste der stadt, deutschlands gilt, unwohl habe sie sich gefühlt mit ihrer umarmungsverweigerung. es ist ein tanz auf dem vulkan, der abend vor dem krieg. an dem tagbild hat sich noch nicht wesentliches geändert. traurige meldungen aus aller welt, ein zuviel an ereignissen, zuviel an zahlen. ich kann dem wahlkampf fast nichts mehr abgewinnen, selten habe ich mich so wenig damit beschäftigt, was in den usa passiert. morgen ist der große tag. bin zwei runden durch die stadt gelaufen, vorbei an prächtigen alten, verfallenen, zugeklebten häusern, in denen einmal geschäfte waren. zwischen den sanierten fassaden, die vermutlich alle die stereotypen renovierungen im inneren zeigen, stehen leere häuser mit glanzlosen fenstern. überall in den kleinen parks mit alkohol und drogen vollegpumpte menschen, sie machen mir keine angst, sie wecken ein latentes mitgefühl. stuckdecken fallen in den blick, masken überall und auch keine. auch wir haben uns in ein restaurant gewagt, es war leer und servierte kleine feinheiten in gläsern. die stadt macht müde. die krise auch.
day 231. the new lockdown has been in effect since today. if i can believe the reports, then the people gave everything again before the forced rest. the restaurants were full, a munich host reported that the guests had already asked for wine instead of water at lunchtime and had come every day. my daughter reports something similar from the street, which is considered the most dangerous in the city, in germany, she felt uncomfortable with her refusal to hug. it is a dance on the volcano, the evening before the war. not much has changed in the picture of the day. sad news from all over the world, too many events, too many numbers. i can hardly gain anything from the election campaign, seldom i paid so rare attention to what is happening in the usa. tomorrow is the big day. i walked two rounds through the city, past magnificent old, dilapidated, taped up houses that once were shops. between the renovated facades, which presumably all show the stereotypical renovations inside, there are empty houses with lackluster windows. everywhere in the small parks people pumped up with alcohol and drugs, they don't scare me, they awaken a latent empathy. stucco ceilings fall into view, masks everywhere and none. we too dared to go to a restaurant, it was empty and served small delicacies in glasses. the city makes tired. the crisis too.
tag 227. es ist früh. die zeitumstellung führt dazu, dass ich abends ab achtzehn uhr kaum noch handlungsfähig bin und mich fühle wie kurz vor mitternacht. dafür wache ich das erste mal schon im morgengrauen auf, um mich dann noch einmal in meine träume zu werfen, zurück zu bildern und orten, für kurze zeit. in den letzten tagen bin ich mit großem hunger aufgewacht, überhaupt waren meine tage von einem permanenten hungergefühl begleitet, ich habe schwere, deftige essen zubereitet, hausmannskost nennt man das hier. komisches wort, denke ich beim schreiben, widersprüchlich, wieso heißt es nicht hausfraukost, schließlich liegen generation hinter mir, in denen die frauen für das leibliche wohl zuständig waren und die männer waren außer haus und nicht darin. jene gerichte, sättigend und reichhaltig, die in henkeleimern mit aufs feld, mit zur arbeit genommen wurden, zusammen mit dicken, in pergamentpapier geschlagene stullen. wenn es außerhauskost heißen würde, das was da in zahlreichen kochbüchern gesammelt und weitergegeben wird, die man sich zu weihnachten schenkt und dann in den regalen verstauben lässt. klingt nicht rund, aber echt. diesen hunger habe ich oft, wenn es winter wird. mein körper ist unbedingt jahreszeitenabhäng und zeigt sich in den übergängen mit wechselnden bedürfnissen. diesen hunger verspüre ich auch, wenn ich krank werde und bin. schon als kind. während mein fiebriger bruder mit appetitloser schwäche im bett lag - wir entwickelten oft gleichzeitig symptome einer krankheit - habe ich ich mich essend durch die krankentage gelesen. der fürsorge meiner mutter verdankte ich geriebene äpfel, belegte brote, buchteln und pfannkuchen, heiße zitronen und tee mit zucker, gekrönt von einem micky-maus-heft, als ausgleich für das liegenmüssen und die langeweile. meinem heimlichen traum bin ich dann sehr nah gekommen, vielleicht. mein traum war, ein riesiges bett zu besitzen, mit flauschigen daunendecken, unendlich vielen büchern und einer nicht versiegenden auswahl an gerichten. mein schlaraffenland, da würde ich den ganzen tag liegen, sitzen, lesen und essen. schade, dass es kein wort dafür gibt, das die simultane lese-ess-erfahrung bündelt. dafür hausmannskost. heute morgen bin ich aufgewacht und mein hunger war weg. der permanente anteil davon. gutes zeichen, denke ich. erstens bin ich im herbst angekommen und zweitens werde ich nicht krank.
auch die welt ist im herbst angekommen. wir haben den ersten, unsichtbaren frost, eine zarte eisschicht hat sich über das land gelegt. ab montag werden wir eingefroren. keine reisen, kein schwimmen, kein restaurantbesuch, möglichst zuhause arbeiten und sich isolieren ist die ausgegebene devise. den trauermonat müssen wir zuhause verbringen und uns mit uns selbst beschäftigen. ich bin froh, dass die warnenden worte unserer besten virologen und der kanzlerin, die schon vor vier wochen mit ernsten augen und leiser stimme verkündete, es werde schlimm werden, wirkung zeigen. die sie umringenden männer haben diesen appell nicht ernst genommen. zu viele befindlichkeiten, zu viele territoriale unterschiedlichkeiten haben davon abgelenkt, was harte, bittere wirklichkeit sein wird. nun kommt aus verschiedenen gründen der lockdown light, man will uns das weihnachtsfest sichern. jom kippur, zuckerfest, keine rede davon. nun leben hier mehr christen als jüdischen menschen und muslime, dennoch kann ich mich mit diesem grund nicht anfreunden, er erscheint mir fundamentalistisch. diese pandemie wütet jenseits aller feste, was nützt uns der christbaum angesichts sterbender menschen. vielleicht ist es auch wie in der schule, wo man mit einer in die zukunft gerichteten belohnung hoffnung weckt, den fleiß schürt und vor allem die disziplin. wenn ihr schön artig seid, dann gibt es ein bonbon. leider halte ich diese token für eine methode, die überhaupt nicht dem sinn einer selbstbestimmten, reflexiven lernbereitschaft entspricht. wenn-dann hat mich schon immer abgeschreckt. aber gut. die regierenden haben sich etwas überlegt und erfreulicherweise einheit gezeigt, ein seltenes bild in den letzten monaten. ich verstehe die sorge vieler, ihre familien nicht sehen zu dürfen, auch ich habe sie. dass unsere weihnachtszeit in diesem jahr anders sein wird, liegt auf der hand. ich bin froh über die maßnahmen, sorge bereiten mir die stimmen aus der opposition, die die legitimität in frage stellen, und es ist zu erwarten, dass die ersten klagen in kürze vor den verwaltungsgerichten liegen. derweil sind die gesundeitsämter an vielen orten nicht mehr in der lage, kontakte nachzuverfolgen. unter anderem, weil die menschen falsche oder keine daten angegeben haben und weil die zahlen einfach zu hoch sind. wenn man davon ausgeht, dass jeder nur fünf (die zahl ist eindeutig zu niedrig) kontakte hätte, dann sind das bei den neunundfünzig neuinfizierten in unserem landkreis von gestern zweihundertfünundneunzig kontakte, die zu ermitteln sind. wenn ungefähr zwanzig prozent der infizierten für weitere ansteckung sorgen, sagen wir mal bei einer inzidenz von einskommadrei, dann bedeutet das, dass heute von den neunundfünzig menschen elfkommaacht, aufgerundet zwölf menschen angesteckt wurden. das sind weitere sechzig kontakte, die ermittelt werden müssen. neben den anderen, die sowieso dazu kommen. ich habe keine ahnung von mathematik, aber diese einfache rechnung verstehe auch ich. ich habe mit einfachen zahlen gerechnet, keine superspreader einbezogen. was ein schneeballsystem ist, müsste doch eigentlich allen klar sein. die menschen wollen es nicht hören. die gesundheitsämter können das nicht leisten. ganz egal, wie viel unterstützung sie von den soldaten bekommen, es ist nicht zu bewältigen. diese diskussion hatte ich auch mit v., der nicht verstehen wollte, dass meine singulärkontakte bei einem risiko weitaus geringer sind als seine. eingerechnet der faktoren, dass meine freundin in hildesheim ihre patientinnen nur für zehn minuten unter höchsten sicherheitsbedingungen trifft und meine andere freundin in oldenburg sich weigert, mich persönlich zu treffen, weil auch sie kontakt zu erkrankten hat. sie macht die untersuchung und den abstrich und lebt in einer permanenten dauerbedrohung, die ich kaum aushalte und mich frage, wie sie noch schlafen kann. nicht, wahrscheinlich. dass sich seine kontakte zwar unter hygienebedingungen abspielen, aber von längerer dauer sind und mit größeren gruppen stattfinden. in einer klasse sind durchschnittlich zwanzig personen. macht hundert kontakte im hintergrund, bei zwei lerngruppen sind es zweihundert. am tag. da sind noch keine kollegen, keine privaten kontakte dabei.
genug zahlen. ich bin müde vom zahlenschreiben. die sonne flutet den garten. das haus wartet auf mich. meine tochter in leipzig sitzt in der bibliothek und liest platon, die andere wirbelt durch das atelier in bremen.vor vielen jahren habe ich ein gedicht geschrieben, es fiel mir eben ein, als ich mein schreiben unterbrochen habe, mir einen kaffe geholt und die holztreppe nach oben gelaufen bin, auf der sich das licht im holz fängt. Hier ist es:
November
Weiter Rand und
Bogen schweren Lichts
Bewacher
keiner Sorgen.
Vorräte an Taten
Sätzen
eingelagert für die Not.
Leise brennt das Feuer schon
falls der Winter kommt.
tag 224. heute iner meiner knochentag. sie sind seltener geworden, aber die füllen meinen körper mit dumpfen schmerzen, verlangsamen alles und die treppe ist steiler als sonst. wenn ich versuche zu erklären, wie es mir an solchen tagen geht, trifft die beschreibung, es fühlt sich an wie kurz vor einer grippe, gliederschmerzen, schwäche, antriebslosigkeit, am ehesten zu. vorhin habe ich einen artikel über fatigue gelesen, mittlerweile ist das thema salonfähig geworden, gerade war ein kongress dazu in bremen. seit neunzehnhundertneunundsechszig ist es eine krankheit, das heißt nicht, dass sie anerkannt ist. vielleicht gibt es jetzt mehr aufmerksamkeit, weil viele menschen nach iherer covid-erkrankung daran leiden. als ich den artikel gelesen habe, dachte, so schlecht geht es mir zum glück nicht. es gibt menschen, die nicht mehr aufstehen können. sie leiden unter sozialer isolation, und sie haben das problem, dass man ihnen nicht ansieht, dass sie krank sind. lange verortete man die symptome in der psychosomatik, aber es scheint tatsächlich auch hinweise auf eine stoffwechselstörung zu geben. vor drei jahren habe ich ein paar wochen in einer rehaklinik verbracht, dort habe ich einen kollegen getroffen, der seit jahren mit seiner behörde um anerkennung dieser krankheit kämpfte. ich fühlte abneigung gegen diesen mann, den ich als übergriffig erlebte, wenn er sich ungefragt an unseren tisch setzte und persönliche, fast intime fragen stellte. meine gruppe, die sich nach einer woche schweigen mit mir selbst wie von selbst entwickelte, bestand aus vier sehr unterschiedlichen frauen. wir aßen zusammen, sangen, schlenderten durch den park, die stadt lag unter uns, aber bis auf kleine ausflüge zog es mich nicht dort hin. abends trafen wir uns gelegentlich in der kleinen bar vor der therme, dort spielten und redeten wir. jener mann kam aus einer anderen abteilung und die beschwichtigungen meiner rehafreundinnen, er sei angetrunken und eigentlich ganz nett, änderten meine abwehr nicht. wenn ich heute daran denke, dann tut es mir leid, dass ich ihn und seine klagen nicht ernst genommen habe. für mich war die schwäche damals ein vorübergehender zustand, man hatte dort mir gesagt, es würde mindestens ein halbes jahr dauern, bis ich wieder leistungsfähig sein würde. seitdem sind fast drei jahre vergangen. ich habe mich arrangiert mit meinem zustand. so wird der tag heute ein ruhiger, ich weiß, dass die schmerzen im lauf des tages abklingen und nur einen kleinen schatten hinterlassen werden. die nebenwirkung solcher tage ist die aufkeimende angst, die ich in mir fühle, die ich beiseite schiebe und in mir verstecke, vor der welt und allen anderen, weil sie mich nicht verstehen können und versuchen, mir mut zu machen. es geht nicht um mut, es geht um balance, meiner angst einem raum zu geben und nicht zu groß werden zu lassen, um sie wieder gehen lassen zu können. es geht um genau diesen moment. damals habe ich auch gefühlt, dass etwas nicht stimmt, und mich ausgelöscht, weil ich aus vielen gründen keinen platz gesehen habe für meine wahrheit, die noch keine worte hatte. so ist heute jede verschiebung in meiner inneren wahrnehmung ein messen für meinen körper, ich kann das nicht erklären, keinem. und dieser eine moment kann mit klarheit eine richtung vorgeben. die gruppe von damals hat sich verloren. ich konnte mir das nicht vorstellen, wir hatten so viel geteilt und absolut offen gesprochen, in unserem kosmos aus frauen, ruhe, verbindlcihkeit. doch die prognose für zwei von uns war katastrophal. eine von ihnen hat sich gegen alles an behandlung entschieden, es geht ihr gut. die andere aber, die jüngste im quartett, hatte mit einem schicksal zu kämpfen, das wolfgang herrndorf dazu gebracht hat, sich am ufer der spree das leben zu nehmen. ich denke an sie, wo immer sie nun sein mag.
day 224. today in my bone day. these dauys have become rarer, but they fill my body with dull pains, slow everything down and the stairs are steeper than usual. when i try to explain how i feel on such days, the description hits it, it feels like just before one flu, body aches, weakness, listlessness, most likely to. this morning i read an article about fatigue, meanwhile the topic has become socially acceptable, just a congress was held in bremen. it's been a disease since nineteen sixty-nine, that doesn't mean it's accepted. maybe there is more attention now because many people suffer from it after their covid disease. Wheni read the article, i thought, fortunately I'm not that bad. there are people who can no longer get up. they suffer from social isolation and they have the problem of not showing that they are sick. for a long time the symptoms were located in psychosomatic medicine, but there actually seem to be indications of a metabolic disorder. three years ago i spent a few weeks in a rehabilitation clinic, where i met a colleague who had been fighting for years with his authorities to get this disease recognized. i felt dislike for this man, whom i experienced as overbearing when he sat down at our table without being asked and asked personal, almost intimate questions. my group, which after a week of being silent with me, developed by itself, consisted of four very different women. we ate together, sang, strolled through the park, the city was below us, but apart from a few small excursions, i wasn't drawn there. in the evenings we occasionally met in the small bar in front of the thermal baths, where we played and talked. that man came from another department and the appeasement of my rehab friends that he was drunk and actually quite nice did not change my defenses. when i think about it today i'm sorry that i didn't take him and his complaints seriously. for me, the weakness was a temporary condition at the time, I was told that it would take at least half a year before i would be able to perform again. almost three years have passed since then. i have come to terms with my condition. so the day will be a quiet one today, i know that the pain will subside during the course of the day and will only leave a small shadow. the side effect of such days is the growing fear that i feel in myself, which i push aside and hide in myself, from the world and everyone else, because they cannot understand me and try to encourage me. it's not about courage, it's about balance, giving my fear a space and not letting it grow too big to let it go again. it's about this moment. at that time i also felt that something was wrong and obliterated myself because for many reasons i saw no place for my truth, which still had no words. so today every shift in my inner perception is a seismograph for my body, i can't explain that to anyone. and this one moment can clearly indicate a direction. the group from back then has lost itself. i couldn't imagine that, we had shared so much and talked absolutely openly, in our cosmos of women, calm, commitment. but the prognosis for two of us was catastrophic. one of them has decided against all treatment, she is fine. the other, however, the youngest in the quartet, had to struggle with a fate that led wolfgang herrndorf to commit suicide on the banks of the spree. i think of her wherever she may be now.
tag 222. was für eine schöne zahl. meine lieblingszahl ist zwölf, ich kann nicht sagen wieso. ein dutzend, diese einheit hat mich bereits als kind fasziniert, in ihrer abweichung vom zehnersystem, in ihrer vielfalt. die fibonaccireihe hat auch etwas magisches, vor allem in der umsetzung in gestalterische einheiten auf dem papier. da wird für mich mathematik greifbar und ästhetisches prinzip. gerade sitzt unser nachbar in der küche unter mir. auch hier zahlen das thema. die neuen verordnungen, die uneindeutig sind und offene fragen lassen. zehn menschen aus zwei haushalten lassen sich variieren. was gilt in restaurants, die wir nicht besuchen. beim fußball sind zweiundzwanzig menschen auf dem platz. in den kabinen. die engpässe bei den testungen gelten nicht für diese sportler, sie werden laufend getestet.
seit april haben wir unsere zeit im freien verbracht. nun schlendern wir richtung weihnachten, vorbei an buden, die nicht stehen werden. ich bin keine freundin von märkten, außer diesem kleinen an unserer kirche, so ein richtiger landadvent mit kartoffelpuffern, lagerfeuer und selbstgestrickten socken, die sich an den verkaufsständen stapeln. hier trinke ich einen der wenigen glühweine im jahr. höre die musik in der kirche, die ein wunderschönes gebäude mit grandioser akustik ist. manchmal fühle ich mich wie in einem traum, ich stehe neben den fluten der ereignisse und wünsche mir aufzuwachen. eben hatte ich ein bild aus dem tarkowskyfilm opfer, in dem die athmoshäre ein dichter nebel aus schauer und erlösung ist, ähnlich wie in dem dystopischen meisterwerk melancholia. auch hier ist es eine unausweichlichkeit, die sich tief in die minuten der bilderwelt eingräbt. es gibt keine katharsis. ich durchlebe filme wie eine wirklichkeit, ich weine, lache und bin nachdenklich, die stellvertretenden gefühle dieser nichtwirklichkeit sind echt. damit bereite ich mich vor auf mein eigenes, echtes leben, wie in jedem buch, in dem ein satz, eine zeile mein herz berührt, mich mit einem leisen finger antippt und zum denken bringt. dieses jahr hatte ich großes glück beim lesen, wie schon gesagt, ich habe mich verliebt in das werk von rachel cusk. der fluss ihres schreibens, die indirektheit zielt direkt auf die leser ab, die dichte ihrer schweigsamkeit nimmt mich mit in das frausein. es ist nicht meine geschichte und trotzdem ist sie mir vertraut. ebenso wie die worte von carolin emcke, die mich mit ihren reflexiven fragen an ihre schauplätze nimmt und so die geschichte zu meiner macht, zu der geschichte aller frauen: ja heißt ja aber. neulich habe ich darüber nachgedacht, was es ist, das mich an den beiden autorinnen so in eine richtung fühlen lässt, es ist etwas solidarisches, das ich auch mit margarete stokowski verbinde, unterum frei.vielleicht ist es eine art allgemeingültigkeit, die in den beschreibungen und dem lauten denken liegt. ich freue mich an deskriptiven werken. sie nisten sich in mein sein wie die bilder jener filme. und arbeiten an mir.
gerade fliegt mein Blick über die zeilen und bleiben hängen: kartoffelpuffer und katharsis. kein zufall, dass ich mir ein essen herausgesucht habe, das zu dem begriff so gut passt. denn die schwere, fettige luft, die dieses einfache gericht begleitet, hängt ihm nach. meine mutter hatte kartoffelpuffertage, an denen ich in die küche kam und sich die fertigen fladen bereits auf einem teller stapelten. bei uns gab es apfelmus dazu, natürlich, jene selbstverständliche verquickung von salzig, sauer und süß, die sich als pfeiler der badischen küche zeigt, in form von apfelkuchen mit kartoffelsuppe zum beispiel oder salzkrustige dampfnudeln mit kompott. ich liebe diese puffer mit salz. einem hauch von mus. das gericht läutert, in ihm liegen kindheit, gegenwart und zukunft, wenn ich am adventssonntag bei den landfrauen stehen werde und wissen, diesmal wird kein fett in meinen fasern stecken und ich darf die unscheinbaren krusten in eisiger kälte oder feinem niesel essen. dann ist es dunkel und ich höre den posaunenchor durch die ehrwürdigen mauern des stifts.
day 222. what a beautiful number. my favorite number is twelve, i can't say why. a dozen, this unit already fascinated me as a child, in its deviation from the system of ten, in its diversity. the fibonacci series also has something magical about it, especially in its implementation in design units on paper. for me, math becomes tangible and an aesthetic principle. our neighbor is currently sitting in the kitchen below me. there in the kitchen, too, numbers the issue. the new regulations, which are ambiguous and leave open questions. ten people from two households can be varied. what applies in restaurants that we don't visit. in football there are twenty-two people on the pitch. in the cabins. the bottlenecks in the tests do not apply to these athletes, they are continuously tested.
we have been spending our time outdoors since april. now we stroll in the direction of christmas, past booths that won't stand. i'm not a fan of weihnachtsmarkets, except for this little one at our church, a real country advent with potato pancakes, campfires and self-knitted socks that are piled up at the stalls. i drink one of the few mulled wines here in the year. listen to the music in the church, which is a beautiful building with great acoustics. sometimes i feel like i'm in a dream, i'm standing next to the flood of events and wish to wake up. I just had a picture from the tarkowsky film victim, in which the atmosphere is a thick fog of shower and redemption, similar to the dystopian masterpiece melancholia. here, too, there is an inevitability that digs itself deep into the minutes of the world of images. there is no catharsis. i experience films like a reality, i cry, laugh and am thoughtful, the vicarious feelings of this non-reality are real. with it i prepare myself for my own, real life, as in every book in which a sentence, a line touches my heart, taps me with a soft finger and makes me think. this year i was very lucky with reading, i fell in love with the work of rachel cusk. the flow of your writing, the indirectness is aimed directly at the reader, the density of your silence takes me into the feminine. it's not my story and yet it's familiar to me. just like the words of carolin emcke, who takes me to her scene with her reflective questions and thus makes the story mine, the story of all women: yes means yes but. the other day i was thinking about what it is that makes me feel so in one direction about the two authors, there is something solidary that i also associate with margarete stokowski, sometimes freely. maybe there is a kind of generality that is in the descriptions and thinking out loud. i enjoy doing descriptive works. they nestle in mine like the pictures of those films. and work on me.
Right now my gaze flies over the lines and gets stuck: potato pancakes and catharsis. no coincidence that i chose a meal that fits the term so well. because the heavy, greasy air that accompanies this simple dish hangs after it. my mother had potato puff days when i came into the kitchen and the finished flatbreads were already piled on a plate. we had apple puree with it, of course, that natural combination of salty, sour and sweet, which is a cornerstone of baden cuisine, in the form of apple cake with potato soup, for example, or salty steamed noodles with compote. i love these pancakes with salt. a touch of mus. the dish purifies, childhood, present and future lie in it, when i will stand with the country women on advent sunday and know that this time there will be no fat in my fibers and i may the inconspicuous crusts in the icy cold or fine drizzle eat. then it is dark and i hear the trombone choir through the venerable walls of the monastery.
tag 220. zurück aus der stadt, vorbei an laubkreisen auf dunkelbraunen feldern, frisch gepflügt. wir nennen es natur, aber sie ist zum hybrid geworden, organische zellen gekreuzt mit rationalisierter technologie. das arglose wasser unter den feldern scheint klar und rein. die sonne bleibt gleich, wenn sie durch die leuchtenden blattfarben auf grauen asphalt fällt. in den nachrichten die meldung, dass keith jarrett nicht mehr öffentlich auftreten wird aus gesundheitlichen gründen. das köln konzert die meistverkaufte klavierplatte der welt. während ich schreibe, läuft das konzert. es gibt musik, die wie ein zuhause ist. ich fühle mein erstaunen über diese töne, die in mir eine liebe für jazz und minimalmusik geweckt haben, lange bevor ich mich allen anderen musikrichtungen zugewandt habe. ich kannte klassik, folk und pop, meine eltern, jung und schon in einer familie gefangen hörten die musik wie ich eine generation später und meine töchter jetzt. sie sind im gleichen alter wie meine eltern in elternschaft. so wie musik ein seismograph meines lebens, meiner aktuellen bographie ist, so sehr biete mir essen ein zuhause. es gab eine zeit, da hatte ich mir geschworen, meine tochter ins leben zurückzukochen. das essen ist mir vielleicht das wichtigste aller grundbedürfnisse. sobald ich mich entschieden habe, was ich essen möchte, aus unbewussten tiefen meines körpers, durchlebe ich den prozess des kochens in meinen gedanken. ich kombiniere, fühle und wäge ab, die vorfreude auf ein gericht trägt mich über stunden. wenn meine freundin kommt, meine töchter hier sind, spreche ich meine liebe für sie durch das kochen aus. so wie ich die gerichte meiner mutter noch schmecke, weiß ich um die verortung der meinen in den erinnerungen meiner töchter. mein bruder schrieb aus italien, er und seine liebe seien auf dem heimweg, wetter, undichtes wohnmobil, und ich antwortete ihm, sie sollten sich noch gut durch italien essen. gerade sei trüffelzeit. ich verspürte unglaubliches verlangen nach der küche, den satten, erdigen gerichten norditaliens, die ich hier nur ein einziges mal gefunden habe, in einem kleinen restaurant in bremen, in der es toskanische küche gab, dicke saucen und liebe in jedem teller. letztes jahr um diese zeit war ich in heidelberg, mein vater im krankenhaus, alles sehr schmerzhaft und bedrohlich. neben meinem hotel hatte ich ein kleines französisch-italienisches feinkostgeschäft entdeckt, klein und verborgen an der bergheimer straße. mich zog die weinauslage an, die gestapelten delikatessen. ein dunkler, holziger raum voller düfte nach echter wurst und reifem käse empfingen mich freundlich. als ich schon bezahlt hatte, ich wollte in den odenwald, meinen bruder und seine liebe bekochen, fiel mein blick auf einen sommelierkühlschrank voller pilze. parasol, steinpilze. ganz frisch seien die, sagte der ladeninhaber. ich lehnte dankend ab, bemerkte, dass ich noch nie einen pilzkühlschrank gesehen hätte und bei uns die pilze immer sofort verarbeitet worden seien. er habe auch ein schönes trüffelöl, sagte er. nein, das sei mir oft nicht angenehm, lehnte ich ab. das könne er verstehen, aber dieses hier sei etwas besonderes und im übrigen habe er gerade eine lieferung bekommen. er drehte sich um und griff nach einer plastikdose. vor meinen augen öffnete er sie vorsichtig und ein betörender duft nach frischen trüffeln stieg mir in die nase und legte sich über die anderen in raum, in ihm die erde, der wald, die luft, das wasser. frisch aus dem piemont, fügte sein schweigsamer kollege hinzu, ich bin gerade zurückgekommen. die liebevoll eingewickelten knollen leuchteten mich an und ich beschloss, zwei zu kaufen, für das essen und als geschenk. ich trug meinen schatz neben wein, nudeln und käse in mein zimmer und fühlte trost. ich sah das nudelwasser kochen, den wein im glas schimmern und die kostbarkeit des pilzes in hauchdünnen streifen auf einem holzbrett liegen, dort im odenwald bei meinem bruder und seiner liebe. an keinem anderen ort wollte ich sein, mit niemand anderem meinen schmerz, die verzweiflung und den trost in einem mahl an einem tisch teilen.
day 2020. back from the city, past foliage circles in dark brown fields, freshly plowed. we call it nature, but it has become a hybrid, organic cells crossed with rationalized technology. the innocent water under the fields seems clear and pure. the sun stays the same when it falls through the bright colors of the leaves on to gray asphalt. in the news the message that keith jarrett will no longer appear in public for health reasons. the cologne concert the best-selling piano record in the world. while i'm writing the concert is on. there is music that is like a home. i feel my astonishment at these tones that awakened a love for jazz and minimal music in me long before i turned to all other musical styles. i knew classical, folk and pop, my parents, young and already trapped in a family, listened to the music like me a generation later and my daughters now. you are the same age as my parents in parenting. just as music is a seismograph of my life, my current biography, food offers me a home. there was a time when i vowed to cook my daughter back to life. food is perhaps the most important of all basic needs for me. as soon as i have decided what i want to eat, from the unconscious depths of my body, i experience the process of cooking in my mind. i combine, feel and weigh up, the anticipation of a dish carries me for hours. when my girlfriend comes, my daughters are here, i express my love for them by cooking. just as I still taste my mother's dishes, I know where mine is in my daughters' memories. my brother wrote from italy that he and his love were on their way home, weather, leaking mobile home, and i replied that they should have a good meal through italy. it is truffle time right now. i felt an unbelievable need for the cuisine, the rich, earthy dishes of northern italy, which i have only found here once, in a small restaurant in bremen that served tuscan cuisine, thick sauces and love in every plate. last year at this time i was in heidelberg, my father in the hospital, everything very painful and threatening. next to my hotel i had discovered a small french-italian delicatessen shop, small and hidden on bergheimer straße. i was drawn to the wine display, the stacked delicacies. a dark, woody room full of smells of real sausage and mature cheese welcomed me warmly. when i had already paid, i wanted to go to the odenwald to cook for my brother and his love, i saw a sommelier fridge full of mushrooms. parasol, boletus. they are very fresh, said the shopkeeper. i declined with thanks, remarking that I had never seen a mushroom refrigerator and that our mushrooms were always processed immediately. he said he also has a nice truffle oil. no, that is often not pleasant for me, i refused. he could understand that, but this one was something special and, moreover, he had just received a delivery. he turned and picked up a plastic can. he opened it carefully in front of my eyes and a bewitching smell of fresh truffles rose in my nose and lay over the others in room, in him the earth, the forest, the air. fresh from piedmont, added his silent colleague, i have just come back. the lovingly wrapped tubers lit up and i decided to buy two for food and as a present. I carried my sweetheart into my room next to wine, pasta and cheese and felt comfort. i saw the pasta water boil, the wine shimmering in the glass and the precious mushroom in wafer-thin strips on a wooden board, there in the odenwald with my brother and his love. in no other place should i be, with no one else to share my pain, despair and consolation in one meal at one table.
tag 219. heute ist der 21. oktober 2020. kein besonderes datum. ein tag wie jeder andere, mit vierundzwanzig stunden. kein tag wie jeder andere. nicht wie der zwanzigste oktober vor einem jahr, vor hundert jahren. nicht wie gestern, morgen. ich hatte eine pause vom herbst. an einem kleinen ende dieses landes, im norden, zwischen hügeln und wäldern, seen und vor allem am meer. aufgetankt mit den farben des sandes, dem wind und der gerüchen der ostsee. herausgefallen aus der zeit und den gedanken. es ist dort ein endloses gehen, über muscheln und steine, vorbei an den höhlen der seeschwalben. ein trost war es nicht. die geplante fahrt nach süddeutschland aufgeschoben in eine zeit, die noch keinen namen hat. meine tochter in der nähe in selbstisolation, zum glück kam die entwarnung schnell. die tochter in der ferne noch recht sicher vor der umklammerung jener unsichtbaren macht, die die welt beherrscht. unser landkreis, lange zeit mit unbedeutetenden zahlen in ländlichem fahrwasser, nähert sich der grenze. letzte woche schon habe ich begonnen, das tiefkühlfach zu füllen. es fühlt sich anders an als im frühjahr, daran erkenne ich, dass ich gelernt habe, auf unbewusste weise. in den supermarkt zu gehen macht mir keine angst. ich kann mit mir selbst sein und pflege meine kontakte durch schreiben; es ist mir wichtiger denn je, ein verbindung zu halten. meine sorgen vor der isolation halten sich wieder in grenzen, die unabdingbarkeit macht sie nichtig. die impfstoffversprechen reichen ins kommende jahr, auch dann wird es jahre dauern, bis alle menschen versorgt sein werden. hier muss wirklichkeit vorangestellt werden in mir drin, damit ich weiß, was auf mich zukommt. dass ich meinen vater nicht sehen kann, der gerade durch die wälder streift, mit dem Blick ins Unterholz, lässt traurigkeit wach werden. die vorstellung, meine töchter nicht sehen zu dürfen, kaum auszuhalten. aber auch das werde ich lernen, wenn es soweit ist. wir sind nicht am ende des lebens, wenn jeder tag zählt, an dem etwas nicht geschehen ist. wir trauen unseren zellen, knochen und unserem hirn, dem blutstrom in uns und dem hoffen auf ein später. weil wir so überleben und nicht dem wahnsinn der todesangst anheim fallen, die in diesem augenblick, an diesem tag in so vielen menschen wohnt und sich weigert zu gehen.
day 219. today is october 21, 2020. no special date. a day like any other, with twenty-four hours. no day like any other. not like the twentieth of october a year ago, a hundred years ago. not like yesterday, tomorrow. i had a break from autumn. at a small end of this country, in the north, between hills and forests, lakes and above all by the sea. refueled with the colors of the sand, the wind and the smells of the baltic sea. fallen out of time and thoughts. there was an endless walking, over shells and stones, past the burrows of the tern. it was no consolation. the planned trip to southern germany was postponed to a time that still has no name. my daughter nearby in self-isolation, luckily the all clear came quickly. the daughter in the distance is still quite safe from the clutches of that invisible power that rules the world. our district, for a long time with insignificant numbers in rural waters, is approaching the border. i started filling the freezer last week. it feels different than in the spring, that's how i recognize that i have learned in an unconscious way. i am not afraid of going to the supermarket. i can be with myself and maintain my contacts by writing; it is more important than ever to me to keep in touch. my worries about isolation are again limited, indispensability makes them void. the vaccine promises extend into the coming year, even then it will take years before everyone will be provided for. reality has to be put in front of me. so that I know what to expect. the fact that i can't see my father, who is wandering through the woods with a view of the undergrowth, awakens sadness. the idea of not being allowed to see my daughters is hard to bear. but i'll learn that either when the moment comes. we are not at the end of life when every day counts when something did not happen. we trust our cells, bones and our brain, the bloodstream in us and hope for a later. because we survive this way and do not fall into the madness of the deathly fear that lives in so many people at this moment, on this day and refuses to leave.
tag 213. bei einem tsunamie verschwindet zunächst das wasser. es zieht sich zurück, ehe es mit ungeahnter kraft aufs land prallt und alles mit sich reißt. die meisten tiere haben den instinkt, sich ins hinterland zu begeben, dort sind sie sicher. sie fühlen, was kommt. wir denken, das ist das problem.
tag 194. mit aller wucht in den herbst. grauingrau. im süden schneit es. gestern wäre das treffen auf der alm gewesen, abgesagt wegen schnee und regen. wie immer kommt der winter zu früh, ich konnte mir nicht vorstellen, dass der sommer zu ende ist. die jugend geht auf die straße, freitagsdemonstationen werden wieder aufgenommen, überall auf der welt. in bremen mit angemessenem konzept, alle tragen masken, halten abstand, bleiben in ihren zügen, die sich aus verschiedenen richtungen zum osterdeich bewegen. haben mir meine töchter erzählt, ich habe die bilder gesehen. heute ist wieder ein tag, an dem der wandel der welt, der kultur nicht ungesagt bleiben kann. männer nehmen sich die macht. lukaschenko vereidigt, trump baut vor, er setzt eine junge richterin als zukünftige richterin am supreme court ein. ich bin versucht, mich über den kalkulierten schachzug ihrer familienfotografien, divers, auszulassen. trump bereitet so seinem wahlsieg, den er auch mit juristischen mitteln, notfalls mit gewalt durchsetzen wird, ein breites fundament. sollte er wider aller ahnung seines amtes enthoben werden, hinterlässt er ein bedrohliches erbe. liberalismus, soziale themen und gleichberechtigung werden für viele jahre auf der strecke bleiben, da die richter konservativ sind und die errungenschaften der demokraten einstampfen werden. auch hier trauen sich viele menschen auf die straße, um gegen abtreibung zu demonstrieren, so geschehen vor einer woche in berlin. tausende sind es gewesen und ich frage mich, wie weitreichend der femonationalismus gehen wird. in diesem land bewegt eine frau sich am rand der illegalität, wenn sie sich zur abtreibung entscheidet. nicht nur, dass sie eine beratung vorweisen muss, ärzte dürfen in ihrem angebotskatalog nicht auf diesen eingriff hinweisen, das gilt als werbung. es ist ein durch und durch demütigender prozess, bei dem noch nicht einmal vom schmerz der entscheidung gesprochen wird. keine spricht darüber, nur in situationen, in denen es auf den tisch kommt. ich sehe noch das sterncover von vor dreißig jahren, als bekannte frauen bekannten, dass sie abgetrieben hätten. es war ein skandal udn wäre heute wieder einer. wir leben in einer gesellschaft, in der es frauen noch vor fünzig jahren nicht gestattet war, ohne die erlaubnis ihres mannes, so sieht es die binäre geschlechtsdeutung vor, eine arbeit anzunehmen, den führerschein zu machen. wir haben die heimlichkeit geerbt, mit der sie zum engelmacher gingen. kürzlich habe ich etwas über frauen in der politik gehört, dass bis in die achtziger jahre der anteil der frauen im bundestag nur zehn prozent betrug. der wandel kam durch die grünen. davor wurde frauen nicht zugehört bei ihren reden und man wies sie darauf hin, dass sie in röcken zu erscheinen hätten. dieser buisnessdresscode hat sich gehalten und wird durch die neue generation der vorgeblich feministisch orientierten frauen, die auf den podesten stehn und die opfer des islam anklagen, befeuert. es sind die gleichen sies, die nein zur abtreibung sagen und sich gegen den genderwahnsinn in der sprache aussprechen. eine welt, in der das geschlecht sowie die hautfarbe ein zuerst genanntes attribut bleibt, kann, muss über sprache kategorien neu definieren, sie am besten abschaffen, nur so kommen wir der essenz mensch näher. kürzlich hörte ich ebenfalls etwas über polzeiliches profiling. es ging dabei um ein handbuch für menschen, die phantombilder erstellen. dabei werden begriffe wie kaukasisch - meint europäisch - verwendet, um eine gestalterische eingrenzung zu haben. lippenformen werden ethnischen gruppen zugeordnet. dabei gibt es keine rassen, die farbe der haut, die abhängig ist von der nähe zum äquator ist ein rein phänotypisches merkmal, das keinerlei aufschluss über biologische besonderheiten gibt oder genetische, inhärente eigenschaften zulässt. wenn nun in einem polizeilichen lehrbuch die menschbeschreibung in solche worte verpackt wird, wundert es mich nicht, dass der strukturelle rassismus in der behörde ein flächendeckendes phänomen ist und oft genug nicht wahrgenommen wird. dass wir alle, ich meine Weiße, uns damit kritisch auseinandersetzen müssen, liegt auf der hand. zurück zu menschen, die sich als frau definieren: wie viele themen mit dem ausbruch eines inszenierten, vererbten schambewusstseins werden von einem mantel des schweigens verhüllt. nicht über menstruation, wechseljahre, abtreibung, sexuelle übergiffe reden. wir nehmen das hin und hoffen, dass sich die schlechten gefühle dazu in luft auflösen. lassen zu, dass politiker altherrenwitze machen und gleichgestellte sies öffentlich degradieren. lassen zu, dass menschen wie trumps missbrauchen und demütigen, in belarus menschen über bürgersteige geschleift werden. ich denke, wir unterliegen einem globalen narzisstischen machtspiel, bei dem wir eigentlich nur die flucht ergreifen können.
day 194. with all the might into autumn. grey in grey. in the south it is snowing. yesterday the meeting would have been at the alm, canceled due to snow and rain. as always, winter comes too early, i couldn't imagine that summer would end. the youth take to the streets, friday demonstrations are resumed, all over the world. in bremen with an appropriate concept, everyone is wearing masks, keeping their distance, staying on their lines that move from different directions to the easter dike. my daughters told me and i saw the pictures. today is another day when the changes in the world and in culture cannot remain unsaid. men take power. lukashenko swears in, trump is planning, he appoints a young judge as a future judge at the supreme court. this is how he prepares his election victory, which he will enforce with legal means, if necessary by force. if, against all odds, he should be removed from office, he will leave behind a threatening legacy. liberalism, social issues, and equality will fall by the wayside for many years as the judges are conservative and crush the democrats' achievements. here, too, many people dare to take to the streets to demonstrate against abortion, as happened a week ago in berlin. there have been thousands and i wonder how far-reaching femonationalism will go. in this country a woman is on the verge of illegality when she opts for an abortion. not only that she has to show advice, doctors are not allowed to refer to this intervention in their catalog of offers, this counts as advertising. it is a thoroughly humiliating process that doesn't even speak of the pain of the decision. nobody talks about it, only in situations where it comes up on the table. i can still see the star cover from thirty years ago when well-known women admitted that they had had an abortion. it was a scandal and today would be one again. we live in a society in which, fifty years ago, women were not allowed to take on a job, to get a driver's license without their husbands' permission, according to the binary gender interpretation. we have inherited the secrecy with which they went to the angel maker. I recently heard something about women in politics that until the 1980s the proportion of women in the bundestag was only ten percent. the change came through the ecologists. before that, women were not listened to their speeches and were advised that they had to appear in skirts. this business dress code has held up and is being fueled by the new generation of allegedly feminist-oriented women who stand on the pedestals and accuse the victims of islam. it is the same sies who say no to abortion and speak out against the gender madness in language. a world in which gender and skin color remain an attribute mentioned first can, must redefine categories through language, best abolish them, only in this way can we come closer to the essence of human beings. i recently heard about police profiling as well. it was a manual for people who create phantom images. terms such as caucasian - meaning european - are used in order to have a creative limitation. lip shapes are assigned to ethnic groups. there are no races, the color of the skin, which is dependent on the proximity to the equator, is a purely phenotypic feature that does not provide any information about biological peculiarities or genetic, inherent properties. if the description of man is now wrapped up in such words in a police textbook, i am not surprised that the structural racism in the authorities is a widespread phenomenon and is often not noticed. it is obvious that we all, i mean Whites, have to deal with it critically. back to people who define themselves as women: how many issues with the outbreak of a staged, inherited shame consciousness are covered by a cloak of silence. do not talk about menstruation, menopause, abortion, sexual assault. we accept that and hope that the bad feelings about it will vanish into thin air. allow politicians to joke old men and publicly demote them. allow people like trumps to abuse and humiliate people in belarus to be dragged across the sidewalks. i think we are subject to a global narcissistic power game, in which we can actually only take flight.
tag 183. ein bild. das ich seit dem wochenende nicht vergesse, hinter den anderen versteckt habe. es ist nur ein schnappschuss, der einen jungen mann zeigt. hinter, vor dem bild seine stimme, eine telefonaufnahme. navid afkari, siebenundzwanzig jahre alt. ringer. hingerichtet unter den augen der welt.
day 183. a picture. that i have not forgotten since the weekend, hidden behind the others. it's just a snapshot showing a young man. behind, in front of the picture his voice, a telephone recording. navid afkari, twenty-seven years old. wrestler. executed under the eyes of the world.
tag 181. bald zweihundert tage. zweihundert tage, die eine außergewöhnliche ausnahmesituation darstellen. zweihundert tage bilder, nachrichten, gedanken, sprechen. kaum ein tag ohne schlechte neuigkeiten. wenn es nur fünf am tag waren, sind wir bald bei tausend. die zahlen steigen weltweit und auch hier, sowohl der coronafälle als auch der ereignisse. als ich angefangen habe, mich mit den ahnen zu beschäftigen, wurde ich zu einem treffen in österreich eingeladen, ins heimatdorf meiner mutter. gerade habe ich es abgesagt. zu viele unbekannte menschen, risiko. ich werde wohl nur das land richtung süden durchqueren, um meine familie in der waldgegend zu besuchen. gestern bin ich in den wald hier gefahren. es gibt dort ein paar stellen, an denen ich steinpilze vermute und endlich bin ich fündig geworden. abgetaucht ins grün, das bald abgeworfen wird, zunächst in die herbstfarben, dann auf die schichten von blättern am boden. stellenweise gleicht der wald einer dürrelandschaft. brüchige zweige liegen herum, bedeckt von silbrigen, vertrockneten laub. doch es gibt auch kleine flecken, die riechen nach moos, stille und sporen. kleine pfade zeigen die wege eines sammlers, der offensichtlich immer die gleiche strecke läuft. ich habe meinen parallelpfad gezogen, durchs unterholz, ganz allein mit mir und aus der zeit. dieses suchen, das macht still. und es bedarf der stille und ruhe, einen fokus. in die hocke gehen, den fund betrachten und leise herausdrehen, reinigen, in den beutel im rucksack legen, den blick schweifen lassen. es geht nur so, auf den boden geheftet und dann schweifend, über erhebungen im moos und in die nischen den stümpfe. es gibt kaum etwas friedvolleres für mich. und ich sehe mich an der hand meines vaters durch die laubmeter streifen, im fastnebel. mein brennendes herz will durch die zeit springen, nicht hinein. mit langsamen schritten ist der weg am waldrand zu meinem auto wie eine rückkehr in die welt.
day 181. almost two hundred days. two hundred days, which represent an exceptional situation. two hundred days of pictures, messages, thoughts, speech. hardly a day without bad news. if there were only five a day, we'll soon be at a thousand. the numbers are increasing worldwide and here too, both corona cases and events. when i started to deal with the ancestors, i was invited to a meeting in austria, in my mother's home village. i just canceled it. too many unknown people, to much risk. i will probably only cross the country towards the south to visit my family in the forest area. yesterday i drove into the forest. there are a few places where i suspect porcini mushrooms and finally I found it. submerged in the green that will soon be thrown off, first in the autumn colors, then on the layers of leaves on the ground. in places the forest resembles a dry landscape. brittle twigs lie around, covered by silvery, dried up leaves. but there are also small spots that smell of moss, silence and spores. small paths show the paths of a collector who obviously always walks the same route. i have drawn my parallel path, through the undergrowth, all alone with myself and out of time. looking for this makes me silent. and it needs silence and calm, a focus. crouching down, look at the find and quietly unscrew it, clean it, put it in the bag in the backpack, let your eyes wander. it's only possible like that, pinned to the ground and then wandering over elevations in the moss and in the niches of the stumps. there is hardly anything more peaceful for me. and I see myself by the hand of my father through the leafy meter, in the almostfog. my burning heart wants to jump through time, not into it. walking slowly to my car at the edge of the forest is like returning to the world.
tag 168. gleich september. wir tragen die früchte ins haus. konservieren ihren duft in kleinen gläsern, bis der winter kommt und uns im öffnen erinnern, wer wir heute waren. so nähere ich mich meinen arbeiten, von zweifeln und sorgen durchbrochen. meine träume, so scheint mir, handeln auch von der akzeptanz als künstlerin in der welt, ich bin noch nicht deckungsgleich mit mir.
zu glauben, alles sei weit weg und durch argumente und freiheit in weltoffene bahnen zu lenken, naiv. die bilder vom wochenende, jene tausende an der siegessäule, vor dem reichstag, erfüllen mich mit scham, mit fassungslosigkeit. hier zitiere ich eine frau namens juna, die die quintessenz der ereignisse auf den punkt bringt, indem sie sagt, wer mit nazis marschiere, glaube, dass das keine rolle spiele, habe nicht verstanden wie faschismus funktioniert. dem habe ich nichts hinzuzufügen.
ich will den reichsflaggenfotos keine fläche bieten, nicht den flaschenwerfen, nicht den bekennenden anhängern rechten gedankenguts. dass sie es überhaupt so weit - verortet in den orten - geschafft haben, überrascht mich nicht, die denke ist seit jahrhunderten vererbt und wartet auf erweckung. was mich aber zutiefst beunruhigt ist die nachbarschaft jener überwiegend Weißen männer. es gibt keinen grund, zu behaupten, die vermeintliche freiheitseinschränkung durch maskenpflicht sei als verbindendes glied akzeptabel und würde jenseits politischer haltungen eine berechtigung zum zusammenschluss haben. letzte woche sind meine tochter und ich auf eine solche versammlung gestoßen. wir haben uns die teilnehmer angesehen, junge menschen mit regenbogenfahne, ältere, gut situierte menschen mit campingstühlen unter dem arm, familien. die bewohner einer straße, besucher einer fußgängerzone, patienten einer arztpraxis. kurz, der ganz normale alltag unserer gesellschaft. eine kleine minute war mir zum lachen, so lächerlich fand ich die reden und den applaus. doch wenn ein redner ins mikrofon wirft, er könne nicht atmen, wenn wir sind das volk gerufen wird, dann habe ich eine ahnung, was hinter den worten steckt, welchen zweck die querdenker haben, die auf diese weise propaganda betreiben. es wird zeit, die komfortzone meiner welt zu verlassen. ich hätte niemals gedacht, dass es sein könnte, von folgenden generationen die frage gestellt zu bekommen, wieso wir das nicht verhindert hätten. jene frage, die ich meinen großeltern gestellt habe. wir haben es nicht gemerkt, wir waren jung. das darf keine antwort sein.
day 168. same september. we carry the fruit into the house. preserve the scent in small jars until winter comes and when we open, we remember who we were today. so i approach my work, broken by doubts and worries. my dreams, it seems to me, are also about acceptance as an artist in the world, i'm not yet congruent with myself.
to believe that everything is far away and can be steered into cosmopolitan paths through arguments and freedom is naive. the pictures from the weekend, those thousands at the victory column, before the reichstag, fill me with shame, with bewilderment. here i am quoting a woman named juna who sums up the quintessence of the events by saying whoever marches with nazis believes that it does not matter, did not understand how fascism works. i have nothing to add to this.
i don't want to offer any space for the photos of the imperial flag, not to throw bottles, not to the avowed supporters of right-wing thought. that they made it that far - based in the places - is not surprising to me, the thought has been inherited for centuries and is waiting for a revival. but worriing deeply is the neighborhood of those predominantly White men. there is no reason to claim that the alleged restriction of freedom through the obligation to wear a mask is acceptable as a connecting link and that beyond political attitudes it would be justified to join forces. last week my daughter and me came across such a gathering. we looked at the participants, young people with rainbow flags, older, well-off people with camping chairs under their arms, families. the residents of a street, visitors to a pedestrian zone, patients in a doctor's office. in short, the normal everyday life of our society. i felt like laughing for a minute,the speeches and the applause were ridiculous. but when a speaker throws into the microphone that he cannot breathe, when people call we are the people, i have an idea of what is behind the words, what purpose the lateral thinkers have who propaganda in this way. it's time to leave the comfort zone of my world. i would never have thought that it could be that subsequent generations would ask why we hadn't prevented that. the question i asked my grandparents. we didn't notice, we were young. that shouldn't be an answer.
tag 151. fast drei wochen habe ich nicht geschrieben, nur in gedanken. zunächst wollte ich meinen pc mitnehmen, habe dann beschlossen, ihn zuhause zu lassen, ich reise gerne mit wenig gepäck und idealisierten vorstellungen, ich, an einem see sitzend, malend und schreibend - so habe ich verkündet, dass ich mir noch ein kleines notizbuch kaufen wolle, unterwegs. am see saß ich, an kleinen flüssen, gedankenleer und still. keine zeitung, keine nachrichten im fernsehen, nur ein täglicher blick auf mein handy, nach den wichtigsten ereignissen. die coronazahlen, zum beispiel. die fallzahlen stiegen bereit, als wir losfuhren, richtung süden. ich war nervös und gespannt, die woche auf der windinsel war ein rückzug von der welt im letzten winkel, aber ich wusste nicht, was mich nun erwarten würde. das nomadische leben hat mich seit meiner kindheit fasziniert und begeistert, in meinen fantasien bin ich in die zirkuswagen eingestiegen und habe in wüstenzelten gelebt. die bewegung, die als alltägliches ritual ein schritt ins unbekannte ist, ist magisch für mich. das nichtwissen, das darin gespeichert ist, öffnet die sinne. bedeutsamkeiten wechseln. alles scheint möglich. wieder einmal haben sich die träume von bilderfluten erfüllt. neugier auf die nächste kurve, die facetten von grün, die linienformen der gewässer, die uns begleiteten, fast überall. so wie wald. ich dachte, dass fast jeder aus diesem land zumindest in der nähe von wald aufgewachsen sein muss, den geruch, die blattsande, ein plätschern ebenso gespeichert hat wie ich und auch sofort in eine tiefe vertrautheit fallen muss zwischen den stämmen und kalten wasersteinen. ich weiß nicht, ob es so ist. mich hat es zutiefst friedlich gemacht, einzutauchen. in den rhythmus von tag und nacht, von einsamkeit und lärm, von wetter und bescheidenheit. es ist schon fast herbst, die sattheit der felder, die gerüche nach heu und obst, die schöne vergangenheit der blüten passen zu meinem alter, ich fühle mich wohl in dieser vorzeit der pilze und trauben. kein notizbuch habe ich gekauft, ich bin hier.
alles, was ich in den letzten monaten gelesen, gelernt, gedacht habe, breitet sich in mir aus. ich entdecke es im alltag hier, in der routine der wiederkehrenden handlungen und menschen, nicht. dort, an den fremden orten gleicher sprache, beobachte ich mich dabei, wie ich an einem kleinen tisch sitze, den espresso vor mir und meinen blick über die straße gleiten lasse, an den silhouetten der menschen, die ich nicht kennen kann, verweile und ich nur die die farbe ihrer kleidung, die umrisse ihres körpers wahrnehme und keinen wunsch verspüre, über sie zu sprechen oder zu denken, mir ihre geschichte auszudenken. es reduziert sich alles auf meine empfindung für die stimmung, sie leitet mich jenseits von worten zu einem sicheren ort. das ist mein narrativ.
day 151. i haven't written for almost three weeks, just in thoughts. at first i wanted to take my pc with me, then decided to leave it at home, i like to travel with little luggage and idealized ideas, me, sitting at a lake, painting and writing - so i announced that i would buy a little notebook wool, on the way. i was sitting by the lake, by small rivers, empty of thoughts and calm. no newspaper, no news on tv, just a daily look at my cell phone after the most important events. the corona numbers, for example. the number of cases was already rising when we started heading south. i was nervous and tense, the week on the wind island was a retreat from the world in the last corner, but i didn't know what to expect. nomadic life has fascinated and inspired me since childhood, in my fantasies I got into the circus wagons and lived in desert tents. the movement, which as an everyday ritual is a step into the unknown, is magical for me. the not-knowing that is stored in it opens the senses. change meanings. everything seems possible. once again the dreams of floods of images have come true. curiosity about the next curve, the facets of green, the lines of the water that accompanied us, almost everywhere. like forest. i thought that almost everyone from this country must have grown up at least near the forest, has saved the smell, the leaf sands, a rippling as well as i have and must immediately fall into a deep intimacy between the trunks and cold water stones. i don't know if it is like that. it made me deeply peaceful to dive in. in the rhythm of day and night, of loneliness and noise, of weather and modesty. it is almost autumn, the saturation of the fields, the smells of hay and fruit, the beautiful past of the blossoms match my age, i feel good in this presage of mushrooms and grapes. i haven't bought a notebook, i'm here.
everything that I have read, learned, and thought over the past few months is spreading within me. i don't discover it in everyday life here, in the routine of repetitive actions and people. there, in strange places with the same language, i watch myself sitting at a small table, letting the espresso glide in front of me and my gaze across the street, lingering at the silhouettes of the people i don't know and myself only perceives the color of their clothes, the contours of their body and i feel no desire to talk about them or think about them, make up their story for me. everything is reduced to my feeling for the mood, it guides me beyond words to a safe place. this is my narrative.
tag 131.
day 98. but no weekly entry. i'm on vacation. the last days were filled with sun and water, the shades of blue of the baltic sea were new, different. hühnergötter are no longer to be found on the beach, those stones hollowed out water promise happiness. in addition to the blue of the sea, the sky, the luminous fields, the cereal pre-ripening and with yellow shadows, the red of the poppies, washed out blue in corm flowers, a wind that swirls the colors. on some days i can hear the sea lying behind me. it is a quiet place, here in the north of the island. swallows live under the roof, narrow avenues cross the landscape. the bodden shine in the light, surrounded by green hills. the ranes were here, and the four-headed svantovit was built a gnaz temple nearby. it is a holy land, here on wittow, the wind island. a stone circle next to our accommodation. i didn't know anything about it. standing at the shore, i appreciate the charm of this place, its calmness, its strength and breadth, the fertility of the environment. the strength and power of the sea. svantovit looks in all directions.
this island has many faces. there is this quiet side path, on which there is nothing but nature and color, curved lines. the buildings are reminiscent of the cold war, the shades of gray and disturbingly puristic buildings, halls and houses are silent witnesses. as soon as you approach the well-known locations of tourism, parking spaces and paths fill up, it's a mess that doesn't fit here at all and contradicts the aura of the island. surrounded by water, we have been trying to get fresh fish for days now. after a long search we found a shop that is open today. there are many people here, young families, older people, fresh couples and friends. they crowd at the ferry entrance as if they forgot all the rules. i hesitated to enter it. i set up next to the bicycles, with me the bodden and the birds on the water. on our way back from the small island, the icy, refreshing water, a beach chair and white sand, we had a spacious place from which we absorbed the changing landscapes. while i am in nowhere, the news about new outbreaks and case numbers are increasing. with us and in the world. it will go on for a long time. where there is no space for space, nobody can recede. here, where there could be so much space between us, people ignore possibilities, luxury, freedom with their one-dimensional perspective - distance. i wish them four heads, one for each direction.
tag 98. doch kein wöchentlicher eintrag. ich bin im urlaub. die letzten tage waren gefüllt von sonne und wasser, die blauschattierungen der ostsee neu, anders. hühnergötter sind nicht mehr zu finden am steinstrand, jene vom wasser ausgewaschenen steine, die glück verheißen. neben dem blau des meeres, des himmels die leuchtenden felder, das getreide vorreif und mit gelbem schatten, das rot des mohns, ausgewaschenes blau in kormblumen, ein wind, der die farben wirbelt. an manchen tagen höre ich das meer hinter mir. es ist ein stiller ort, hier ganz im norden der insel. schwalben wohnen unter dem dach, schmale alleen durchkreuzen die landschaft. die bodden glänzen im licht, umgeben von grünen hügeln. die ranen waren hier, dem vierköpfigen svantovit wurde ganz nah ein tempel errichtet. es es ist ein heiliges land, hier auf wittow, der windinsel. neben unserer unterkunft ein steinkreis. ich wusste nichts darüber. wenn ich da am ufer stehe, begreife ich den reiz dieses ortes, seine stille, seine kraft und weite, die fruchtbarkeit der welt. die stärke und macht des meeres. svantovit sieht in alle himmelsrichtungen.
diese insel hat viele gesichter. da gibt es diesen ruhigen nebenpfad, auf dem nichts ist außer natur und farbe, geschwungene linien. die bebauung erinnert an die zeit des kalten krieges, grautöne und die verstörend puristischen bauten, hallen und häuser sind stumme zeugen. sobald man sich den bekannten schauplätzen des tourismus nähert, füllen sich parkplätze und wege, es ist ein durcheinander, das gar nicht hierher passt und der aura der insel widerspricht. seit tagen versuchen wir, von wasser umgeben, frischen fisch zu bekommen. nach langer suche haben wir einen laden gefunden, der heute geöffnet hat. es sind viele menschen hier, junge familien, ältere menschen, frische paare und freundinnen. sie drängen sich am eingang zur fähre, als ob sie alle regeln vergessen hätten. ich habe gezögert, sie zu betreten. mich dann neben den fahrrädern eingerichtet, mit mir der bodden und die vögel auf dem wasser. auf dem weg zurück von der kleinen insel, dem eisigen, erfrischendem wasser, einem strandkorb und weißem sand, hatten wir einen weiträumigen platz, von dem aus wir die wechselnden landschaften aufsogen. während ich im nirgendwo bin, mehren sich die nachrichten über erneute ausbrüche und steigende fallzahlen. bei uns und auf der welt. es wird noch lange so gehen. dort, wo kein platz für platz ist, kann niemand sich entfernen. bei uns, wo es so viel raum zwischen uns geben könnte, ignorieren die menschen durch ihre eindimensionale blickrichtung möglichkeiten, luxus, freiheit - abstand. ich wünsche ihnen vier köpfe, für jede himmelsrichtung einen.
day 64. nights are getting shorter. the blackbirds can be heard at dawn, in the evening the darkness creeps in more quietly. it is the time loosing my feeling for the time. i don't wear a wrist watch for many years and use my inner self. even as a child this was a game with myself. refined over the years. perfected during my years in school. now there is a transition from winter to summer and my body has to get used to the light, the position of the sun and the warmth, which always feels different on the skin during the day. a few years ago my father gave us a self-made sundial that is very precise. it hangs next to the front door and invites you to enter the house like a gate. almost magical, as it shows something that is not, like a goal that bundles strength as it passes. so the world is full of symbols for intangible.
now the crisis has a new face. we leave the house wisely, our circles are growing. i'm carefully planning a vacation with my oldest friend. no hotel, safe region, little contact. while we sat in the garden after a long walk to eat asparagus, it almost felt like before. but not being able to hug his friend is a bizarre experience.
it seems that this new face also reflects the subversive political forces, symbolized by the mask refusal. for many years i have been afraid of the burgeoning and feel the bubbling of folk ideas that spill into the systems of the small town, the school, the clubs, the neighborhood. ready the advent of the afd has shown us that the well-known circle has supporters of this marginal party and their statements and we all avoid talking about politics. what happens now goes one step further. when the demonstrators chant "we are the people", i stand close to the chills. baseless conspiracy theories serve to instrumentalize - and successfully. i don't dare put a stop Nazi sticker on my car next to "wheredoesyourheartbelong", which my children are currently driving. but i'm considering turning on the police because a shirt with an imperial eagle print was on display in the front yard of our tranquil town. it is time. through the gate.
tag 64. die nächte werden kürzer. im morgengrauen sind die amseln zu hören, abends schleicht die dunkelheit sich leiser ein. es ist die zeit, wenn ich mein gefühl für die stunden verliere. seit vielen jahren trage ich keine uhr und richte mich nach meiner inneren. schon als kind war dies ein spiel mit mir selbst. verfeinert über die jahre. perfektioniert während meiner jahre in der schule. nun ist ein übergang von der winterzeit zum sommer und mein körper muss sich erst an das licht, den sonnenstand und die wärme gewöhnen, die sich im lauf des tages immer anders auf der haut anfühlt. mein vater hat uns vor ein paar jahren eine selbstgebaute sonnenuhr geschenkt, die sehr genau ist. sie hängt neben der haustür und lädt ein, das haus zu betreten wie ein tor. fast magisch, wie sie etwas zeigt, das nicht ist, so wie ein tor die kraft bündelt im durchschreiten. so ist die welt voller symbole für ungreifbares.
nun hat die krise ein neues gesicht. mit bedacht verlassen wir das haus, unsere kreise werden größer. vorsichtig plane ich einen urlaub mit meiner ältesten freundin. kein hotel, sichere region, wenig kontakt. während wir nach einem langen spaziergang im garten saßen, um spargel zu essen, fühlte es sich fast an wie früher. aber seine freundin nicht in den arm nehmen zu können, ist ein bizarres erlebnis.
es scheint, dass dieses neue gesicht auch die subversiven politischen kräfte spiegelt, symbolisert durch die maskenverweigerung. seit vielen jahren fürchte ich das aufkeimen und fühle das brodeln völkischen gedankenguts, das in die systeme der kleinstadt, der schule, der vereine, der nachbarschaft schwappt. bereit das aufkommen der afd hat uns gezeigt, dass der bekanntenkreis befürworter dieser randpartei und ihren aussagen hat und wir alle vermeiden gespräche über politik. was nun passiert, geht einen schritt weiter. wenn die demonstranten "wir sind das volk" skandieren, stehe ich kurz vor dem schüttelfrost. haltlose verschwörungstheorien dienen der instrumentalisierung - und zwar erfolgreich. ich wage nicht, einen stopptnazisaufkleber auf mein auto zu kleben, neben "wheredoesyourheartbelong", das zur zeit von meinen kindern gefahren wird. ich überlege aber, die polizei einzuschalten, weil in einem vorgarten unseres beschaulichen städtchens ein shirt mit reichsadleraufdruck zur schau gestellt war. es wird zeit. durchs tor.
day 44. wrote something in the blog again after a long time. metamorphosis has been my topic for the past few weeks. inner restlessness for me is often expression inner, unconscious processes. i often don't even notice it and wonder about restlessness and withdrawal. then there is something working in my soul. it fits this crisis, which has resulted in and will result in many obvious transformations that are visible on the surface. but still lying in the dark below. just as we now have to read other peoples faces in their eyes, and their smiles, perhaps their bitterness, are hidden. the truth may be spoken in a muted voice. we no longer know what the other person really means, we have to learn to perceive again. us and the world.
tag 44. habe gerade nach langer zeit wieder etwas im blog geschrieben. verwandlung ist mein thema der letzten wochen. innere unruhe bei mir oft ausdrck innerer, unbewusster prozesse. oft merke ich es gar nicht und wundere mich über rastlosigkeit und rückzug. dann arbeitet es in mir. es passt zu dieser krise, die viele offenkundigen verwandlungen zur folge hatte und haben wird, die an der oberfläche sichtbar sind. doch darunter noch im dunkeln liegen. so wie wir nun die gesichter anderer menschen an ihren augen lesen müssen, und ihr lächeln, vielleicht ihre bitterheit verborgen liegt. mit gedämpfter stimme wird vielleicht die wahrheit gesprochen. wir wissen nicht mehr, was der andere wirklich meint, wir müssen neu verstehen lernen.uns und die welt.
04/07. the distances get longer, the energy for writing less, thouh I think about it a lot. there is still a strange silence over the world, even the spring birds cannot chirp it away. the last two days felt a bit like vacation, it was warm and sunny, i was able walking barefoot through the garden. surprisingly, something like calm spreads in me. maybe because i'm actually forced to rest and my day is no longer cut off by outside actions. being in this house feels like being on an island. the big world outside is full of danger in this place, there is silence. i started listening to music again and filled up my playlists with old favorite songs. listen to podcasts, deal with feelings. for example shame. in our western countries, shame is absolutely self-centered, while shame in collectively oriented societies affects everyone in particular. there are no hamster purchases of toilet paper, pasta and yeast. there are few boundaries here, everyone is closest to themselves. the wearing of face masks has not even been hinted yet, the wellbeeing of everyone is not at least on par with the individual. many actions give me courage, collecting money for cultural companies, sewing masks, supporting local businesses. contemplating values. the inner contemplation. the world will be different after this time. at the same time, i also feel fear for the first time. from the fact that there are violations when bottlenecks arise. all around the world. yesterday a picture of the earth was seen on television, with the chancellor saying that nowhere else in the world could there be a safer place than another. she`s right, the pandemic unites us across all borders. and it multiplies the need that is already there anyway. yesterday i decided to finally leave the church. i paid so much to the church that i could have bought a car from it. now i want to use my money for other purposes. i used the church, i got married there, baptized our children, went to services and went to the small chapel of prayer. our children sang in the choir. i trained as a religion teacher there. it is a subject that i love because it is free and leaves room for philosophical and ethical issues, for social questions and thoughts and the children love these lessons. i always felt that i had to behave loyally and considered the institution of the church to make sense. if i think of my death, i don't want to be buried in a christian church way. my belief is too interdenominational for this and is not filled by christianity. i am spiritual and feel my roots in the universe. in connection with all creeds and at the same time i feel in detachment from denominations. there are a few answers everywhere. what unites us humans is the belief that we are part of something higher, the expression of which lies in ourselves. i believe in the soul, in its immortality and its return. believe in the deep unconscious in me that exists in the abolition of time and space, in the big field. to love, to blessings. everyone can approve of another. i bless you out there. take good care of you.
07.04.. die abstände werden länger, die energie zum schreiben weniger. ich denke viel darüber nach, aber ich tue es nicht. noch immer liegt eine merkwürdige stille über allem, auch die frühlingsvögel können das nicht wegzwitschern. die letzten beiden tage haben sich ein bisschen wie urlaub angefühlt, es war warm und sonnig, ich konnte barfuß durch den garten laufen. in mir macht sich erstaunlicherweise etwas wie ruhe breit. vielleicht, weil ich tatsächlich zur ruhe gezwungen bin und mein tag nicht mehr durchschnitten ist von handlungen im außen. hier zu sein, das fühlt sich an wie auf einer insel. da draußen ist die große welt voller gefahren und hier im haus herrscht stille. ich habe wieder begonnen, musik zu hören und meine playlisten mit alten lieblingsliedern aufgefüllt. höre podcast, beschäftige mich mit gefühlen. zum beispiel scham. in unseren westlichen ländern ist scham etwas absolut ichbezogenes, während scham in kollektiv orientierten gesellschaften vor allem das wohl aller betrifft. dort gibt es keine hamsterkäufe von toilettenpapier, nudeln und hefe. hier gibt es diesbezüglich wenig grenze, jeder ist sich selbst am nächsten. auch das tragen von gesichtsmasken hat sich bisher hier nicht einmal angedeutet, das wohl der anderen ist nicht mindestens ebenbürtig mit dem individuellen. viele aktionen machen mir mut, das sammeln von geld für kulturbetriebe, das nähen von masken, die unterstützung lokaler geschäfte. das nachsinnen über werte. die innere einkehr. die welt wird eine andere sein nach dieser zeit. zugleich fühle ich auch das erste mal furcht. davor, dass es zu übergriffen kommt, wenn engpässe entstehen. überall auf der welt. gestern war ein bild der erde im fernsehen zu sehen, mit den worten der kanzlerin, dass es nirgendwo auf der welt mehr einen sichereren ort als einen anderen gäbe. da hat sie recht, die pandemie vereint uns über alle grenzen hinweg. und sie vervielfältigt die not, die sowieso schon da ist. gestern habe ich beschlossen, endgültig, aus der kirche auszutreten. ich habe so viel an die kirche gezahlt, dass ich mir davon ein auto hätte kaufen können. nun will ich dieses geld anderen zwecken zuführen. ich habe die kirche genutz, ich habe dort geheiratet, unsere kinder taufen lassen, bin zu gottesdiensten und in die kleine kapelle der andacht gegangen. unsere kinder haben im chor gesungen. ich habe meine ausbildung zur religionslehrerin dort gemacht. es ist ein fach, das ich liebe, weil es frei ist und raum lässt für philosophische und ethische, für soziale fragen und gedanken und die kinder freuen sich auf diese stunden. ich habe immer das gefühl gehabt, ich müsse mich loyal verhalten und habe die institution der kirche als sinnvoll erachtet. wenn ich an meinen tod denke, dann möchte ich nicht kirchlich bestattet werden. dafür ist mein glaube zu überkonfessionell und wird vom christentum nicht gefüllt. ich bin spirituell und fühle meine wurzeln im universum. in verbindung mit allen konfessionen und gleichzeitig in der loslösung davon. überall gibt es ein paar antworten. was uns menschen vereint, ist der glaube, teil von etwas höherem zu sein, dessen ausdruck in uns selbst liegt. ich glaube an die seele, an ihre unsterblichkeit und wiederkehr. an das tiefe unbewusste in mir, dass in der aufhebung von zeit und raum existiert, im großen feld. an die liebe, an den segen. jeder kann einen anderen gutsprechen. ich segne euch da draußen. passt gut auf euch auf.
03/25.a slow routine creeps in. the restlessness has given way to a quiet, almost humble wait. in conversations we deal intellectually with the consequences for football, for economy. the results and causes are in global networking, this ambivalent power and gift. in this town there are ten cases of the disease. we know that the risk increases with each day. everyone has someone in a retirement home. know farmers who now have to spread their seedlings and do not know how long their milk will be picked up. the asparagus harvest is just in front. everyone knows risk patients. we are on phone as much as we haven't been in years. news from the world scare me. we have space, we have wide, forest, water. India? Syria?
in the face of the crisis, i can deal with the stages of mourning, the same-time of anger and denial, of depression, of accepting. perhaps, i've finished the first run in this reversing process. now, i manage to turn to the inner world again. to give myself the order to become stronger, to stay strong. there's nothing i want to talk about. i wish to paint for giving away.
25.03.eine langsame routine schleicht sich ein. die unruhe ist einem stillen, fast demütigen warten gewichen. ich weiß nicht, worauf. in gesprächen setzen wir uns mit den folgen für den fußball, die wirtschaft und der ganzen vernetzung aller ebenen auseinander. in unserer kleinen stadt gibt es zehn fälle der erkrankung. noch ist es ruhig,aber wir wissen, dass das risiko mit jedem tag steigt. jeder hat irgendjemanden in einem seniorenheim. kennt landwirte, die nun ihre setzlinge ausbringen müssen und nicht wissen, wie lange ihre milch noch abgeholt werden wird. die spargelernte steht vor der tür. jeder kennt risikopatienten. wir telefonieren so viel wie seit jahren nicht mehr. nachrichten aus der welt erschrecken mich. wir haben platz, wir haben weite, wald, wasser. indien? syrien?
da sitze ich hier und kann mich angesichts der krise mit den stufen der trauer befassen, der gleichzeitgkeit von wut und leugnung, der depression, dem annehmen. vielleicht habe ich die erste runde in diesem widerkehrenden prozess beendet, ich schaffe es wieder, mich der inneren welt zuzuwenden. mir selbst aufgaben zu geben, um stärker zu werden, zu bleiben. mir fällt nichts ein, über das ich reden möchte. will malen, will alles weggeben.
03/22. blue day. and i feel blue.
22.3. blauer tag. und blaues gefühl.
03/21 the day today is steeped in silence. the restlessness that has haunted me in the past few days has subsided and has given way to silence. apparently everyone in my family is like this, the four of us move through the house and the garden, each one for him*herself, the need for rest and being with him*herself and doing something radiating. there is a heavy silence over everything.
i'm happy about virtual opportunities. looking at the paintings of others gives me courage, occasional contacts and small likes feel like community and solidarity with everyone. i've always asking myself who these people on Instagram are. for me, they are now getting even more character, those in italy, in the usa, in south america. we all had a life that was shaped by rhythms that we could largely foresee. we all love, eat, cultivate friendships, know the crative loneliness and doubt. perhaps artists are particularly good at improvising and living with uncertainty, because entering the creative space means knowing nothing.
there is a story in german about how a group of mice prepares for winter. everyone works, they bring supplies and prepare construction for the cold. there is just one mouse, walking to the annoyance of others through the sun, the landscape and the wind. in winter, when all the mice are in the burrow, they start to get bored. that's when the one mouse starts telling stories: from the light of the sun, from meadows and flowers, from the wind, from the world. she is painting pictures from words for her friends.
many, many of the creative artists, in germany and everywhere, not only fight politically for values, for solidarity and freedom. they are now giving us their performances, they are singing songs for us, they are filling spaces with joy. thank you.
21.03. der tag heute ist von großer stille durchdrungen. die unruhe, die mich in den letzten tagen so umgetrieben hat, hat sich gelegt und ist einem schweigen gewichen. anscheinend geht es allen in meiner familie so, wir vier ziehen durch das haus und den garten, jeder für sich, das bedürfnis nach ruhe und mit sich sein und tun ausstrahlend. eine schwere stille liegt gerade über allem.
ich freue mich über virtuelle möglichkeiten. die gemälde anderer zu betrachten gibt mir mut, gelegentliche kontakte und kleine likes fühlen sich nach gemeinschaft und solidarität an, zu allen. schon immer habe ich mir überlegt, wer diese menschen bei instagram sind, denen ich folge. für mich bekommen sie nun noch mehr gestalt, jene in italien, in den usa, in südamerika. wir alle hatten ein leben, das von rhythmen geprägt war, die wir zum großen teil voraussehen konnten. wir allen lieben, essen, pflegen freundschaften, kennen die krative einsamkeit und zweifel. vielleicht sind künstler besonders gut im improvisieren und dem leben mit unsicherheit, denn den gestalterischen raum zu betreten, heißt nichts zu wissen.
im deutschen gibt es eine kindergeschichte, die davon handelt, wie eine gruppe von mäusen sich auf den winter vorbereitet. alle arbeiten, sie schaffen vorräte herbei und bereiten den bau für den winter vorbei. nur eine maus, die spaziert zum ärger der anderen durch die sonne, die landschaft und den wind. als im winter alle mäuse in ihrem bau sind, beginnen sie sich zu langweilen. da fängt jene eine maus an, geschichten zu erzählen: vom licht der sonne, von wiesen und blumen, vom wind, von der welt. sie malt nun bilder aus worten für ihre freunde.
viele, viele der kulturschaffenden, in deutschland wie überall, kämpfen nicht nur politisch für werte, für solidarität und freiheit. sie schenken uns jetzt ihre aufführungen, sie singen für uns lieder, sie füllen räume mit freude. ich danke ihnen und euch dafür.
3/19 the courtyard bus from mr. and mrs. wiese arrived yesterday afternoon. this is a family from the neighboring town, which has owned and managed a farm with an attached farm shop there for generations. on their tour of the surrounding communities, the couple comes through our city every two weeks and sells its products. although they produce conventionally, we like to buy from them. the carrots are considered incomparable in the whole district, the chickens live happily and it is known who slaughtered and processed the pig. sometimes there are organic chickens from a friend, often homemade jam, salads and fresh fruit. i love it when the bus drives out the door, it reminds me of my childhood in the country. the egg woman and the knife sharpener explained the rhythm of the week and year when i heard the sound of their vehicles. our day had such rhythms aswell. especially in summer. then, in the late afternoon, the ice cream man came and rang the bell next to the house. in the evening, we ran down the mountain to get fresh milk, with warm asphalt under our bare feet. this was the end of the day. now, on wednesday at around half past four, every two weeks is the rhythm of wieses.
wieses, this family from the neighboring town, has a firm customer base. especially old people from our small town can rely on the vw-bus arriving every fourteen days at the same time, bringing them potatoes and taking them out of their loneliness for a brief moment. they always seem to have time for a conversation. like good old acquaintances, we know a little about each other, not much, but we two women are mutually aware of our health crises. sometimes a small sentence is enough for understanding, and for a moment there is a connection in which deep mutual understanding resonates. when we're not at home, wieses put eggs and potatoes in front of the door. will be paid next time.
yesterday mrs. wiese came alone. she stopped at the beginning of our driveway and while i was walking towards her, with cardboard and a linen bag under my arm, i saw her disinfecting her hands, it was a small, humble gesture. she said to me that she would keep her distance, that i should give her the bag. in it she filled the ordered and put it on the hedge. suddenly i realized that she had planned this beforehand. to park in another place, to use the hedge as a spacer and counter to protect me. i know, she said, that your immune system is not good. it touched me deeply. i pray for wieses that they stay healthy, that they can continue to drive, and that what i recognize as charity also happens to them.
19.03. gestern nachmittag kam der hofladenbus von wiese. das ist eine familie aus dem nachbarort, die dort seit generationen einen bauernhof mit angeschlossenem hofladen besitzt und bewirtschaftet. auf ihrer tour durch die umliegenden gemeinden kommen wieses alle zwei wochen durch unsere stadt und verkaufen ihre produkte. obwohl sie konventionell produzieren, kaufen wir gerne bei ihnen ein. die möhren gelten im ganzen landkreis als unvergleichlich, die hühner leben glücklich und es ist bekannt, wer das schwein geschlachtet und verarbeitet hat. manchmal gibt es biohühner von einem freund, oft selbsgekochte marmelade, salate und frisches obst. ich liebe es, wenn der bus vor die tür fährt, es erinnert mich an meine kindheit auf dem land, wo mir die eierfrau und der messerschleifer den rhythmus der woche und des jahres erklärten, wenn ich das geräusch iherer fahrzeuge hörte. unser tag hatte auch solche rhythmen. besonders im sommer. dann kam am späten nachmittag der eismann und klingelte auf der kreuzung neben dem haus. abends liefen wir barfuß den berg hinab zum bauern, um frische milch zu holen. damit war der tag zu ende.mittwochs gegen halb fünf, alle zwei wochen, ist der wieserhythmus.
die wieses, diese familie aus dem nachbarort, hat einen festen kundenstamm. vor allem alte menschen aus unserer kleinen stadt können sich darauf verlassen, dass alle vierzehn tage zur gleichen uhrzeit der vw-bus vorfährt und ihnen kartoffeln bringt und sie für einen kurzen moment aus ihrer einsamkeit holt. denn wieses scheinen immer zeit zu haben für ein gespräch. wie gute alte bekannte wissen wir ein bisschen voneinander, nicht viel, aber die gesundheitlichen krisen sind uns frauen gegenseitig bekannt. manchmal genügt ein kleiner satz für das verstehen, und für einen moment besteht eine verbindung, in der tiefes gegenseitiges verständnis schwingt. und manchmal frage ich mich, wie die beiden das machen, wann all die marmelade gekocht wird, das brot gebacken, der salat gemischt. wenn wir mal nicht da sind, stellen die beiden eier und kartoffeln vor die tür. bezahlt wird beim nächsten mal.
gestern kam frau wiese allein. sie hielt am beginn unserer auffahrt und während ich auf sie zuging, mit eierpappen und einem leinenbeutel unter dem arm, sah ich wie sie ihre hände desinfizierte, es war eine kleine, bescheidene geste. sie sagte zu mir, dass sie abstand halten würde, ich solle ihr mal den beutel geben. darin füllte sie das bestellte, und legte es auf die hecke. mir wurde klar, wie ein plötzliches erkennen fühlte ich, dass sie es vorher geplant hatte. an einem anderen platz zu parken, die hecke als abstandshalter und tresen zu nutzen, um mich zu schützen. ich weiß ja, sagte sie, dass dein immunsystem nicht gut ist. es hat mich zutiefst berührt. ich bete für sie, dass sie gesund bleiben, dass sie weiter fahren können, und dass das, was ich auch als nächstenliebe erkenne, ihnen auch widerfährt.
3/18 yesterday i thought about the nature of disasters. for me it was always a concept that I located on events in another part of the world. in addition, a disaster has something immediate, it is suddenly there - a volcanic eruption, for example.
now it seems as if something that many people call catastrophic is already there in some places in the world, but here it is crawling towards us. the invisibility speaks for itself and the speed cannot be recognized. we react to this by creating visibility in action, as if we wanted to give shape to this invisibility. we talk about what comes and will come before our eyes, we watch it in the media, we shop and create a reality.
fortunately, people have the ability to activate their emotional resilience and to counteract these actions, images and announcements with normality. while the news ticker is running, we can deal with everyday life, work in the garden, read books and love the sunshine. I am so happy that we can protect ourselves, that we give our thoughts some time out and that we can focus on alternatives.
last night i sat on our terrace in the dark. it was so quiet. so dark. there was something strange about this silence, and I couldn't enjoy it, although I always long for places where it is really quiet. so it is: the silence of the evening has two faces. there is the beauty of darkness, the space that is free for the sound of the stars. next to it is the silence of admonition, of memory that whispers to me, something is wrong here.
and although on some days i'm good at everyday life and stopping to think, it shows to me that there is currently a multiplication of truth in many moments. she has many faces. all are real.
I now think of all those who are sick, who fight, who provide and help. to those who don't understand what's happening, to those who are lonely. to the grieving. to the fearful. be protected and blessed.
18.03. gestern habe ich über das wesen von katastrophen nachgedacht. für mich war das immer ein begriff, den ich auf geschehnisse, ereignisse in einem anderen teil der welt verortet habe. außerdem hat eine katastrohe etwas unmittelbares, sie ist plötzlich da - ein Vulkanausbruch zum Beispiel.
nun scheint es, als ob etwas, das von vielen menschen als katastrohe bezeichnet wird, an manchen orten der welt schon da ist, hier aber auf uns zu kriecht. die unsichtbarkeit spricht für sich und die geschwindigkeit ist nicht zu erkennen. wir reagieren darauf mit erschaffen von sichtbarkeit im handeln, so als wollten wir dieser unsichtbarkeit eine gestalt geben. wir reden über das, was vor unsere augen kommt und kommen wird, wir beobachten es in den medien, wir kaufen ein und schaffen so eine wirklichkeit.
zum glück haben menschen die fähigkeit, ihre emotionale widerstandskraft zu aktivieren und diesen handlungen, bildern und ankündigungen normalität entgegenzusetzen. während der nachrichtenticker läuft, können wir uns mit dem alltag beschäftigen, im garten arbeiten, bücher lesen und den sonnenschein lieben. ich bin so foh darüber, dass wir uns selbst beschützen können, dass wir unseren gedanken eine auszeit geben und unseren focus auf alternativen legen können.
gestern abend saß ich auf unserer terrasse, im dunkeln. es war so still. so dunkel. diese stille hatte etwas fremdes, und ich konnte mich daran nicht freuen, obwohl ich mich immer nach orten sehne, an denen es wirklich still ist. so ist es: die stille des abends hat zwei gesichter. da gibt es die schönheit der dunkelheit, den raum, der frei wird für den klang der sterne. daneben ist die stille des mahnens, des erinnerns, das mir zuflüstert, hier stimmt was nicht.
und obwohl ich an manchen tagen gut bin im alltag und gedankenstoppen, zeigt sich mir, dass sich gegenwärtig in vielen momenten eine vervielfältigung der wahrheit zeigt. sie hat viele gesichter. alle sind echt.
ich denke jetzt an all die, die krank sind, die kämpfen, die versorgen und helfen. an die, die nicht verstehen, was geschieht, an die, die einsam sind. an die trauernden. an die ängstlichen. seid beschützt und gesegnet.
17.03. i heard a report earlier that asked the repeated question of the usefulness of (self-sewn) breathing masks. drosten, the well-known virologist, said that the usual masks would only protect other people. apart from the fact that there are no masks, he believes, however, that for cultural reasons no broad group would wear a mask out of consideration for the other people as in asian countries. but: he thinks it is a creative, possibly meaningful idea to sew colorful masks, wear them and show solidarity. in this context, something occurs to me that i have read. namely that people from western culture and people from Asian cultures have different perceptions of the world. if you ask people from both groups to take a selfie in a specific area, e.g. a european in the center of this photo, a japanese shows a lot of surroundings, in the context of which he*she is. In many asian cultures, the focus is on the environment, the individual is not the center, but part of a larger system or organism. this can be transferred to many other areas of life: the well-being of the community is above that of the individual. for me, this explains the immense willingness to help in the crisis countries, the voluntary services for the community and the incredible discipline with which state measures for the well-being of people and the state can be explained.
we have not learned to deal with disasters. i was born and raised in a free, peaceful and well-off world. my fridge was always full, i never froze, i always had water and a lot of space for myself. But it has also been clear to me for a long time in the observation of children and their parents that the size of the ego can apparently grow. i reserve the right to store hygiene articles for myself, to hoard breathing masks, to ignore the instructions on how to behave in public. the appeal to the population to do everything to protect the elderly and the weak is fading. that would not be possible in an asian country. there you protect yourself in contact, there you care, there you disinfect with volunteers. do not get me wrong, many here and everywhere cares for their older family members and their neighbors lovingly, especially now and now. we have many solidary and helpful people and the reports and observations always make me happy. but as long as this aid is not a mass movement, by those who are not at risk and those who are already healed, it is a drop in the bucket. somehow i hope that this catastrophe will reveal the good in us. that we manage to open supermarkets at certain times for senior citizens only. to call people and chat with them. develop and share creative tasks for yourself and others. to voluntarily forego the public. keep your distance. feel how good it can feel like not having to buy anything new, not needing anything other than essential human needs. the community that is more important to each other than ever before gives hope for another future after corona.
17.03. vorhin habe ich einen bericht gehört, in dem die wiederholte frage nach der nützlichkeit von (selbstgenähten) atemmasken gestellt wurde. droste, der bekannte virologe, meinte, dass die üblichen masken eigentlich nur die anderen menschen schützen würde. abgesehen davon, dass es keine masken gibt, glaube er allerding, dass aus kulturellen gründen hier keine breite gruppe aus rücksicht auf die anderen menschen eine maske tragen würde so wie in asiatischen ländern. aber: er halte es für eine kreative, möglicherweise sinnstiftende idee, sich bunte masken zu nähen, zu tragen und sich somit solidarisch zu zeigen. in diesem zusammenhang fällt mir ein etwas ein, das ich gelesen habe. nämlich, dass menschen aus der westlichen kultur und menschen aus asiatischen kulturen unterschiedliche wahrnehmungen der welt haben. bittet man menschen aus beiden gruppen, ein selfie in einer bestimmten umgebung zu machen, so zeigt z.b. ein*e europäer*in sich im zentrum dieses fotos, ein*e japaner*in zeigt viel umgebung, in dessen kontext er*sie sich befindet. der focus liegt in vielen asiatischen kulturen auf der umgebung, das individuum ist nicht das zentrum, sondern teil eines größeren systems bzw. organismus. das lässt sich auf viele andere bereiche des lebens übertragen: das wohlergehen der gemeinschaft steht über dem des einzelnen. für mich lassen sich so die immense hilfsbereitschaft in den krisenländern, die freiwilligendienste für die gemeinschaft und die unfassbare disziplin, mit der staatliche maßnahmen zum wohlergehen der menschen und des staates erklären.
wir haben nicht gelernt, mit katastrophen umzugehen. ich bin in einer freien, friedlichen und waohlhabenden welt geboren und aufgewachsen. mein kühlschrank war immer voll, ich habe nie gefroren, hatte immer wasser und viel raum für mich allein. aber auch für mich ist seit langer zeit in der beobachtung von kindern und ihren eltern deutlich, dass die größe des ichs anscheinend wachsen kann. dieses ich behält sich vor, hygieneartikel für sich zu lagern, atemschutzmasken zu horten, die anweisungen zum verhalten in der öffentlichkeit zu ignorieren. der apell an die bevölkerung, alles dafür zu tun, dass die älteren und schwachen geschützt werden müssen, verhallt. das wäre in einem asiatischen land, glaube ich, nicht möglich. dort schützt man sich im kontakt, dort versorgt man, dort desinfiziert man mit freiwilligen helfer*innen. versteht mich nicht falsch, viele versorgen hier und überall früher und jetzt besonders ihre älteren familienmitglieder*innen und die nachbar*innen liebevoll. wir haben viele solidarische und hilfsbereite menschen und die meldungen und beobachtungen dazu machen mich immer froh. aber solange diese hilfe nicht eine massenbewegung ist, und zwar von denen, die nicht gefährdet sind und denen, die bereits geheilt sind, ist das ein tropfen auf dem heißen stein. irgendwie habe ich die hoffnung, dass diese katastrophe das gute in uns zum vorschein bringt. dass wir es schaffen, supermärkte zu bestimmten zeiten nur für senior*innen zu öffnen. menschen anzurufen und mit ihnen zu plaudern. für sich und andere kreative aufgaben zu entwickeln und zu teilen. freiwillig auf die öffentlichkeit zu verzichten. abstand zu halten. fühlen, wie gut es sich anfühlen kann, nichts neues kaufen zu müssen, nichts zu brauchen außer den wesentlichen menschlichen bedürfnissen. die gemeinschaft, das miteinander ist wichtiger als jemals zuvor, das macht hoffnung auf eine andere zukunft nach corona.
16.03. the sun is shining, butterflies are flying through the garden, everything is so idyllic and peaceful that i feel like i am in a parallel universe. am not a friend of bad news and also try to put all the unpredictable good news about the bad news: that china has sent a plane to italy, that italy sings together, that people help each other. unfortunately, these joys do not overlay my inner restlessness, which I have felt for days.
we've arrived at the really big questions, it seems to me. who we are and what are our values? where is the limit between me and others? i am deeply concerned with where the point of care to panic is. what should i tell my daughters? am i asking you to come home? has to watch how your and my freedoms are getting smaller and the naturalness with which we all can be for ourselves in this family prepare, live and rethink your own life, dissolve and all security is lost. they are moves by big moral questions, how much of your own life can you keep without endangering the collective of this society? i want to protect them, more than anything else in the world.
i have only experienced such a threat once, at chernobyl. at that time it was my parents who bought supplies and distributed them comfortably. we also had escape plans. that calmed me down.
there is no escape plan today. there is no place that i can call exile. so our house remains a castle. borders are closed, traffic is gradually being stopped, soon shops and restaurants will be closed, as will hospitals and retirement homes. many people will suffer and will die, suffered and died. and today we are perpetrators and victims in an irritating way, can spread the virus and become ill with it.
After the first quarantine case became known in our neighborhood, i also developed a nest-building drive. as in pregnancy, i had a deep need to store pasta, olives, artichokes, chickpeas and flour in my cellar for emergencies. in case we also have to stay at home. to maintain autonomy. of course i knew it was trying to keep control and it really calmed me down. just like watching the news. it is as if the fact of knowing the current news can provide security.
it also seems to me as if this would be the great occurrence for the representation of good and bad. as if you had to decide which side to stand on. politicians are once again showing their true faces, especially the one who tried to get the possible vaccine for himself. it is also like a test in which we are tested to see how deep and above all how real the values we call ours are. compassion, solidarity, helpfulness. my topics for tomorrow. by the way: he didn't get the vaccine, says hopp, it's for everyone.
16.03. draußen scheint die Sonne, die Schmetterlinge fliegen durch den Garten, alles ist so idyllisch und friedlich, dass ich mir vorkomme wie in einem paralleluniversum. bin keine freundin von schlechten nachrichten und versuche auch, mir in all dem unwägbaren gute neuigkeiten über die schlechten zu legen: dass china ein flugzeug nach italien geschickt hat, dass italien gemeinsam singt, dass menschen einader helfen. leider legen sich diese freuden nicht über meine innere unruhe, die ich seit tagen verspüre.
wir sind bei den ganz großen fragen angekommen, scheint mir. wer wir sind und welche werte uns ausmachen. wo ist die grenze von mir und den anderen? mich beschäftigt zutiefst, wo das limit von fürsorge zu panik ist. was erzähle ich meinen töchtern? bitte ich sie, nach hause zu kommen? muss zusehen, wie ihre und meine freiheiten immer kleiner werden und die selbstverständlichkeit, mit der wir jeder für sich in dieser familie sein*ihr eigenes leben vorbereitet, lebt und überdenkt, sich auflöst und alle sicherheit verloren geht. große moralische fragen bewegt sie, wie viel eigenes leben dürfen sie behalten ohne das kollektiv dieser gesellschaft zu gefährden? ich will sie beschützen, mehr als alles andere auf der welt.
eine derartige bedrohung habe ich selbst nur einmal erlebt, bei tschernobyl. damals waren es meine eltern, die vorräte gekauft und trost verbreitet haben. fluchtpläne hatten wir auch. das hat mich beruhigt.
heute gibt es keinen fluchtplan. es gibt keinen ort, den ich als exil angeben könnte. so bleibt unser haus eine burg. grenzen sind geschlossen, der verkehr wird nach und nach eingestellt, bald werden läden und restaurants geschlossen sein, so wie die krankenhäuser und seniorenheime. viele menschen werden leiden und werden sterben. und heute sind wir auf irritierende weise selbst täter*in und opfer, können den virus verbreiten und an ihm erkranken.
nachdem in unserer nachbarschaft der erste quarantänefall bekannt wurde, habe auch ich einen nestbautrieb entwickelt, wie in den schwangerschaften hatte ich ein tiefes bedürfnis, nudeln, oliven, artischocken, kichererbsen, mehl in meinem keller einzulagern für die not. falls wir auch zuhause bleiben müssen. um autonomie zu erhalten. selbstverständlich war mir klar, dass es der versuch war, kontrolle zu behalten, und es hat mich wirklich beruhigt. ebenso wie das nachrichtensehen. es ist, als ob die tatsache, die aktuellen meldungen zu kennen, sicherheit schenken könne.
auch scheint es mir, als ob dies der große auftritt für die darstellung von gut und böse wäre. als ob man sich nun entscheiden müsste auf welcher seite man steht. politiker zeigen wieder einmal ihr wahres gesicht, vor allem der eine, der versucht hat, den möglichen impfstoff für sich zu bekommen. es ist auch wie ein test, bei dem man geprüft wir, wie tief und vor allem wie echt die werte sind, die wir als unsere bezeichnen. mitgefühl, solidarität, hilfsbereitschaft. meine themen für morgen. übrigens: den impfstoff hat er nicht bekommen, sagt hopp, der ist für alle menschen.